instant messages #14 by Marcus W. Mosen
Marcus W. Mosen kommentiert Payment- oder Bankingthemen auf unterschiedlichen Portalen und erfreut seine Follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Monatlich finden Sie bei uns seine Gastkolumne „instant messages by…“ zum aktuellen Geschehen im Payment, Banking & Co.
Corona – seit über einem Jahr dreht sich die ganze Welt (fast) nur noch um dieses Thema. Und jetzt das zweite Ostern im Beinahe-Stillstand! War das erste Osterfest wegen des Novums „Lockdown“ in vielen Dingen noch „unorganisiert“ (Wie bringt der Osterhase unter Einhaltung der Kontaktbeschränkungen wem welche Geschenke?), ging man dieses Jahr schon deutlich routinierter damit um und auch der Osterhase hatte via Amazon und Co. die Situation souverän im Griff… So „wächst“ auch der Osterhase mit der Pandemie.
Aber trotz österlicher Ruhe blieb vieles in Unruhe: die zahllosen Auseinandersetzungen über die Frage der besten Impf- und Lockdown-Strategie ist permanenter Dauerbrenner auf allen (sozialen) Medienkanälen. Jedes Haar wird in der Suppe des anderen gefunden, wenn es darum geht, den Fehler oder die mutmaßlichen Fehlentscheidungen zu belegen. Und während sich tagtäglich viele Diskutanten z.B. darüber auslassen, warum wir nicht im oberen, sondern vielleicht nur im unteren Drittel der Impfweltrangliste stehen, dreht sich auch in einem anderen Bereichen unseres beruflichen Ecosystems – den Fintechs – die Spirale der Auseinandersetzung weiter.
Statt sich z.B. dem familiären „Eiertitschen“ zu widmen, meinte z.B. Deutschbanker Stefan Hoops, Aufklärungsarbeit zur Adoleszenz von Fintechs leisten zu müssen. Bedauernswerter Weise zeigt sein selbstgerecht formulierter „offener Brief“ auf Linkedin nur die offenen Flanken und die Nervösität der etablierten Banken. Viele Institute laufen sich einen Wolf beim Versuch eines Umbaus ihres Geschäftsmodells, das dann doch immer noch nach einem billigen copy & paste von erfolgreichen Fintechs aussieht. Skalierbarkeit und die absolute Fokussierung auf das Mobiltelefon – ein zentraler USP etablierter Fintechs (wie bei Klarna, N26, Revolut etc.) – bedeuten nach Meinung aller Experten über kurz oder lang den Tod der Filialstrukturen und des Desktop-Bankings. Und dort, wo Zahlungsverkehr über Jahrzehnte das transaktionsorientierte Brot & Butter-Banking ausmachte, tummeln sich jetzt andere Fintechs (allen voran Adyen, Stripe, Checkout), die sich mit ihren cloud-basierten API-Lösungen einfach integrieren und noch schneller skalieren und internationalisieren lassen. Und Kryptowährungen, wie Bitcoin und Ethereum, oder Krypto-Wallet Services (z.B. eToro, Bitpanda, Bitwala) sind nicht nur Spekulationsobjekte, sondern verfolgen letztendlich ebenfalls das Ziel, traditionelle Zahlungsverfahren und Kontomodelle zu ersetzen.
Eine Erkenntnis des Erwachsenwerdens ist, dass die eigene (Lebens-)Zeit endlich ist. Dies gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Unternehmen. Und die rasanten Entwicklungen der letzten 12 Monate haben der „erwachsenen“ Bankbranche gezeigt, dass sie im Vergleich zu manchem Fintech einfach nur noch „alt“ aussehen.
