Jahrelang strömte Fintechs das Geld nur so zu. Nur zuletzt schien die Begeisterung der Investoren etwas abzuflauen. Eine Bestandsaufnahme nicht nur der Einhorn-Herde.
Das nächste Uber zu sein, das wäre was. So oder ähnlich dürfte der mehr oder weniger stille Traum der Startups in Sachen Finanzen lauten. Und ebenso der Traum der Investoren dahinter, wie etwa Venture-Capital-Fonds. Immerhin startete Uber 2009 als profaner Limousinenservice in San Francisco, um bereits 2014 1,2 Milliarden Dollar von Risikokapitalgebern wie Goldman Sachs zu bekommen, rund eine Milliarden Euro. Inzwischen liegt die Marktkapitalisierung des US-Unternehmens bei über 81 Milliarden Dollar.
In die Liga der Einhörner ist Uber damit längst vorgestoßen – Startups, die es nach Börsengang oder Exit auf eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Dollar bringen. Weltweit gibt es immer mehr davon. 2013 waren es 39. 2020 kamen allein 6 dazu, in der Summe sind es über 600.
Einhörner, weiterhin im Galopp voran? Oder legt ihnen eine gestiegene Risikoscheu, etwa durch die Pandemie, die Zügel an?
Gebremste Dynamik, aber …
Grundsätzlich gilt: Noch immer ist das Segment hochdynamisch. Das zeigen einzelne Geschichten wie etwa die vom Zusammenschluss von Raisin und Deposit Solutions zu Raysin DS. Oder die von der Krypto-Plattform Nuri, die zuletzt 9 Millionen Euro von Investoren hat einsammeln können. Eine etwas andere Geschichte erzählen die offiziellen Zahlen – sie gingen etwas zurück.
2019 wurden 168 Milliarden Dollar (140,7 Milliarden Euro) in Fintechs gesteckt, 2020 waren es nur 105 Milliarden (rund 88 Milliarden Euro), notiert KPMG.
Nach sieben fetten Jahren die berühmten sieben mageren Jahre? So arg wird es nicht kommen, prognostiziert sinngemäß KPMG. 2020 war ein „Gamechanger“, schreibt das Beratungshaus in seiner Studie „Pulse of Fintech H2 2020“. Unter anderem, weil es deutlich machte, wie kraftvoll die zugrundeliegenden Treiber sind. Die Konsumenten etwa, die immer mehr online einkaufen – und entsprechend online bezahlen müssen. Aber auch die Veränderungen auf Unternehmensseite. Klassische Großunternehmen etwa gründen oder beteiligen sich an agilen Startups, um ihren eigenen digitalen Wandel zu beschleunigen. Wie zu Beispiel die Deutsche Bank, die 2019 einen kleinen Anteil am bereits erwähnten Fintech Deposit Solutions erwarb.
Die ING wiederum wirbt auf der eigenen Homepage um Fintechs als Kooperationspartner. Diese Grundtrends sorgend dafür, dass die Fintech-freundliche Stimmung nicht abflaut. Für 2021 rechnet man bei KMPG daher mit weiteren Börsengängen reifer Fintech. Auch die M&A-Aktivität werde steigen, unter anderem, weil Unternehmen per Akquise die eigenen Tech-Fähigkeiten ausbauen wollen.
…viel Optimismus
Ganz oben auf der Wunschliste der Geldgeber stehen die Anbieter smarter Payment-Lösungen. 404 entsprechende Deals fanden laut KPMG 2020 statt. Der Grund liegt auf der Hand: Corona zwang die Menschen ins Homeoffice, Shopping fand online statt. Zu den Profiteuren gehören Unternehmen wie Stripe, die Zahlungen im Netz als Dienstleister für andere Unternehmen anbieten. Laut der eigenen Website haben 90 Prozent der erwachsenen Amerikaner schon einmal etwas via Stripe bezahlt.
Härter war das Jahr 2020 für Startups aus dem Sektor Wealthtech. VC-Investoren steckten ihr Geld eher in Portfoliounternehmen als in neue Ideen. Entsprechend niedrig die Summe der Deals mit 29. Eine Ausnahme war Wealthsimple aus Kanada, die im zweiten Halbjahr 2020 noch 86 Millionen Dollar einsammeln konnte, rund 72 Millionen Euro. Aktiver waren dafür die klassischen Finanzunternehmen.
„Härter war das Jahr 2020 für Startups aus dem Sektor Wealthtech. VC-Investoren steckten ihr Geld eher in Portfoliounternehmen als in neue Ideen.“
JP Morgan Asset Management zum Beispiel verkündete im zweiten Halbjahr 2020 eine Kooperation mit dem Robo-Advisor Nutmeg. Der Finanzriese soll eine Reihe ETF eigens für Nutmeg auflegen. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass JP Morgan Chase nun Nutmeg gekauft habe. Inklusive verbalem Ritterschlag von ganz oben. Unternehmenslenker Jamie Dimon hatte nämlich bereits im April in einem Brief an die Anleger, Fintechs hätten „einen tollen Job gemacht, indem sie einfach nutzbare, intuitive und kluge Produkte“ entwickelt hätten.
Und Deutschland?
Bleibt die Frage, wo Deutschland steht. Gar nicht schlecht, ließe sich mit Barkow Consult sagen. Die titelten nämlich für den Januar diesen Jahres: Deutschland starte „mit einem Hurra“. Die Zahlen: 13 Deal, davon 9 mit einem Volumen von über 10 Millionen Euro. So gerechnet, mache der Januar rund 20 Prozent des Volumens des abgelaufenen Jahres aus. Das Gros entfiel auf Software-Provider Mambu. Andere Deals atmen auf Augenhöhe. Elinvar und seine Plattform für Vermögensverwalter, moonfare bietet den Zugang zu Private Equity, moss digitales Ausgabenmanagement und Remagine und seine Plattform für Unternehmensfinanzierung – alles Deal um die 20 Millionen.
Die KfW hat in einer Studie („KfW Venture Capital Study 2020“) den internationalen Vergleich gezogen. Zwischen 2017 und 2019 steckten in China VC-Investoren 25,7 Milliarden Dollar in Fintechs (21,5 Milliarden Euro). In Deutschland waren es 2,4 Milliarden (2 Milliarden Euro), in Großbritannien 6,9 Milliarden (5,8 Milliarden Euro), in den USA 71,3 Milliarden (59,7 Milliarden Euro) – und in Frankreich 0,7 Milliarden (rund 0,6 Milliarden Euro). Das nächste Uber? Wird kommen. Nur vermutlich nicht aus Deutschland.