Der Digitalisierung auf der Spur!

Der Digitalisierung auf der Spur!

instant messages #15 by Marcus W. Mosen

Marcus W. Mosen kommentiert Payment- oder Bankingthemen auf unterschiedlichen Portalen und erfreut seine Follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Ab sofort finden Sie bei uns monatlich seine Gastkolumne „instant messages by…“ zum aktuellen Geschehen im Payment, Banking & Co.

Pandemie und Digitalisierung – das Ying und Yang der Gegenwart!

Bis vor kurzem wären beide Begriffe mangels kollektivem Bewusstsein oder „Erfindung“ im Glücksrad-ERNSTL definitiv ein harter Rate-Brocken gewesen. Auch wenn beide Begriffe nahezu untrennbar miteinander verwoben sind, so könnten sich doch beide nicht unterschiedlicher in ihrer Geschwindigkeit weiterentwickeln: entwickelt das Ying gerade am anderen Ende der Welt eine neue Variante, verbreitet sich diese auch schon in Windeseile um selbige. Dieser Speed wäre bei Yang durchaus wünschenswert, ist allerdings nicht in gleichem Masse feststellbar…

Als stummer Zeuge einer Konversation zweier Sextaner über die Digitalisierung des Unterrichts an zwei verschiedenen Kölner Gymnasien, die ca. 12 km auseinander liegen, ließen mich diese neuen Einblicke in die Thematik Schul-Digitalisierung gewinnen: ob Teams, Zoom, Moodle oder Jitsi im Einsatz sind, hängt wohl u.a. von der verfügbaren Bandbreite des Schul-Internets bzw. der „Datenschutzaffinität“ des für die Digitalisierung in den Schulen verantwortlichen Lehrkörpers ab. Ist letzterer darauf bedacht, dass alle Daten möglichst auf den Schulservern gesichert werden und dort auch bleiben, kommt meist „Jitsi“ zum Einsatz, was dann aber regelmäßig „abstürzt“ und den Unterricht damit vorzeitig beendet.

Die „Teams“-Fraktion schafft dagegen einen täglichen Schulunterricht von 8.10 bis 13.30 Uhr, lebt aber mutmaßlich mit der Furcht vor dem Datenklau durch eine „Datenkrake aus Übersee“. Was jetzt besser für eine möglichst kontinuierliche Vermittlung von Lerninhalten an Schüler ist, mag jeder selber beurteilen…aber was die Kinder auch bei diesem Thema nebenbei realisieren ist, dass man eben nicht für die Schule, sondern für das Leben lernt…und dass es auch bei der Digitalisierung viele „Wege nach Rom“ gibt.

Der Digitalisierung auf der Spur!

Womit ich zu meinem nächsten Thema komme, der Pressemitteilung der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) am vergangenen Freitag zum einfachen Bezahlen an E-Ladesäulen mit gängigen Kartenzahlsystemen. Die DK macht sich dafür stark, dass eine „verbraucherfreundliche Ladeinfrastruktur“ mit einfachen Zahlungsverfahren nur via Einbau eines PIN-Pad ermöglicht werden kann. Als Begründung dafür wird auf den erfolgreichen Einsatz dieser „Kartenzahlungsmodule“ im Praxiseinsatz bei Parkautomaten und im ÖPNV hingewiesen.

Vorstellen darf man sich diese Konstruktion im look and feel heutiger Tankstellen: Mehrere E-Zapfsäulen und eine „Bezahlstation“. Damit sollen die zusätzlich anfallenden Kosten für ein PIN-Pad in jeder einzelnen Ladestation gesenkt werden. Diese Pressemitteilung zeigt erneut, in welcher Gedankenwelt die DK immer noch verhaftet ist, bzw. dass deren strategische Vordenker selber (vermutlich noch) kein „reines“ E-Auto fahren.

Denn dann wüssten sie, dass es sich dabei um „fahrende iPads“ (Tesla) oder „Super-Computer on Wheels“ (Ole Källenius, Daimler CEO) handelt, deren Fahrer*innen die Ära der PIN-Pads schon lange hinter sich gelassen haben. Diese klimaneutralisierende, digitale Innovation der E-Mobility nun mit einer Bezahl-Infrastruktur zu beleidigen, die ihre Roots im vorigen Jahrhundert hat, ist schon bemerkenswert.

Statt z.B. eine intelligente Identifizierung an der Ladesäule mit Erkennung des Fahrzeugtyps via Ladestecker oder der Bezahlung via QR-Code im Stile der sehr erfolgreichen Nutzung der E-Scooter zu promoten, lässt man sich vor den Karren der Terminalhersteller spannen, um deren Auslaufmodule indirekt zu bewerben. Warum suchen die Produktmanager der DK nicht den Schulterschluss mit den Ladesäulenanbietern (auch aus der Stromwirtschaft) und versuchen mit intelligenten Partnerschaften, unter Einbeziehung des Smartphones, ein e-Mobility-Payment-Ecosystem zu entwickeln?

Glaubt die DK ernsthaft, dass sich die Fahrer von E-Autos, die sich schon bei der Entscheidung für ein solches Automobil als innovationsfreudig bewiesen haben, lieber an einer „Bezahlstation“ anstellen, statt über eine Smartphone-APP die Tankrechnung instant zu bezahlen? Und wie um Himmelswillen kommt man in der DK zu dem Schluss, dass man mit dieser „Bezahlstation“ Strukturkosten senkt?

