Sparkasse – you had one simple Job
Nach der Blockadehaltung der Sparkasse im letzten Jahr zur Einführung von Apple Pay in Deutschland, kündigten selbige in den letzten Woche an, Apple Pay doch unterstützen zu wollen. Und auch die Volksbanken sind inzwischen nachgezogen. Während manche von einem Offenbahrungseid sprechen, ist dieser Schritt für den Konsumenten zunächst einmal ein sehr Guter. Die beiden größten Bankengruppen in Deutschland wollen Apple Pay unterstützen. Und die Sparkasse will Apple Pay mit der Girocard unterstützen. Liest sich gut, hört sich gut an, wenn da nicht ein kleines Detail wäre.
Apple Pay mit Girocard – nur im Retail?
Sollten die Sparkasse (und die Volksbanken) sich dazu entschließen Apple Pay nur mit der Girocard zu unterstützen, kann es gut möglich sein, dass Apple Pay mit der Girocard nur im Retail funktionieren wird. Also nur am POS (Point of Sale). Nicht für In-App Käufe oder im E-Commerce. Denn damit Apple Pay außerhalb vom stationären Handel zusammen mit der Girocard genutzt werden kann, braucht es zwei Dinge:
1) Technische Umsetzung, also die Girocard “online”fähig machen
2) Händler muss Girocard akzeptieren
Ersteres scheint zumindest auf den Powerpoint-Folien gelöst zu sein, wie Jochen auf der Proftcard19 erfahren konnte (mehr dazu im morgigen Artikel). Dort wurde angekündigt die Girocard zu digitalisieren und für In-App-Käufe zuzulassen. Erste Transaktionen sollen noch im Jahr 2019 kommen. Das würde dann bedeuten, das die Girocard z.B. in Apps genutzt und für Käufe benutzt werden kann – und Apple Pay ist im Grunde eine App. So weit so schön. Die Party findet allerdings nur dann statt, wenn der Händler die Girocard akzeptiert, was im Retail kein Thema ist, aber im E-Commerce eben schon. Denn da gab es die Girocard bisher nicht.
Wer also seine Pizza zukünftig online bestellt und glaubt er könne dann mit seiner Girocard und Apple Pay bezahlen, wird sich vielleicht wundern, weil es dann vielleicht nicht funktionieren wird.
Wir müssen leider draußen bleiben – was für unsere geliebten Vierbeiner in Geschäften gilt, gilt dann für die Apple Pay Nutzer der Sparkassen im E-Commerce. Die Konsequenz des jahrelangen Versäumnis, die Girocard nicht onlinefähig zu machen, macht sich nämlich hier bemerkbar.
Statt einer sinnvollen Omnikanal-Strategie hat man in der Vergangenheit Insellösungen gebaut oder mit vorangetrieben: Girocard, Paydirekt, Giropay oder eigenes Mobile Payment, die allesamt untereinander nicht miteinander funktionieren und vor allem eines sind: lokal auf Deutschland begrenzt. Der jetzige Vorstoß die Girocard in Apps als Zahlungsmittel zuzulassen ist am Ende nur die halbe Miete: Apps, Retail, E-Commerce – was für den Kunden alles das Gleiche ist, wird hier zerpflückt, denn im E-Commerce hat man ja Paydirekt.
E-Commerce vs. Retail: wie viel Alarm ist in den Märkten
In diesem Jahr wird im E-Commerce-Versandhandel ein Umsatz von 58,5 Milliarden Euro erwartet und die Tendenz ist seit Jahren steigend. Im Zuge dessen steigt natürlich auch der mobile Commerce, also der Kauf von Waren und Dienstleistungen über das Smartphone oder Tablet an. 48 Prozent aller Einkäufe im E-Commerce sind inzwischen mobil, einzelne Händler, wie z.B. Zalando sind längst bei 70% mobile-Anteil. Sollte die Sparkasse also einzig die Girocard für Apple Pay stationär umsetzen, bedeutet das im Umkehrschluss für die Sparkassenkunden, daß sie sehr regelmäßig in die Röhre schauen werden. Die Girocard funktioniert nicht im E-Commerce. Schauen wir uns die Szenarien an:
Girocard ohne weitere (virtuelle) Kreditkarte: eine Möglichkeit ist diese Kombination, aber für den Kunden bedeutet das auch, dass Zahlungen im E-Commerce nicht möglich sein werden. Aus dem einfachen Grund: es fehlt auf der einen Seite die vertragliche Grundlage (Akzeptanzvertrag) und technisch ist die Girocard vielleicht bald für In-App-Käufe zu nutzen, aber nicht “onlinefähig”. Auch im Retail kann es zu Frustration kommen, nämlich dann, wenn der Händler keine kontaktlose Gircoard-Zahlung akzeptiert. Das ist selten, kommt aber vor. Auch wird eine “reine” Girocard-Unterstützung für Zahlungen um Ausland nicht ausreichen. Außerhalb von Deutschland gibt es keine Girocard (da nutzt man dann Maestro oder Vpay)
- Girocard auf Basis des Maestro-Netzwerks ohne (virtuelle) Kreditkarte: der wahrscheinlichste Fall. Vorteil wäre, das Zahlungen auch außerhalb von Deutschland funktionieren (E-Commerce Zahlungen gehen trotzdem nicht).
