Erfolge und Fehlschläge…von guten und schlechten Beispielen
Wo Licht ist, ist auch Schatten und in der Geschichte der FinTechs gab es in den letzten Jahren Innovationen, Erfolge und Fehlschläge. Manche dieser Fehlschläge kann man sogar als spektakulären ‚Epic Fail‘ betrachten und bei manch einem FinTech hat man sich die Frage nach dem “warum” schon beim Besuch der Landingpage gestellt. Bei anderen FinTechs stellt man sich die Frage, warum auf eine solch geniale Idee eigentlich noch niemand vorher gekommen ist? Ob nun Erfolg oder Misserfolg, eines eint alle: Sie hatten den Mut etwas zu unternehmen. Uns Deutschen fehlt ohnehin eine Kultur des Scheiterns, denn hinfallen war noch nie eine Schande, nur liegenbleiben. Es gibt noch eine andere Sichtweise auf das Thema. Die Angst vorm Scheitern, kann man auch positiv sehen: Eine fehlende Kultur des Scheiterns führt auch dazu, dass man nicht jeden Quatsch macht.
Um die Phrasendrescherei maximal auszureitzen sei noch gesagt, dass man aus einer Hummel keinen Starfighter machen kann und eine doofe Idee bleibt am Ende manchmal doof. Und wer über Fehlschläge spricht, wird oft destruktiv oder gar schadenfroh angesehen, was dazu führt das man lieber schweigt. Dabei geht es auch darum aus Fehlern zu lernen.
Beispiele haben immer eines gemein: Es sind und bleiben Beispiele und keine vollständige Liste der erfolgreichsten, innovativsten oder erfolglosesten FinTechs der Geschichte. Und diesen Beispielen kann man folgen, oder eben nicht. Deshalb: Schreibt in die Kommentare Eure eigenen Beispiele.
Innovationen im FinTech
Innovation. Ein Begriff der so inflationär benutzt wird, das echte Innovationen in der Masse der angeblichen Innovationen untergehen. Betrachtet man Innovation als einen Vorgang, welcher durch z.B. Einführung neuer Technologien und/oder der Etablierung erfolgreicher Ideen einen Bereich, ein Produkt oder eine Dienstleistung vollumfänglich erneuert wird, sieht die Welt schon anders aus.
Innovationen gibt es überall und vor allem in Branchen in denen ein gewisser Stillstand herrscht. Die Finanzbranche ist, wenngleich sich in den letzten Jahren viel zum Guten gewendet hat, noch immer eine Branche mit einem gewissen Trägheitsfaktor. Innovationen in der Finanzbranche kommen oft, aber nicht immer, von FinTechs. Manche Idee ist dann manchmal so trivial, da hätte jeder darauf kommen können. Kam er aber nicht.
Die Liste der folgenden Beispiele sind nicht vollständig und angreifbar, weil der Begriff Innovation natürlich auch Interpretationsspielräume zulässt. Deshalb noch einmal der Hinweis: Kommentiert dazu was das Zeug hält.
Gini
Das im Jahr 2011 gegründete bayrische FinTech Gini (FinTech aus dem Main Incubator der Commerzbank) bietet im Kern eine semantische Datenextraktion für z.B. Banken. Mit Hilfe der Gini-API können fotografierte Überweisungsträger, Rechnungen oder Dokumente in ein einheitliches, strukturiertes Textformat gebracht werden. Aus den so aufbereiteten Dokumenten werden von Gini mittels semantischer Regeln und Machine-Learning-Modellen die relevanten Informationen extrahiert und anschließend an die Bank zur Weiterverarbeitung übermittelt. Praktisch jede große deutsche Bank nutz Gini zum automatisierten erstellen von Überweisungen und Gini ist Bestandteil vieler Banking-Apps. Auch der Kreditvergleich Smava nutzt Gini inzwischen um die für Kredite notwendigen Unterlagen aufzubereiten.
