6 Key Learnings von Dotcom Unternehmen im Umgang mit digitalen Veränderungen (4/6)

6 Key Learnings von Dotcom Unternehmen im Umgang mit digitalen Veränderungen (4/6)

Einführung

Stichwort Digitalisierung. Eine schier nicht enden wollende Herausforderung. Ein komplexes Thema, gerade für Unternehmen die ihre Geschäfte hauptsächlich in und ums Internet abwickeln. Wenn diese dann noch Dienstleistungen anbieten wird es besonders kompliziert. Zu Beginn des Jahrtausends herrschte in der Technologiebranche eine regelrechte Goldgräberstimmung. Jeder ahnte, dass die Etablierung des Internets und digitaler Technologien die Wirtschaft zukünftig maßgeblich bestimmen und verändern würde. Entsprechend groß war das Interesse der Anleger. Unternehmen mussten sich nur irgendetwas mit „Internet“ und „Technologie“ auf die Fahnen schreiben, um eine hohe Bewertung zu erzielen.

Digitalisierung ist nicht mehr, wie vor 18 Jahren, ein Zukunftsthema, sondern Teil unseres Alltags, anfassbar, begreifbar. Hatten die Techunternehmen damals oft nicht mehr vorzuweisen als ein „.com“ oder „.de“ im Namen, steckt hinter den Bewertungen der Technologiefirmen heute echter Wert. Dieser Wert bemisst sich an Kunden, an realen Umsätzen und vor allem an Daten, Daten und noch mehr Daten. Und gerade dieses Wissen um den Kunden, gepaart mit der Innovationsfähigkeit der Techkonzerne und dem Willen, sich stetig weiterzuentwickeln und zu wachsen, sind die Grundlage für die exponentiell steigenden Börsenbewertungen

Mit ihrem Einfluss, der ist mittlerweile soweit fortgeschritten, leben die GAFA die digitale Transformation per excellence. Ließ vor 18 Jahren das „.de“ oder „.com“ im Namen den Kurs steigen, ist es heute irgendetwas mit Coin, Krypto oder Blockchain, das die Anleger in Begeisterung versetzt. Was aus all dem deutlich wird, wir befinden uns in einem der größten digitalem Wandel und einem derart rasanten Umbruch, das manche Unternehmen nicht mehr in ihrer digitalen Transformation hinterherkommen.

Jochen Siegert erzählt von seinen Erfahrungen aus unzähligen Silicon Valley-Aufenthalten und möchte in seiner Nachfolgereihe der 7 Todsünden, die 6 Key Learnings von DotCom Unternehmen und deren Umgang mit diesem Wandel erklären. Er zeigt auf was wir uns heute bei dem Umgang mit der Digitalisierung abschauen können.

Was waren die Strategien der großen Technologiekonzerne? In den kommenden Wochen wird er solche Rezepte, mit großer Empfehlung zum Nachmachen, hier im Blog genauer beschreiben und vorstellen.

6 Key Learnings von Dotcom Unternehmen im Umgang mit digitalen Veränderungen (4/6)

Teil 4: Auch in Rückschlägen steckt eine Chance

Aufgrund der Erfahrung, dass Technologiekonzerne so viele Industrien umgekrempelt haben, traut man den GAFAs zu, dass diesen alles gelingt. Nein, sie haben nicht das “goldene Management-Händchen” und es gelingt ihnen natürlich nicht alles. Die Liste der gescheiterten Projekte und Produkte bei den großen Tech-Companies ist sehr lang. Natürlich reden die Unternehmen darüber weniger gerne und versuchen den Blick auf ihre jeweiligen Erfolge zu lenken. So gesehen unterscheidet sich die PR-Strategie der großen Technologiekonzerne nicht wesentlich von dem PR-Vorgehen der hiesigen Banken & Sparkassen. Über gescheiterte Produkte redet hier auch niemand gerne. Es gibt aber einen dramatischen Unterschied wie die DotCom-Unternehmen mit Rückschlägen umgehen!

Über gescheiterte Produkte redet hier auch niemand gerne. Es gibt aber einen dramatischen Unterschied wie die DotCom-Unternehmen mit Rückschlägen umgehen!

Erinnert sich noch jemand an das Amazon Fire-Phone? Das Smartphone sollte den vielen Android-Geräten und dem Apple iPhone Konkurrenz machen. Amazon war bei der Entwicklung klar, dass man mit einem viel zu spät gestarteten Me-Too-Produkt sich irgendwie nachhaltig differenzieren muß. So trivial diese Erkenntnis ist, darf man leider nicht davon ausgehen, dass dies auch wirklich jeder verstanden hat. Das erkennt man beispielsweise an den gescheiterten oder nie abgehobenen me-too FinTech-Kopien hiesiger Banken und Sparkassen, die ich in der ersten Folge dieser Artikelreihe aufgezählt habe. Diesen Ansätzen fehlt(e) genau jene Produktdifferenzierung. Aber zurück zu Amazon, die wenigstens verstanden haben, dass mit einem reinen me-too Smartphone auch unter der Amazon-Marke, kein Blumentopf zu gewinnen ist:

Amazon, als weltweit größter digitaler Medienvermarkter nutze die eigene Medienkompetenz bei der Entwicklung des Firephones. Das Gerät bot gute Sprachsteuerung und eine atemberaubende Medienintegration inkl. Erkennung von Filmen und Serien auf Basis kurzer per Smartphone aufgezeichneter Tonmitschnitte. Trotz dieses starken Fokus auf Medienkonsum und tiefe Integration ins starke Amazon/Prime-Ökosystem mit hunderten Millionen aktiven Kunden, war das Firephone ein sehr teurer Flop mit hunderten Millionen Dollar Investitionskosten ohne jeglichen Return. Wie ist Amazon damit umgegangen? Statt es abzuhaken hat Amazon aus dem gescheiterten Firephone als “Abfallprodukt” das Echo Smartspeakersystem inkl. der Alexa Sprachassistentin herausgebracht, dessen Hauptnutzung bislang im Audio/Mediakonsum liegt. Die Performance von Echo als neue Gerätekategorie, die schnell von Google und Apple kopiert wurde, ist beeindruckend. Voicegeräte, mit Amazon-Echo als Marktführer, skalieren in der Adoptionsrate noch schneller als die Gerätekategorie Smartphones.

6 Key Learnings von Dotcom Unternehmen im Umgang mit digitalen Veränderungen (4/6)

Im vergangenen Weihnachtsgeschäft waren die Echo-Geräte über Wochen ausverkauft. Auch die Nutzungszahlen haben es in sich: So haben 57% der US-Nutzer schon Käufe über ihr Voicegerät getätigt inkl. Zahlung und laut Bitkom wollten schon im Sommer diesen Jahres 35% der Deutschen ihr Banking über Voice-Gerät abwickeln. Angesichts dieser Umfragen ist nicht überraschend, dass die deutschen Banken diese Geräte längst als Kanal entdeckt haben wie z.B. die Comdirect (Börsenkurse) und selbst die VR Banken und Sparkassen lassen ihre Konten über Sprachassistenten steuern.

Kommen wir zu Google: Die Liste der gescheiterten namhaften Google-Produkte ist ebenfalls sehr lang. Erst kürzlich wurde nach einem Datenhack der “Facbook-Killer” Google Plus eingestellt. Schauen wir ein wenig länger in die Historie, läßt sich auch bei Google feststellen, dass dort Fehlschläge nicht einfach abgeschrieben werden, sondern sie daraus lernen und sich weiter entwickeln. Aus dem gescheiterten, aber hochinnovativen Google Wave wurde die Grundlage für den nachhaltigen Erfolg von GMail geschaffen. Die verschiedenen Versuche im Mobile Payment wurden immer weiter entwickelt, vom ursprünglichen Google Wallet über Anroid Pay zum aktuellen Google Pay. Die ersten KPIs des Erfolgs von Google Pay sieht man im Interview des Comdirect Vorstands. Mehr als die Hälfte der Google Pay-Nutzer verarbeiten mehr als 5 Transaktionen pro Monat. Im Vergleich dazu liegt die monatliche Nutzung des am stärksten genutzten Kartenproduktes in Deutschland, der Girocard, nur bei 2 Transaktionen im Durchschnitt.

Auch wenn Apple oft vermeintliche “Flops” angedichtet wurde, wie z.B. bei der AppleWatch, ist die Uhr heute, weltweit die am meisten verkaufte. Apple hat aber tatsächlich auch “richtige” Flops hingelegt. Ping zum Beispiel, sollte ein soziales Netzwerk für Musik sein, welches nie abhob. Teile von Ping wurden von Apple rund um den weitaus erfolgreicheren Streaming-Dienst Apple Music weiterverwendet.

Es ist in der DNA der Tech-Konzerne, daß nicht jedes Produkt ein Erfolg sein muss. Vielmehr gibt es bei Fehlschlägen regelmäßig eine detaillierte post-mortem Analyse

Dabei werden die Gründe analysiert und überlegt was und wie man es weiter nutzen kann. Dies steht in einem starken Kontrast zum Vorgehen hiesiger gescheiterter Projekte. Da wird erst dickköpfig am Status festgehalten und noch mehr in Marketing investiert. Wenn das dann auch nicht klappt, wird das Produkt oft eingestellt und abgeschrieben, ohne jeglichen Follow-Up.

Key Learnings im Überblick:

Teil 1: Unternehmerisches Handeln schlägt Corporate Politics

Teil 2: Radikale Orientierung am Kundenverhalten. Eigene Defizite über M&A heilen und warum Übernahmen zu “Mondbewertungen” am Ende doch Sinn ergeben.

Teil 3: Kannibalisiere Dich selbst, bevor es andere tun – Oder warum besser deutsche Banken in N26 investieren sollten statt Tencent und Co.

Autor

  • Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken.

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