Politik und EZB beschweren sich über unserer Abhängigkeit von nicht-europäischen Zahlungsanbietern, weil die Kreditwirtschaft nur in nationalen Lösungen denkt und nicht in der Lage ist kompetitive Angebote zu liefern.

Heiko Maas hat es zuerst propagiert – wir brauchen ein europäisches Zahlungssystem – um mehr Unabhängigkeit von der USA zu generieren – einer seiner ersten öffentlichkeitswirksamen Vorstöße….. – hat ihm ja keiner so richtig zugetraut –

Gedanken zu einem “europäischen Zahlungssystem”


“Es sei unverzichtbar „,dass wir europäische Autonomie stärken, indem wir von den USA unabhängige Zahlungskanäle einrichten, einen Europäischen Währungsfonds schaffen und ein unabhängiges Swift-System aufbauen“

und sofort bekommt er eine “auf den Deckel”.

Angel Merkel: „Das war kein abgestimmter Artikel, sondern das war seine Meinungsäußerung“ – und rudert gleich etwas zurück.
“Doch sei „gerade bei Fragen der Terrorismusfinanzierung“ eine „enge Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten“ erforderlich. Dafür sei das Swift-Abkommen „von entscheidender Bedeutung“.

und Maas nimmt gleich Stellung

https://www.zeit.de/news/2018-08/31/maas-verteidigt-vorschlag-fuer-unabhaengiges-europaeisches-zahlungssystem-20180831-doc-18q619

und sieht es in einem größeren Kontext

Die EU müsse sich zu einer Sicherheits- und Verteidigungsunion entwickeln, um bislang von den USA geleistete Aufgaben zu übernehmen.”

Wenige Tage nach Maas kam nun EZB-Vorstandsmitglied Yves Mersch, der den Europäischen Banken und vor allem deren Managern im Payment- und Kartengeschäft gehörig die Leviten liest. Ähnlich wie Jochen neulich hier im Blog bzgl. Online-Digital-Payment, listet Mersch die generellen Verfehlungen im europäischen Zahlungsverkehr auf . Er kreidet vor allem “anachronistische” lokale Lösungen (in Deutschland z.B. wie Paydirekt, Kwitt und Girocard) an und beschwert sich zurecht, dass die seit Anfang der 2000er Jahre mit der PSD1 angestrebte generellen Harmonisierung des Kartengeschäftes (jede Karte funktioniert an jedem Terminal) noch immer nicht Realität ist. Er nennt explizit als Grund dafür die Blockadehaltung vor allem der deutschen Kreditwirtschaft rund um Girocard und den französischen Banken rund Cartes Bancaires. Das führte dann dazu, dass es für die Nutzer einfacher ist nicht-europäische Kartenprodukte zu nutzen. In Konsequenz beschwert er sich, dass internationale Anbieter in Europa erfolgreicher sind als Europäische.

https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2018/html/ecb.sp180903.en.html

Die wichtigsten Aussagen:

  • “The euro area has been very successful in providing a top-tier foundation for innovative payment services. However, this foundation has not yet been fully utilised by European players to provide true state-of-the-art pan-European services.”
  • “Innovation may start at domestic level, but it should not face barriers preventing pan-European expansion. Thus, national solutions should provide for pan-European reach in their initial design.”
  • “Europe still does not have an integrated, standardised card payment network, with the vision of being able to use any card at any payment terminal in Europe having yet to be realised.”
  • “Europe’s largest card payment networks are still not interoperable. For example, Germany’s Girocard and France’s Cartes Bancaires account for a substantial number of card payments in the euro area’s two largest economies. (…) As a consequence, it is more convenient to use non-European cards when travelling across Europe.”
  • “Indeed, large non-European companies now play a significant role in the provision of payment services in Europe, while European banks are focused solely on serving their national markets.”
  • “European banks seem to have surrendered much of the pan-European payment business.”
  • “In other sectors, European companies have succeeded in achieving global reach. In the car industry, for example, European vehicles set the standard when it comes to quality and reliability. There is no reason why this success cannot be replicated in the area of payment services – or financial services in general.”
  • “Building on local or national solutions is anachronism tic and will not meet the needs of the market.”

Was heißt eigentlich Zahlungssystem?

