Corona und Digitalisierung – was von unseren alten Gewohnheiten noch übrig bleibt…

Corona und Digitalisierung - was von unseren alten Gewohnheiten noch übrig bleibt…

instant messages #12 by Marcus W. Mosen

Marcus W. Mosen kommentiert Payment- oder Bankingthemen auf unterschiedlichen Portalen und erfreut seine Follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Seine Gastkolumne „instant messages by…“ finden Sie bei uns monatlich zum aktuellen Geschehen im Payment, Banking & Co.

Dass die Scholz‘sche Bazooka für Corona-Finanzhilfen ein paar Ladehemmungen aufweist, hat sich inzwischen leidvoll bei vielen Unternehmern herumgesprochen. Dafür läuft es aber mit der Digitalisierung in diesem unserem Lande ziemlich dufte – oder etwa nicht??

Das inzwischen schon einen Monat alte, neue Jahr hat uns aus Sicht der Payment & Banking Szene schon ein paar spannende Themen beschert. Der gesellschaftliche Diskurs, der Politikbetrieb und der tägliche News Flow werden jedoch weiterhin von einem Thema dominiert – Corona! Auf Social Media und in den traditionellen Medien gibt es nur ein Thema: wann bekommt wer die Impfspritze, die wieder ein unbeschwertes Arbeiten außerhalb der Kasernierung im Homeoffice erlaubt und wann dürfen wir wieder die altgewohnten Freiheiten des Globetrotting genießen!?!

Die Erlebnisse und Erfahrungen der letzten 12 Monate haben uns an der einen oder anderen Stelle kalt erwischt, oder besser gesagt, sie haben uns die Machbarkeit des Seins in einem Leben ohne überfüllte Innenstädte, Flughäfen und Autobahnen gezeigt. Und wer sich in den letzten Jahren tatsächlich noch in eine Bankfiliale verirrt hatte, wird zwischenzeitlich festgestellt haben, dass man diese nicht wirklich vermisst. Corona entpuppt sich in vielen Bereichen unseres Lebens und Arbeitens als Digitalisierungs-wake-up-call – mit zum Teil gravierenden Konsequenzen.

Nach meinen Bemerkungen in meiner letzten Kolumne 2020 zu einem längst überfälligen Facelift der Miles & More Website hat Lufthansa prompt reagiert und gibt nun auch die Pläne aus 2019, mit einer eigenen Multibanking-App die deutsche Kreditwirtschaft anzugreifen, wieder – coronabedingt(?)- auf. Das ist sehr bedauerlich, zumal mit dieser Funktion das Miles & More Programm wieder an Höhe gewonnen hätte… oder will man in der Krise lieber Ballast abwerfen, indem man alles, was nicht mit dem Kerngeschäft „Fliegen“ zu tun hat, aussortiert? Als „Trostpflaster“ bekommen die Vielflieger für alle Flüge (in 2021), durchgeführt von den Airlines der Lufthansa Gruppe, doppelt so viele Statusmeilen gutgeschrieben – also doch der letzte Versuch, das Miles & More Programm noch irgendwie aufrecht zu erhalten, auch wenn das „Vielfliegen“ zukünftig kaum noch gesellschaftsfähig sein dürfte…

Apropos Subventionieren…auch schon in Vor-Corona-Zeiten war regelmäßig zu lesen, dass unsere Innenstädte aussterben. Nun, als Kölner kann ich bestätigen, dass der einzige Reiz der Innenstadt an den Endpunkten zwischen Dom und „Früh“ zu finden ist. Die in den 60er und 70er Jahren noch als Symbol der neuen Zeit gefeierten Fußgängerzonen deutscher Innenstädte entpuppen sich heute als strategische Fehlplanung. Im Vor-Corona-Früher sind täglich tausende Menschen nur noch zum Shoppen in die Stadt geeilt, das Wohnen hatte sich schon längst in die Randbezirke zurückgezogen.

Corona und Digitalisierung - was von unseren alten Gewohnheiten noch übrig bleibt…

Im Shutdown bleiben die Menschen jetzt überwiegend in ihren Wohnstadteilen und begrüßen täglich, mit zunehmender Frequenz und als willkommene Abwechslung im Homeoffice, die Kollegen von DHL, Hermes, UPS oder einen der vielen Fahrer von Amazon. Wer darauf hofft, dass nach Corona die nur noch von Staatsgarantien getragenen zentralen Einkaufstempel von Galeria Karstadt und Kaufhof wieder eine Sogwirkung auf die Fußgängerzonen der Innenstädte ausüben, wird jedoch realisieren müssen, dass der uns allen liebgewonnene „Jetzt kaufen“-Button von Amazon an seiner Anziehungskraft nichts eingebüßt hat.

