Siegerts sündige Sonderserie der Erfahrungen aus der digitalen Welt

Der digitale Wandel ist allumfassend und allgegenwärtig und manchmal so rasant schnell, dass scheinbar der ein oder andere noch garnicht mitbekommen hat, was da draußen eigentlich passiert und wenn es denn ankommt und verstandenen gar umgesetzt wird, steht schon die nächste neue Innovation in den Startlöchern.  Digitalisierung- gleichsam Segen und Fluch für manche Unternehmen, da sie scheinbar zur Bedrohung für traditionelle Geschäftsmodelle werden könnte und bevor sie das wird, will man zumindest Herr über seinen eigenen digitalen Fortschritt sein und den bitte auch selbst und vor Ort gestalten. Doch was, wenn gerade das die Mühlen des digitalen Zeitzahns am langsamsten dreht und daran nagt? Jochen Siegert rät, manche Dinge doch lieber mal aus der Hand zu geben und von richtigen Experten außerhalb gestalten zu lassen…
Die 7 Todsünden der Digitalisierung (7/7)
Photo credit: Leo Reynolds via Visual hunt
Siebte Todsünde: Wir können das doch auch In-house machen! Digitalisierung lässt sich nicht wie ein x-beliebiges Bank-IT-Projekt planen und einführen. Am besten noch von den Menschen, die das schon immer verantworteten, mit Unterstützung der seit Jahren bewährten Berater, die schon so oft und so gut halfen. Aus diesem Grund wird Innovation viel zu sehr Inside-Out aus der Bank heraus und deren Assets und Prozesse, statt Outside-In vom reinen Kundenbedürfnis geplant. So passiert es immer wieder, dass vermeintlich innovative Produkte In-house gebaut werden, die dann beim Marktstart oft schon wieder komplett veraltet sind, oder im politischen Kompromissprozess längst nicht mehr den eigentlichen Kunden- und Marktanforderungen entsprechen. Wenn bei einer der größten deutschen Banken die internen Bank-Styleguide-Anforderungen wichtiger sind als die Conversion des Kundenabschlusses, kann das mit der Innovation nichts werden. Leider habe ich genau diese Begründung gehört, als ich mich erkundigte warum das schöne Bild der Skyline im Frontend so groß dargestellt ist und der Nutzer deswegen zu wichtigen Formularfeldern erst umständlich per Maus scrollen muss.
Die 7 Todsünden der Digitalisierung (7/7)
Photo credit: jilliancyork via VisualHunt.com
Ja, liebe Produktmanager in den Banken. Ihr könnt vieles bauen! Aber habt Ihr wirklich die Fähigkeiten im Haus wie z.B. kreative, innovative und motivierte Entwickler, aktuelles Online-/Mobile- und UX-Wissen? Bringt Ihr Eure Produkte tatsächlich rechtzeitig und marktkonform zum Kunden, statt sie in den Budget- und Gremienprozessen durch Kompromissfindung mit Bedenkenträgern zahnlos gemacht zu bekommen? Es reicht für die Herausforderungen der Digitalisierung nicht mehr, dass längst Etabliertes viel zu spät und auch noch mittelmäßig kopiert wird. Vielmehr müssen die Kundenanforderungen zukunftsgerichtet umgesetzt, immer wieder getestet und weiter optimiert werden. Sonst kommt man als Bank in drei Jahren mit einem Produkt an den Markt, welches dem Kundenbedürfnis von vor etlichen Jahren entspricht. Dass diese Aussage nicht übertrieben ist, sieht man am Beispiel PayPal vs. Paydirekt. Paypal mit seinen 17.000 Mitarbeitern, viele davon mitten im Innovations-Herz des Silicon Valley, verfügt täglich über wertvolle Daten aus den Kaufprozessen von hunderten Millionen aktiven Kunden. Das Zahlverfahren kann zukünftige Trends dadurch viel schneller erkennen und umsetzen. Im starken Kontrast dazu kämpft Paydirekt, zwei Jahre nach der ersten Pilottransaktion, immer noch mit den absoluten Grundlagen um PayPal in Deutschland bei Onboarding, User Experience, Conversion, Featurevielfalt und vielem mehr das überhaupt Wasser reichen zu können.
Die 7 Todsünden der Digitalisierung (7/7)
Photo credit: Tanja FÖHR via Visual hunt
Daher bei einer “make or buy/partner”-Entscheidung sollte man die Geschwindigkeit einer Kooperation vorziehen, statt wertvolle Zeit, Budget und vor allem Kunden an den Wettbewerb zu verlieren. Es gibt doch genügend FinTechs, die Schlange stehen und Banken helfen wollen. Der Kunde und der Markt interessiert sich nicht für die vielen vielen guten internen Gründe, dass am Ende des Tages ein mittelmäßig umgesetztes Bank-Digitalprodukt gelauncht wurde!

Bisher veröffentlichter Sündenkatalog:

4 Kommentare

Guten Morgen!
Voll ins Schwarze, aber leider lesen Führungskräfte nichts Bildendes. Bei den Banken rennen (oder besser jammern) sie hinter der Regulierung her, bei Digitalisierung herrscht eher Verwirrung als Plan. Und wenn jemand eine gute Idee für die Kunden hat, wird sie evtl. durch den CEO persönlich geblockt (keine Fiktion!).

Empathie für Kunden ist bei den deutschen Banken eher unterentwickelt. Tatsächlich haben die Techniker mehr Gespür für „UX“ entwickelt…

Habe zuletzt mal auf Onlinevermögensverwaltungen geschaut: Technisch praktisch immer gut, inhaltlicher Aufbau teilweise eine absolute Frechheit, ganz besonders bei großen Finanzgruppen. Kleine Anbieter/Startups leisten sich so was nicht.

Danke für den kernigen Beitrag und einen schönen Tag!

8. August 2017

Kann dem ganzen hier nur zustimmen, sehr guter Artikel!

22. September 2017
Thomas Schnur

Guten Abend,

klasse, wie wahr.

Bei einer grossen Landesbank heisst das Team dafür „Digitalisierungsbüro“ (wirklich!) und hängt mitten in der Organisation… und die Projekte hängen grossteilig bei der klassischen IT, die alle ihren Job brauchen einschliesslich Vorstand

27. November 2017
Tobias

Kann ich nur bestätigen. Arbeite bei einem Autohersteller. Das Themenfeld, welches bei der Digitalisierung am schnellsten abgearbeitet wurde, war das Thema ERP/Personalanwendungen. Da wurde recht zügig Selfservice und App eingeführt, wahrscheinlich, weil man es fertig bei SAP einkaufen konnte. Unser Logo drauf, Farben anpassen, fertig.

Spannend dagegen, dass zum Beispiel Tesla das alles trotzdem selbst programmiert. So ganz verstehe ich es zwar nicht, ich denke, die haben einfach Spaß an Software. Die deutschen Unternehmen haben scheinbar eher Angst davor.

25. Januar 2020
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