Jubel in Hamburg: „2.052 Investor*innen haben virtuelle Anteile im Wert von 3.000.000 gezeichnet. Und sind ab jetzt auf eine ganz neue Art Teil von Tomorrow. Das ganze Team freut sich wahnsinnig auf diesen nächsten Schritt! Wir danken Euch allen für den unermüdlichen Support!” twitterte das Social Media Team am gestrigen Mittwoch.

Vor einem Monat hatte die Hamburger Neo-Bank Tomorrow angekündigt, Geld über Crowd einzusammeln. Zielvolumen: zwei Millionen Euro! Daraus sind nun noch einmal eine Million Euro mehr geworden. Für die hiesige Fintech-Branche ein Signal, denn während es andernorts schon fast zur Normalität geworden ist, auch Kapital über die Kunden einzusammeln, ist dieser Schritt in Deutschland bislang einzigartig. Doch die Briten haben es vorgemacht: „Monzo“ hat gleich mehrfach Crowdfundingrunden gedreht. 2016 sammelte die britische Challenger-Bank innerhalb von 96 Sekunden eine Million Pfund ein, 2018 waren es 20 Millionen Pfund in nur zwei Tagen! Nicht schlecht!

Mit diesen Beträgen können die Hamburger zwar nicht ganz mithalten, aber die Sektkorken haben vermutlich dennoch geknallt. Da das selbst gesteckte Summe bereits nach wenigen Stunden gezeichnet war, wurde am Nachmittag sogar noch einmal um 50 Prozent aufgestockt. “Wir sind immer noch völlig überwältigt von der Beteiligung und all dem Support”, heißt es aus dem Unternehmen.

Gründer Michael Schweikart

Die nachhaltige Neo-Bank Tomorrow wurde 2018 von Jakob Berndt, Inas Nureldin und Michael Schweikart gegründet. Das Hamburger Unternehmen eigenen Angaben nach 40.000 Kunden, von den 73 Millionen Euro, die Nutzer auf der Bank gelagert haben, liegen knapp 20 Millionen Euro in grünen Fonds. Bei Tomorrow fördert das Geld der Kundinnen und Kunden ausschließlich nachhaltige Projekte, da jede einzelne Zahlung zum Klimaschutz beigeträgt.

Was sagt das Payment and Banking Team zu diesem Vorgang? Sinnvoll, nachahmenswert, Konkurrenz für Mitbewerber? Oder der verzweifelte Versuch, Geld zu bekommen?

André M. Bajorat

Tomorrow ist seit Beginn kein typisches Fintech im Sinne eines Venture Cases. Hier ging es immer um ‘mehr’ und daher passt der Weg der ‚Genossenschaft 2.0‘ zur Company und zum Team. Wenn du anders agieren willst, musst du auch andere Wege gehen. Genau das sehe ich hier. Der klassische VC Case wäre aus meiner Sicht irgendwann in einer Interessen-Sackgasse gelandet. Daher ist der Schritt, die Crowd zu Investoren zu machen, aus meiner Sicht konsequent.

Kann das ganze funktionieren? Ja. Wird Tomorrow damit ein Challenger für andere Player wie N26? Nein. Allerdings sind die Werte und Produkte, die aus dem Team kommen, sehr passend zum Zeitgeist auch außerhalb der COVID Bubble.
Ich drücke die Daumen.

Jochen Siegert

Ich verstehe den ganzen Hype nicht. Friedrich Wilhelm Raiffeisen hat das Genossenschaftsprinzip im 19. Jahrhundert salonfähig gemacht. Jede x-beliebige lokale VR-Bank gibt ähnliche (auch vergleichsweise hoch verzinste Anteile) an ihre Kunden aus, sofern diese das wollen. Gut, Tomorrow ist keine Genossenschaft, aber bedient sich dieses alten Prinzips.

black and white zebra on field during daytime

Auch ist Crowdfunding, anders als eine Genossenschaft, offen und nicht auf die Tomorrow-Kunden beschränkt. Wir dürfen aber doch davon ausgehen, dass beim Kundensegment von Tomorrow viele so stark von der Idee überzeugt sind, dass sehr sehr viele Kunden investierten. Die Risiken von Crowdfunding sind hinlänglich bekannt, ebenso wie die Adverse Selektion beim Crowdfunding. Also die Tatsache, dass das Crowdfundingmodell eher Unternehmen anzieht, die bei klassischen Kapitalgebern keine Finanzierung erhalten oder nicht zu der Bewertung. Entsprechend fallen (empirisch belegt) auch so viele Unternehmen mit Crowdfinanzierung aus.

