Letzte Woche fand die virtuelle Konferenz „Zukunft des Zahlungsverkehrs in Europa“ – veranstaltet von der Deutschen Bundesbank statt. Gezeigt und diskutiert wurden verschiedene Perspektiven um die neuesten Entwicklungen im europäischen Zahlungsverkehr, insbesondere die Retail Payments Strategy der Europäischen Kommission, die Europäische Zahlungsverkehrsinitiative und die mögliche Rolle eines digitalen Euros in der Zahlungslandschaft.

Hochrangige Referenten aus Zentralbanken, Politik und Industrie haben sich über die sich entwickelnde digitale Zahlungslandschaft ausgetauscht. Eröffnet wurde die Konferenz von Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Bundesfinanzminister Olaf Scholz. EU-Kommissarin Mairead McGuinness hat die Strategie der Kommission für den Massenzahlungsverkehr vorgestellt, die Teil des kürzlich veröffentlichten Digital Finance Package ist.

Anschließend haben Fabio Panetta (Europäische Zentralbank), Joachim Schmalzl (EPI), Ignazio Visco (Banca d’Italia) die wichtigsten Trends im europäischen Zahlungsverkehr beleuchten. In der anschließenden Podiumsdiskussion skizzierten Javier San Félix (Santander-Gruppe), Gilles Grapinet (Worldline), Jörg Kukies (Bundesministerium der Finanzen) und Valentin Stalf (N26) die spezifischen Herausforderungen für die Marktteilnehmer und stellten sich den Fragen des Publikums. Burkard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, zuständig für Zahlungsverkehrs- und Abwicklungssysteme, hat zum Abschluss der Konferenz einen Ausblick auf die Zukunft des Zahlungsverkehrs in Europa gegeben.

Auch André Bajorat war in seiner Rolle vonseiten der Deutschen Bank als Sprecher eingeladen um etwas Gedankenfutter beizusteuern, die Moderatorin Valerie Haller interviewte ihn zum Thema: Was Digitalisierung im Zahlungsverkehr wirklich bedeutet!

Das Interview wollen wir zum Anlass nehmen es hier einem breiteren Publikum vorzustellen.

Um anzufangen: Alle reden über die Digitalisierung und wahrscheinlich reden nicht alle über die gleichen Dinge: Was ist Ihrer Meinung nach am wichtigsten zu verstehen, wenn über die Digitalisierung diskutiert / gesprochen wird?

Zunächst einmal es gibt in diesem Bereich keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern :-) Digitalisierung ist kein Selbstzweck, und Technologie allein ist kein Vorteil.

Im Falle guter digitaler Lösungen digitalisieren sie daher nicht nur, sondern, was wichtig ist, verbessern das Produkt oder die Dienstleistung selbst oder erleichtern die Nutzung oder den Zugang.

Wenn ein analoges Verfahren nicht gut war, wird die Technologie allein es nicht besser machen. Unser Verständnis von digitalen Lösungen hat sich mit der Einführung echter Smartphones noch einmal grundlegend geändert, da wir immer weniger bereit sind, uns mit einer durchschnittlichen Benutzererfahrung abzufinden.

Infolgedessen wird die Digitalisierung heute oft mit Begriffen wie nahtlose Integration, Kontextualisierung, Komfort und Überzeugungen wie „mobile-first“ assoziiert.

Long story short: Es geht um bessere Lösungen für uns als Nutzer, die oft mit veränderten Verhaltensmustern einhergehen.

Sehen Sie Lehren, die Banken und/oder Einzelhändler aus der Corona-Krise ziehen können?

Ja, als Branche können wir definitiv eine Menge daraus lernen.
In der Bankenwelt haben wir in der Vergangenheit oft Leute sagen hören, warum etwas nicht möglich oder anwendbar ist, aber plötzlich, in der Zeit des Bedarfs, waren diese „unmöglichen“ Produkt- oder Prozessverbesserungen plötzlich möglich – vor allem, wenn es um die Digitalisierung geht.

Insbesondere Banken und Handelsunternehmen müssen sich darauf einstellen, dass sich das Kundenverhalten nachhaltig verändern wird und dass auch die seit Jahren gefragten multi-channel Angebote von Anfang bis Ende digital sein müssen – wobei es immer weniger Toleranz für Unterbrechungen in den Prozessen geben wird.