Fintechs sind schon lange kein Mythos mehr, sondern fester Bestandteil des Finanzökosystems und damit das New Normal im Payment & Banking. Das lässt vielen im Establishment keine Ruhe mehr. Denn im Vergleich zu früher geht es nicht mehr um die Frage, wer der Erste oder der Beste ist, sondern wer den Kunden heute und morgen bedient und wer ggf. nicht mehr. Und damit ist auch sehr eng die Bereitschaft der Investoren verknüpft, erhebliche Summen in die großen Fintechs zu investieren, denen man offensichtlich die passende Antwort darauf zutraut. Von außen betrachtet könnte man sicherlich die ketzerische Frage stellen, ob in den Fintechs noch gearbeitet oder nur noch gefundet wird. Denn ein Funding- und Bewertungsrekord jagt den anderen und erreicht schwindelerregende Höhen: Klarna.com 650 Mio. $ (Bewertung $ 10,65 Mrd.), Stripe.com 600 Mio. $ (Bewertung 95 Milliarden $), Bitpanda $ 170 Mio. (Bewertung $ 1,2 Mrd.), Plaid.com, ca. $ 600 Mio. $, (Bewertung ca. $ 13 Mrd.), u.s.w. Und ein Ende dieser Dynamik ist aktuell nicht zu erkennen…
Alle diese Fintech-Unternehmen sind in den Jahren ihres Aufbaus und Wachstums mit Venture Capital „gebackt“ worden. Ob die hohe Bereitschaft der Investoren nur an mangelnden alternativen Investitionsmöglichkeiten oder am Niedrigzins liegt – wie es so oft in Finanzkreisen heißt – darf getrost bezweifelt werden. Denn zum einen sitzen bei den VC-Firmen i.d.R. keine Naivlinge, die einfach nur Geld verteilen, sondern viel mehr clevere Strategen, die sich mit den sich permanent verändernden Marktbedürfnissen beschäftigen, die mit neuer Technologie einfacher und besser bedient werden können.
VC-Investoren machen daher den lieben langen Tag (und oft auch die Nacht) wenig anderes, als neue Geschäftsmodelle zu analysieren. Die Chance für ein Fintech, Geld von VC- Investoren zu erhalten, steht und fällt mit den Analyseergebnissen. Ergo steht die Höhe der Finanzierungsrunde bei Wagnisfinanzierungen in einem direkten Zusammenhang mit Wachstumsperspektive und Disruptionspotential des jeweiligen Geschäftsmodells sowie der Execution-Fähigkeit der Gründerteams. Dass es dabei auch bei großen Fintech-Unternehmen Schwankungen in Wachstum und Entwicklung gibt, ist ebenso evident wie der Ongoing-Lockdown seinen operativen Tribut auch bei Fintechs fordert .
Bei dem ein oder anderen Bewertungsrekord darf jedoch zusätzlich vermutet werden, dass VC‘s bei ihren Investmententscheidungen erkannt haben, dass Mutationen nicht nur bei Viren vorkommen, sondern auch in der Digitalisierung, die die Veränderungen im Markt „dank“ Pandemie nochmals beschleunigt haben. Und wer sich in dieser Pandemie am meisten mutiert hat, ist der/die Kunde*in selbst. Denn er/sie/es interagiert mit den Fintech-Apps nun noch öfter und generiert damit nicht nur Umsätze, sondern auch Informationen und Daten. Und je mehr das Fintech über seine Kunden weiß, umso größer ist das Potential für Innovation und Mehrwert.
Konsumenten und Unternehmen haben in der Pandemie erleben müssen, dass zahlreiche Finanzdienstleistungen ihrer Altbanken nicht ausreichend digital bereitgestellt oder wirklich preiswert angeboten werden. Dies weckt mehr und mehr die Neugier an Fintech-Apps – nicht mehr nur bei Millennials. Dass dies jetzt bei vielen Altbankern Nervosität auslöst, überrascht nicht. Diese sollte aber nicht zu einer Verzerrung der Bilder führen.
Startups sind nicht „zunächst BMX-Räder“, mit denen man Wheelies aber nicht unbedingt großes Tempo machen kann. Stattdessen haben viele davon bereits ein operatives Setup, dass es mit der Beschleunigung eines Tesla aufnehmen kann, während in den Maschinenräumen der Altbanken die Mainframes gefühlt mit Dieselmotoren betrieben werden. So wie Tesla nicht einfach nur Elektroautos baut, sind Fintechs nicht einfach nur Banking oder Payment in eine App gepackt. Sie bringen vielmehr Software und Technologie in den Mittelpunkt ihrer Geschäftsmodelle und haben damit die beste Voraussetzung, die Kundeninteraktion exponentiell auszubauen.
Und wenn Jamie Dimon, Chef der US Bank JP Morgan in einem Brief an seine Aktionäre über die Gefahr des „Vordringen der Fintechs“ in den „heiligen Gral der traditionellen Finanzwelt“ schreibt und die Lösung für sein Haus darin sieht, sich einfach ein paar Fintechs einzuverleiben, dann wird dies womöglich eine weitere Bewertungsmutation auslösen. Der „Clinch“ Altbanken gegen Fintechs ginge damit in die nächste Runde.
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