N26
Man kann ja halten von N26 was man will und nicht alles was seit Gründung von N26 (damals Number26) passierte sollte man kritiklos hinnehmen. Man denke nur an die damals beim CCC aufgedeckte Sicherheitslücke oder den Umgang mit inaktiven Kunden. Aber trotzdem muss man annerkennen, dass sie eine halbe Millionen Kunden haben. Mit einem einfachen Online-Banking-Produkt. Viele der etablierten Banken haben sich über diese Einfachheit immer ein wenig belustigt, schließlich könne man das selbst auch machen, ein “einfaches Online-Banking”. Das stimmt, aber man hat es nicht gemacht und vielleicht ist es diese Einfachheit, die N26 so erfolgreich gemacht hat. Oder das Ökosystem das N26 versucht zu bieten, oder eben beides. So oder so: N26 hat einiges richtig gemacht und ist beim Online-Banking neue Wege gegangen, was bei den Nutzern offensichtlich gut ankommt. Echtzeit-Push, der Verzicht auf TAN oder ein Instant-Kredit – so etwas bieten bei weitem nicht viele Banken.
Curve
Bei Tolkiens “Herr der Ringe” ist es dieser eine Ring, ein Ring “sie alle zu binden”. Die Lösung von Curve will auch alle binden. Kreditkarten nämlich. Die von Curve in Europa herausgegebene Kreditkarte ist eine Proxy-Karte, d.h. über die Curve App können beliebig viele Karten mit der Curve-Karte verknüpft werden. Mit dem Ergebnis das der Nutzer nur noch eine einzige Karte braucht. In der App kann dann vor jedem Einsatz die jeweils mit Curve verknüpfte Kreiditkarte aktiviert werden. Und wie Tolkien auch, kommt das FinTech Curve aus England. Zugegeben Curve und Tolkien in einem Atemzug zu nennen ist mehr als verwegen, aber das Wortspiel passt.
Scalable Capital
Der digitale Vermögensverwalter Scalable Capital legt das Geld seiner Kunden automatisiert mit Hilfe eines Roboadviser an. Dadurch können Kunden mit wenig Finanzwissen und Zeit ihr Geld z.B. in Aktien investieren. Inzwischen zählt Scalable Capital zu den wertvollsten FinTechs in Deutschland. Seit der Gründung hat Scalable mehr als 15.000 Kunden für seinen Dienst begeistern können und verwaltet über 500 Millionen Euro.
George
Die Österreicher, sie zeigen uns wie Banking funktionieren kann. Die Gründer von N26 – zwei Österreicher. Die Macher von George, auch Österreicher. Nämlich die österreichische Erste Bank (Sparkasse), bzw. deren 100% Tochter BeeOne. Ursprünglich war George als Alternative zum Netbanking der Erste Bank gedacht und hatte das Ziel eine jüngere Zielgruppe zu gewinnen. Um das zu erreichen hat die Erste Bank eine Tochtergesellschaft gegründet, die vor allem aus branchenfremden Mitarbeitern besteht. Als George live ging war schnell klar, das es keine Alternative zum bestehenden Netbanking der Erste Bank war, sondern ein kompletter Ersatz der von allen Altersgruppen genutzt wird. Dadurch, das sich George mit Add-Ons sehr stark individualisieren lässt, bietet es für jeden Nutzer das optimale Setup.
Digit / Qapital
Die Idee von Qapital und Digit ist simple. Anstatt einen festen Betrag jeden Monat zu sparen, wird bei den beiden FinTechs aus den USA automatisch ein kleiner Betrag gespart, ein Betrag von dem Digit oder Qapital weiß, dass er dem Nutzer nicht weh tun wird. Z.B. in dem man bei jeder Buchung einfach aufrundet und die Differenz des aufgerundeten Betrag sofort zur Seite legt. Seit dem Start von Qapital wurde im Jahr 2015 im Qapital-Netzwerk über 500 Milionen USD gespart. Bei 420.000 Nutzern im Netzwerk sind das im Durchschnitt 1.200 USD pro Nutzer. Da wundert es nicht, das Qapital im April noch einmal 30 Millionen USD Kapital einsammeln konnte.