Was Digitalisierung im Zahlungsverkehr wirklich bedeutet!

Selbst die Backstein-Enthusiasten haben inzwischen begriffen, dass diese als stand-alone nicht mehr ausreichen und dass ein digitaler Kanal immer notwendig ist.

Was halten Sie von den künftigen Zahlungen am Point-of-Sale (POS)? Wird alles mobil sein?

Wir haben unser Verhalten am POS geändert – es ist jetzt normal, dass wir in und durch die Pandemie das Unbekannte so wenig wie möglich berühren.

Für Payments bedeutet das, dass kontaktlose Zahlungen einen Wendepunkt überschritten haben. Und mobil bedeutet im weitesten Sinne – die NFC-Karte, ebenso wie das Handy, die Smartwatch oder der Zahlungsring.

Was Digitalisierung im Zahlungsverkehr wirklich bedeutet!

Dieser Trend wird sich nicht beseitigen lassen, und durch die Virtualisierung der Karte selbst wird es auch in Zukunft so bleiben und wir werden mit etwas bezahlen. In das „Etwas“ wird eine Zahlungsfunktion integriert werden – egal ob Karte oder Bankkonto – das ist für den Kunden uninteressant, solange es reibungslos und nachhaltig funktioniert.

Dass diese Lösung in jedem Kanal und auf der ganzen Welt funktioniert, ist die Erwartung an uns als Nutzer.
Geschlossene Lösungen, die auf Silos und/oder Regionen beschränkt sind, werden nur in wenigen Ausnahmen eine Existenzberechtigung haben, da niemand über die Zahlung nachdenken und die richtige Karte für den jeweiligen Standort auswählen will.

Convenience first“ ist Ihr Mantra, wenn Sie über digitale Zahlung sprechen? Sind andere Aspekte (wie u.a. die Privatsphäre) aus der Sicht des Kunden von Bedeutung?

So sehr es mich auch schmerzt zu sagen – Nein, auch wenn der eine oder andere es sich wünscht. Oft spielen andere Faktoren wie die Privatsphäre keine große Rolle.

Hier kommt die Weltmacht der Bequemlichkeit ins Spiel, deren Bedeutung die anderen Merkmale von Zahlungen bei weitem übertrifft und überwiegt.

Mit PSD2 haben die Banken APIs (Applied Programming Interfaces) eingerichtet. Wie könnte dies als Ausgangspunkt für eine offene Finanzierung (Teil des digitalen Zahlungspakets der EU-Kommission) genutzt werden? (Eingebettetes und unsichtbares Finanz- und Bankwesen ist die neue Normalität)

Ich denke, die bessere Formulierung ist, dass die Banken mit PSD2 verpflichtet waren, ihre Systeme über APIs für Dritte zu öffnen. Diese Öffnung ist definitiv ein guter Ausgangspunkt für eine „offene Finanzierung“ und noch besser für ein „alles öffnen“.

Was Digitalisierung im Zahlungsverkehr wirklich bedeutet!

Dies erfordert die Denkweise des mündigen Bürgers mit Autorität über seine Daten im Sinne der Datenhoheit. Ich glaube sehr stark an diese Souveränität des einzelnen Bürgers und ich sehe eine große Chance für den Standort Europa, wenn es uns gelingt, daraus einen echten USP für Bürger und Unternehmen zu schaffen.

Was ist Ihre Meinung zu Echtzeit-/Sofortzahlungen? Könnte dies eine Grundlage für eine gesamteuropäische Zahlungslösung sein?

Real Time and Instant wird das neue Normal sein, aber mehr als Teil moderner Infrastrukturen und nicht als Produkt an sich.

Und natürlich kann diese Infrastruktur eine Basis für eine europäische Zahlungslösung sein –
aber das echte Produkt, das auf der Infrastruktur basiert, ist der Schlüssel zum Erfolg, und Echtzeit ist nur eine kleine, nützliche Komponente. Die primäre Hausaufgabe für ein erfolgreiches europäisches Zahlungssystem ist daher eine andere.

Die gesamte Konferenz könnt ihr euch hier nochmals anschauen. Das Interview mit André Bajorat ab Stunde 2:50. Das Interview wurde auf Englisch geführt und von uns übersetzt.

https://www.bundesbank.de/en/service/media-library/videos/virtual-conference-future-of-payments-in-europe–850358

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