- Girocard auf Basis des Maestro-Netzwerks und (virtuelle) Kreditkarte: Vorteil dieser Lösung: Man könnte sowohl offline als auch online und in Apps zahlen, hätte aber zwei Karten in der Wallet: eine für offline (Girocard) und eine weitere für online (Kreditkarte). Nur was macht man mit den Karten, die statt Maestro das Vpay-Logo tragen?
- Virtuelle Kreditkarte mit dem Namen Girocard: Raider heißt jetzt Twix, für den Kunden ändert sich nix. Anders ausgedrückt: Man sagt es ist die Girocard, in Wirklichkeit nutzt man eine Debit-Mastercard. Die Sparkasse Siegen hat für einen Test eine solche Karte vor 2017 gelauncht, die Debit-„Mastercard red“. Selbige ist eine Debit-Mastercard (DMC), bei der Umsätze tagesaktuell vom Girokonto gebucht werden. Wie eine Girocard eben. Der Kunde würde nichts davon mitbekommen. Einzig für den Händler wäre es eine Kreditkartentransaktion. Und da es eine Debit-Card ist, ließe sich selbige einfach in der App aktivieren. Die schönste, aber unwahrscheinlichste Variante, zu dem man ja nun mit der Girocard neue Wege gehen will.
Warum der Eiertanz?
Man könnte die These vertreten, daß der Sparkassenverband als auch die Genossenschaftsbanken Anfangs der Überzeugung war die großen mobilen Bezahlverfahren wie Apple oder Google Pay gänzlich zu ignorieren um stattdessen die eigene Android-HCE Lösung in den Markt drücken zu können. Vielleicht glaubte man auch Apple überreden zu können die NFC Schnittstelle am iPhone für die eigene Lösung zu öffnen und im Gegenzug Apple den Zugriff auf die Girocard zu gewähren. Vielleicht hatte man auch sonstige, nicht nachvollziehbare Allmachtsphantasien. Jedenfalls hat sich die These der Sparkassen aus dem Jahr 2014, daß “Apple in Deutschland nicht an den Sparkassen vorbei kommt”, nicht bewahrheitet. Apple ist bekanntlich ohne die Sparkassen gestartet und die ersten deutschen Apple-Partnerbanken kommen bezüglich Neukunden und Neukarten nicht mehr aus dem Grinsen heraus. Wurde der Platzhirsch Sparkassenfinanzgruppe im überbordenden Selbstverständnis gar geerdet?
Wenn man sich nun doch entschlossen hat Apple Pay zu unterstützen, ohne daß Apple sich auf irgendwelche kruden Deals eingelassen hat, kann damit zusammenhängen, daß ganz vielleicht der ein oder andere sich von der Sparkasse abgewendet hat. Vielleicht man hat auch nur eingesehen, welchen Boost die Deutsche Bank dadurch bekommen hat. Oder man hat sich die soziodemografischen Daten der eigenen Kunden mal angeschaut und festgestellt, dass man eine jüngere (oder einfach digitalere) Zielgruppe nur noch so mittelgut begeistert. Man weiß es nicht genau. So oder so, kann man sagen, daß die Sparkasse es versäumt hat rechtzeitig auf das richtige Pferd zu setzen und im Sinne der eigenen Kunden zu handeln.
Es hätte alles so einfach sein können. Aber ist es nicht und war es nie, weil es inzwischen ein Konglomerat an Lösungen gibt. Einen Zahlungsmittel-Zoo, den man kaum noch gebändigt bekommt: Girocard, Girocard mobile Payment (als eigene HCE-Lösung), Giropay, Paydirekt und nun die Girocard-In-App-Lösung. Das bedeutet am Ende, daß irgendwann die Unterstützung von Apple Pay kommt, aber eben nur mit angezogener Handbremse. Vielleicht sollte man über ein Tabula-Rasa nachdenken und die Girocard als echtes Omni-Channel-Bezahlverfahren umsetzen: offline, online, In-Apps, überall. Wäre zwar eine nationale Lösung, aber eine vollumfängliche.