Da müssen sich die Stadtplaner wohl noch etwas Anderes einfallen lassen, als nur Ladeinfrastrukturen zur Absicherung  der „E-Mobility“ in die Innenstädte zu pflanzen. Omnichannel ist das new normal. Wer das nicht kann – vor allem als großer (und auch als kleiner) Händler – hat über kurz oder lang verloren. Da helfen auch keine Staatsgarantien mehr. Corona und Digitalisierung zeigen auch hier mehr als nur Kratzspuren.

Ach ja, die guten alten Bankfilialen. Die Melodie ihres Abgesangs hatten bereits vor Corona alle Banken und Sparkassen selber angestimmt. Aktuell befinden wir uns mit der Anzahl der Filialen fast wieder auf dem Nachkriegsniveau der 50er Jahre. Mit diesem „Zurück“ geht’s nun auf in die Zukunft. Damit sind die jüngsten „Strategie-Ankündigung“ der Commerzbank und der Deutschen Bank, die Anzahl ihrer Filialen nochmal zu halbieren nahezu ein „Turbo“ in die digitale Zukunft – nicht unbedingt jedoch für die Mitarbeiter/innen.

Als interessierter Beobachter fragt man sich: was ist hier eigentlich noch Strategie und was ist schon schöpferische Zerstörung? Oder ist es nur das „Window-Dressing“ für die innerörtliche Konsolidierung in Frankfurt? Spätestens jetzt bewahrheitet sich der strategische Weitblick von Bill Gates (1994): Banking is necessary, banks are not!

Aber wer jetzt denkt, dass sich in Deutschland die „drei Säulen der Kreditwirtschaft“ einfach nur einer Verschlankungskur durch Konsolidierung unterzogen haben, darf darauf hingewiesen werden, dass die Pandemie ein Erstarken der neuen, vierten Säule – der Fintech-Banken – offenbart hat. Auch wenn anfänglich allen Fintech-Banken der Corona-Impact ein wenig zugesetzt hat, haben mittlerweile auch viele ältere Menschen die Bequemlichkeit des Smartphonebankings und insbesondere des Mobilepayments in den letzten Monaten sehr zu schätzen gelernt. Und der „Trading-Boom“ via App – dank Bitcoin und Gamestop – hat nochmals gezeigt, dass die Nutzungsfrequenzen einer App um ein Vielfaches höher liegen, als wir es jemals im traditionellen Retailbanking erlebt haben. Banking ist nicht mehr Commodity, sondern wird zum Lifestyle-Event.

Last but not least: am POS fällt die letzte Bastion der indirekten Nötigung zur Barzahlung. Die seit Jahren aufgestellten Hinweise „Kartenzahlung erst ab 10 € Umsatz“ sind sogar beim Bäcker endlich zum „no go“ geworden. Aber mit nur 30 % bargeldlosen Zahlungen in Deutschland in 2020 – wie die Bundesbank im Januar berichten konnte – ist Deutschland nach wie vor ein Entwicklungsland im digital payment. Damit können alle Freunde des Bargelds entspannt aufatmen. Wir werden das „Cash in der Täsch“ noch viele Jahre mit uns herumtragen –  und uns Paymentnerds einigen Diskussionsstoff liefern. Hoffentlich aber nicht ausschließlich via #Zoom, #Teams oder #Clubhouse.-)

Bisher in der Reihe „instant messages“ erschienen:

Autor

  • Marcus W. Mosen, Babyboomer aus dem Spitzenjahr, kommentiert Payment- und Bankingthemen bei uns und u.a. bei Finanz-Szene.de und erfreut seine follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Marcus W. Mosen hatte nach BWL-Studium in Koblenz und Birmingham seine ersten berufliche Stationen bei der Treuhandanstalt in Berlin und bei einem Telekommunikationsunternehmen in Düsseldorf. Seit 1999 hat er an verschiedenen Schaltstellen der deutschen und europäischen Paymentbranche die Entwicklungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs aktiv mitgestaltet. Heute ist er als Advisor und Investor in den Fintech & Tech-Szene engagiert.

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