Bei Tomorrow sehe ich dagegen die Überzeugung der Anleger als Treiber für den Weg und die damit verbundene Unabhängigkeit sich nicht VC-Wachstumszielen unterwerfen zu müssen. Michael Schweikart hat dies schön in der “Zebra statt Einhorn”-Keynote bei der BEX19 erklärt, die wir als Podcast veröffentlichten. So gesehen ist Tomorrow meines Erachtens stark auf den Spuren von Raiffeisen unterwegs. Es bleibt spannend zuzusehen wie Tomorrow sich weiter entwickelt.

Maik Klotz

Ich war anfänglich skeptisch, sehe inzwischen es jedoch völlig anders. Natürlich geht es auch darum, Geld zu bekommen. Aber vor allem darum, sich unabhängiger von Investoren zu machen. Wer das Team kennt weiß: Die haben tatsächlich eine Mission und es geht nicht um “Greenwashing“. Ob der Weg funktioniert, da kann man geteilter Meinung zu sein. Aber sie sind konsequent und mutig. Der Zeitpunkt ist gut gewählt, da in Zeiten, wo Menschen in mehrerlei Hinsicht die Hände gebunden sind, Tomorrow die Möglichkeit bietet, was ”Gutes“ zu tun. Auch ich drücke die Daumen.

Tomorrow Crowd Investment

Christina Cassala

Die Zustimmung für diesen Schritt war aus der Community sehr hoch. Warum? Wie kaum eine andere Neo-Bank stehen die Hamburger für Werte und Ziele, die Produkte sind hier Mittel zum Zweck. Wer ein Konto bei Tomorrow hat, teilt diese Ziele. Das schafft ein Gemeinschaftsgefühl und produziert Loyalität, die sich nun auch in der Summe der getätigten Investments widerspiegelt. Finde ich es gut, Kunden zu Investoren einer Bank zu machen und sie dadurch zu Inhabern einer Firma zu machen, deren Erfolg sie jedoch nicht beeinflussen können. Bei einer N26-Bank fiele meine Antwort ganz klar aus. Nein! Aber die Treue der Kunden für Tomorrow ist groß, und kleine, renditenärmere Schritte werden mitgetragen, weil der Ansatz der Hamburger von Beginn an ein anderer war und als solcher kommuniziert wurde. Viel mehr als auf das Kapital kann das Team auf ihre Nutzerbasis setzen, die als Botschafter mehr wert sind als VCs.

Nicole Nitsche

„Bad Banks gehören Bad Banker, Tomorrow gehört euch“ – ganz schön catchy diese Ansage, könnte man auch als Provokation lesen, aber in der Sache weiß ich, dass Tomorrow tatsächlich nur Gutes im Sinn hat, denn das Hamburger Fintech will Mobile Banking und nachhaltige Finanzen verbinden und genau an dieser Unternehmensphilosophie können sich nun auch Kleinstinvestoren beteiligen. Die Kampagne des Fintechs hat dessen Erwartungen übertroffen, denn binnen 5 Stunden hatte das Tomorrow-Team 3 Millionen eingesammelt und die Crowdinvesting-Plattform an ihre Grenzen gebracht, davon kann die ein oder andere Crowdfunding-Kampagne nur träumen. Der große Erfolg dürfte vor allem der Influencer-Strategie des Fintechs zuzuschreiben sein, denn das junge Unternehmen holt ihre Konsumenten genau auf diesen Kanälen ab. Ich glaube, die Zustimmung hat sehr stark mit der Zielgruppe der Kunden- und Konsumentenschaft zu tun. Stichwort: Purpose. Den Trend zu erkennen, das nachhaltige Unternehmen und nachhaltige Invests was mit uns allen zu tun hat, haben die Leute von Tomorrow erkannt. Etwas mit Sinn und Verstand zu unterstützen liegt im Trend: Denn eigentlich wissen es alle die irgendwie mit dieser Branche zu tun haben: mit der Wahl deiner Bank unterstützt man unter Umständen teilweise und das sogar ungewollt nicht die allerbesten Geschäftszweige und Branchen mit weniger ethischen Hintergründen. Tomorrow will das Geld ihrer Kund*innen in positive Kontexte leiten, das macht für mich absolut Sinn und ich freue mich, dass so viele diese Idee unterstützen.

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