Die traurigen Fehlschläge im FinTech
Die Definition von Fehlschlägen ist leichter: Unternehmen ist insolvent und die Lösung bzw. das Kernprodukt gibt es nicht mehr. Eine Insolvenz alleine bedeutet nicht zwangsläufig, das ein Thema, Produkt oder Lösung schlecht war, sondern allen voran, dass das Geld alle ist. Nicht selten geht es nach einer Insolvenz auch weiter, weil sich ein Käufer findet.
Cashboard
Einst Hoffnungsträger der FinTech-Branche, bot der Robo-Advisor Cashboard über eine Tochter der comdirect Bank seinen Kunden Tages- und Festgeld aber auch ETFs und Crowdfunding an. Durch eine automatisierte Vermögensverwaltung durch Algorithmen wollte man für die Nutzer eine optimale Form der Geldanlage bieten. Dieser Mix aus unterschiedlichen Anlageformen machte Cashboard unabhängiger von einer reinen Vermögensverwaltung durch Algorithmen. Wagniskapitalgeber wie 500 Startups und Earlybird investierten und die Kunden waren zufrieden. Geld schien auch vorhanden, denn Cashboard gewann nicht nur im Jahr 2014 insgesamt 4 Millionen EUR Preisgeld der Noah Conference in London, sondern schien auch sonst gut durchfinanziert zu sein. Schien, denn am Ende ging das Geld aus. Erlöse waren in einem Markt wo Margen knapp bemessen sind, eher gering gewesen sein. Zudem Cashboard den Markt nicht alleine bearbeitete. Im Mai 2017 kam dann überraschend die Insolvenz. Überraschend deshalb, weil Cashboard Ende 2016 noch eine Finanzspritze im Volumen von drei Millionen Euro verkündete. Am Ende hat es nicht gereicht, am Markt hat es aber nicht gelegen. Der ist da, wie man z.B. an Scalable.Capital sieht.
Die Epic Fails im FinTech
Clinkle (USA)
Der 22-jährigen Lucas Duplan bekam 2013 mit seinem Start-Up “Clinkle” mit 25 Millionen US-Dollar, die bis dato höchste Seed-Finanzierung im Silicon Valley. Auf Basis einer Powerpoint-Datei. Clinkle sollte eine Wunder-App werden, welche das gesamte Bezahlwesen revolutionieren sollte. Wie man das genau schaffen wollte wurde nie ganz klar. Klar war nur, dass sich Nutzer mit Clinkle untereinander Geld senden und empfangen und damit im Retail und im E-Commerce zahlen können sollten. Obwohl man bei Clinkle alles andere als Bescheiden war, was z.B. die Auswahl seines Büros betraf oder die Anzahl der Mitarbeiter die man einstellte (vom Start an mehr als 50) ein Produkt lieferte man nie. Was man lieferte waren z.B. Bilder des Gründers Lucas Duplan wie er mit Geld um sich warf oder Geschichten von Mitarbeitern die es nicht einmal 24 Stunden aushielten. Clinkle’s VP of engineering Chi-Chao Chang, der vorher bei Yahoo arbeitete ging nach nicht einmal 24 Stunden. Nach dem sich Chang das Produkt angesehen hatte, sei er sprachlos gewesen – und kündigte. Seit 2016 gibt es Clinkle nicht mehr. Lucas Duplan hat bisher kein neues Projekt.
Yapital
Yapital war wohl eines der ambitioniertesten Projekte und Ausgründungen der deutschen Otto Gruppe und auch eine der größten Geldverbrennungsmaschinen. Auch Yapital wollte nichts anderes als das Bezahlwesen revolutionieren mit einem QR-Code. Nach Wunschdenken von Yapital sollte der QR-Code die führende Technologie beim Mobile Payment sein. Außer vielen Ankündigungen passierte bei Yapital am Ende zu wenig als das es für eine Revolution reichte. Vor allem krankte Yapital an der Umsetzung. Ob nun der QR-Code als technologische Grundlage der Weißheit letzter Schluss war, dazu kann man geteilter Meinung sein. Fest steht aber auch, das heute erfolgreiche Systeme wie Alipay und Co. Yapital technisch nicht unähnlich sind, mit dem Unterschied das bei Alipay ein ganzen Ökosystem im Vordergrund steht und nicht ein Feature “Mobile Payment”. Yapital ist seit 2016 Geschichte.