„Glaubt die DK ernsthaft, dass sich die E-Autos-Fahrer lieber an einer ‚Bezahlstation‘ anstellen, statt über eine APP die Tankrechnung instant zu bezahlen?“

Dies wäre nur dann der Fall, wenn es eine E-Ladesäulen-Infrastruktur schon gäbe, die nun nachgerüstet und damit effizienter gemacht werden sollte. Da jedoch die gesamte Infrastruktur dafür noch überwiegend im Aufbau ist, gibt es noch keine „Kostensenkung“ im klassischen Sinne. Stattdessen ist dies nun die ideale Gelegenheit, auch beim Thema (smartes) Bezahlen zukunftsorientiert (neudeutsch: disruptiv) zu denken. Und wer weiß: vielleicht wird sogar ein Use-Case für das neue europäische Paymentscheme daraus?!

Apropos Europäische Payment Initiative (EPI) – die derzeit wohl wichtigste strategische Initiative (einer wachsenden Zahl) europäischer Banken… Dort stechen nach wie vor die Argumente hervor, die in Zeiten des Trumpismus noch den politischen Nerv der politischen Eliten in Europas Metropolen trafen. Nachdem die Financial Times dank Wirecard-Gate zu einem kritischen Medium in Sachen Payment avancieren konnte, nimmt diese jetzt das EPI-Projekt in einem – zugegebenermaßen etwas reißerisch aufgemacht – Beitrag ins Visier.

Dies ist bemerkenswert, da die FT überwiegend in Great Brexitain gelesen wird. Also dort, wo EPI dank des wiedergewonnenen politischen „Inselstatus“ wohl kaum je eine Chance auf Einführung haben wird. In„Europe’s largest banks plan to joint attack on US payments giants” kann man die EPI-Argumente für ein US-zahlungsverkehrsunabhängiges Paymentverfahren nachlesen. Dabei wird von den EPI-Protagonisten eine Argumentationslinie verfolgt, die vielleicht in die Zeit des „kalten Krieges“ mit der Trump-Administration passten. Es ist einerseits nachvollziehbar, dass wenn man das Ohr der politischen Entscheidungsträger bekommen will, vor den Gefahren der „datenaufsaugenden“ Plattformen von PayPal, Mastercard, Visa, Google oder Apple zu warnen. Aber wenn dieses Projekt erfolgreich sein soll, dann wird dies bei Konsumenten und Händlern nicht dadurch gelingen, dass die (derzeit) beliebtesten Produkte (Apple, Google) oder international etablierte Zahlverfahren (Mastercard, Visa) an den Pranger gestellt werden.

Der Digitalisierung auf der Spur!

Das ist auf den ersten Blick vielleicht der leichtere Weg, insbesondere dann, wenn im EPI Projekt offenbar der ursprüngliche europäische Gedanke – „Einheit in Vielfalt“ – verfolgt wird. Denn wenn man sich die Energien und Ressourcen vor Augen führt, die derzeit in die Konsolidierung der deutschen Giropay-Assets und den Ausbau des (noch) Girocard-Systems gesteckt werden, dann ist nur schwer vorstellbar, dass diese Lösungen irgendwann einmal durch etwas Neues, unter dem Brand „EPI“ in einer echten europäischen Lösung ersetzt werden. Trauen sich die EPI-Banken und EPI-PSP nicht mehr zu als die Zusammenführung von Bestandsinfrastrukturen mithilfe von API-Technologie?

Nach Brexit und Corona müssen wir uns in Europa im digitalen Bezahlen mehr einfallen lassen, wenn wir die Bürger*innen von ihren nicht immer fortschrittlich geprägten Bezahlgewohnheiten auf ein neues Paymentverfahren einschwören wollen. Eine Subsumtion der bestehenden Zahlungssysteme einzelner Länder unter ein neues Branding wird dafür sicherlich nicht ausreichen. Hier sollte mehr über Strukturen von digitalen Ökosystemen nachgedacht werden, die dem „User“ und dem „Merchant“ Mehrwerte bringen und Innovation ermöglichen. Das Beispiel E-Ladesäule lässt grüßen!

Daten, Plattformen und KI werden auch bei einer EPI eine elementare Rolle spielen müssen, wenn es von seinen Anwendern als etwas Neues aufgenommen werden soll. EPI wird sich nicht mit den Lösungsansätzen oder den Strategieansätzen von den Versorgungsunternehmen der alten Paymentwelt durchsetzen können, in denen es eher auf den kleinsten gemeinsamen Nenner hinausläuft, statt auf profitables Wachstum, das letztlich auch Voraussetzung für Innovationen ist.

Wer sich hingegen mit neue Strategieansätzen bei Digitalen Ökosystemen beschäftigen möchte, dem darf ich an dieser Stelle (Achtung, kleiner Werbeblock!) gleich einmal das gleichnamige Buch als Lektüre empfehlen. Es erscheint Anfang Juli und kann schon jetzt bei Amazon vorbestellt werden. Ich kann versprechen, dass dort auch sehr Lesenswertes zu den Themen Payment, Fintech und Digital Banking zu finden sein wird. Und EPI kommt ebenfalls nicht zu kurz :-)

Bisher als Kolumne „instant messages by…“ erschienen:

Autor

  • Marcus W. Mosen, Babyboomer aus dem Spitzenjahr, kommentiert Payment- und Bankingthemen bei uns und u.a. bei Finanz-Szene.de und erfreut seine follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Marcus W. Mosen hatte nach BWL-Studium in Koblenz und Birmingham seine ersten berufliche Stationen bei der Treuhandanstalt in Berlin und bei einem Telekommunikationsunternehmen in Düsseldorf. Seit 1999 hat er an verschiedenen Schaltstellen der deutschen und europäischen Paymentbranche die Entwicklungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs aktiv mitgestaltet. Heute ist er als Advisor und Investor in den Fintech & Tech-Szene engagiert.

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