ClickandBuy
Die von der Telekom im Jahr 1999 gegründete Tochtergesellschaft ClickandBuy hatte zum Ziel, ähnlich wie Paydirekt heute, sich als E-Geld-Anbieter und Alternative zu PayPal zu etablieren. Clickandbuy wurde vor allem als Alternative zur Kreditkarte im Apple iTunes Store benutzt, was aber am Ende trotzdem nicht ausreichte sich im Markt zu etablieren. Anfang 2016 war dann Schluß mit Clickandbuy. Ein Grund für die Geschäftsaufgabe wurde nicht genannt, aber der Wirtschaftswoche gegenüber bezeichnete der damalige Chef und heute Vorstandsvorsitzender der Telekom Timotheus Höttges, Clickanbuy als Fehler. Wörtlich sagte er: „Aus heutiger Sicht mag man es als Fehler betrachten. Clickandbuy ist eine ganz eigenständige Lösung, die wir nicht standardisieren konnten.“ Damit ist dann auch eigentlich alles gesagt.
Geldkarte / GiroGo
Seit 2012 gibt es die Geldkarte bzw. Girogo. 2016 wurden über die Girocard ca. 29,1 Mio. Transaktionen mit einem durchschnittlichen Bezahlbetrag von 3,32 Euro durchgeführt. Das ist verglichen mit 3 Milliarden Kartenzahlungen in Deutschland (Stand 2016) nicht so viel. Ziemlich genau 1 Prozent. Ein Großteil dieser Transaktionen dürfte bei Zigarettenautomaten stattgefunden haben, denn mit der Einführung der verpflichtenden Alterskontrolle an Zigarettenautomaten im Jahr 2007 bekam die Geldkarte einen kräftigen Schub, da sich die Altersverifikation mit der Geldkarte durchführen lässt. 117 Mio. Euro Umsatzbetrug 2016 der Umsatz mit der Geldkarte. Im gleichen Zeitraum wurden 25,9 Milliarden EUR Umsatzmit Zigaretten, 10 Prozent– also 2,5 Milliarden – an Zigarettenautomaten gemacht. Selbst wenn jede Transaktion der Geldkarte beim Zigarettenautomaten durchgeführt worden wäre, entspräche das auch gerade mal etwas über einem Prozent. Egal wie man es drehen möchte, die Geldkarte scheint laut den Zahlen kein Erfolgsmodell zu sein.
Fazit
Warum sollte es bei FinTechs anders laufen als bei anderen Startups und auch in unserer Branche kommen und gehen Unternehmen. Das ist der völlig normale Lauf der Dinge. Die Beispiele die, noch mal der Hinweis, beliebig sind, haben eines gemein: Die oft einfachen Ideen sind die Erfolgreichen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Umsetzungskompetenz. Eine OCR-Erkennung von z.B. Überweisungsträgern gab es vor Gini schon. Eine, die aber auch normale Rechnungen erfasst und gut und ohne große Korrekturen der Nutzer funktioniert, eben nicht. Auch N26 startetet mit einem simplen Girokonto, das aber sehr nutzerfreundlich konzipiert ist. Der Erfolg einer Lösung hängt auch nicht von der Unternehmensgröße ab. Eine Bank kann, wie man an der Erste Bank sieht, auch innovative Lösungen schaffen. Es kommt auf die Umsetzung und den eigenen Anspruch an die Lösung an.
Maik Klotz ist Berater, Sprecher und Autor zu den Themen Banking, Payment, Digital Identity, E-Commerce und Retail mit starkem Fokus auf „mobile“. Seit vielen Jahren berät Maik Unternehmen zu kundenzentrierten Innovationsmethoden und der Fokussierung auf den Nutzer. Er wurde von der Süddeutschen Zeitung in der Serie „Impulsgeber“ der Branche portraitiert und moderiert und spricht auf vielen Branchen-Events. Maik ist Imker.Maik ist Co-Founder von Payment & Banking und ist im Team mitverantwortlich für Marketing, Strategie und Events, insbesondere der Transactions.io [mehr]