Laut dem Wirtschaftslexikon

“Systeme, über die Zahlungen geleistet und entgegengenommen werden können. Dies sind neben den traditionellen Systemen des Zahlungsverkehr
s überhaupt vor allem das ec-Kartensystem, GAA, Electro-niccash, Online-, Internetzahlungssysteme, Kreditkarte
n der verschiedenen Arten, Wert-, Kundenkarten der Banken und Handelsunternehmen, ferner sonstige elektronische Zahlungsübertragungsmöglichkeiten.”

Soweit so gut – man bleibt etwas wage. Konkret ist wohl ein “swiftartiges System” gemeint – keine neue Kreditkarte.

Etwas konkreter

“Zahlungssysteme sind jegliche Einrichtungen und Prozesse eines Landes, Währungsraumes bzw. weltweit etc., die der Übertragung von Geld zwischen mindestens zwei Wirtschaftseinheiten dienen. Sie werden auch synonym als Zahlungsverfahren oder -instrumente bezeichnet.”

Wer hat das schon probiert? RUS; USA, China

Warum eigentlich „europäisch“?

Ist nicht eher gemeint – europäisch kontrolliert – lokale Systeme funktionieren in einer globalisierten Welt genauso wenig, wie das deutsche Internet. Am Ende geht es um Einflussnahme – um Kontrolle – um die Regeln nach denen gespielt wird. Rein technisch operativ muss es offen sein – sonst wird es nicht funktionieren.

Hier zitieren wir den Außenminister – “was will er eigentlich?”:

  • „europäische Unternehmen rechtlich vor Sanktionen zu schützen” –
  • „von den USA unabhängige Zahlungssysteme einzurichten, einen Europäischen Währungsfonds zu schaffen und ein unabhängiges Swift-System aufzubauen“.

Der Ansatz macht durchaus Sinn. Kein Unternehmen möchte wegen Geschäften im Iran oder in Nordkorea auf eine US kontrollierter Weltweite Blacklist. Nur ist das Zahlungssystem hier der Hebel – vermutlich nur ein Baustein. Geschäfte lassen sich auch anders nachweisen bzw. können Zahlungen auch verschleiert werden. Der Weg über Dubai oder die Türkei sollte jedem ja bekannt sein.

Was ist Swift? Und was ist daran “schlecht”? Politisch und technisch
Über das Telekommunikationssystem laufen die Überweisungen und Handelsgeschäfte von 11 000 Zentralbanken, Geschäftsbanken und Investmentfirmen. – SWIFT ist übrigens eine europäische Erfindung der europäischen Banken!

Läuft wirklich alles über Swift?
Natürlich nicht – intern könnte man schon längst.

Kann die Blockchain nicht alles lösen ?
Klar :-).

Wie kann es funktionieren? Und wie nicht ?
Der Aufbau eines Swift Klons ist nicht zu unterschätzen – technische Komplexität, Standardisierung in Verbindung mit Realtime Processing in hoher Stückzahl.

Gab es denn gar keine anderen Initativen hier in Europa?

Klar, es gab etliche Initiativen europäischer Banken (vermutlich nicht vollständig) die allesamt gescheitert sind:

  • EAPS (Euro Alliance of Payment Schemes): gescheitert
  • Berlin Group (initiiert vor allem von der Deutschen Kreditwirtschaft mit dem Ziel die Girocard pan-europäisch zu etablieren): Die Berlin Group war de-facto tot, hat sich aber neu erfunden (start-up Deutsch: “pivot”) hin zu einem von mehreren Standardisierungsgremien für Open-Bank APIs.
  • MyBank (initiiert von der EBA-Clearing): Sollte ein pan-Europäisches OBEP (Onlinebanking ePayment-Verfahren) sein. Traktion gelang de-facto nur in Italien, während die meisten anderen europäischen Länder danach weiter rein nationale onlinepayment Lösungen entwickelten und jeweils erwarten, dass die anderen Ländern diese adaptieren.
  • Monnet-Project war ein Konsortium von 30 Europäischen Banken, primär initiiert von der Deutschen Bank und der BNPParibas und sollte eine pan-europäische Karte und Onlinezahlungsprodukt etablieren. Es wurde mangels “Business Case” wegen der MIF-Regulierung wieder eingestellt.
  • PayFair war eine weitere Europäische Debitkarten Alternative zu den internationalen Kartenschemes: Die Gesellschaft ist mittlerweile in Liquidation und nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Krypto-Treuhandfirma Payfair.io

Warum kommt das Thema jetzt hoch?

Rein politisch sind die USA kein verlässlicher Partner mehr – und daher ist der Gedanke sich zu emanzipieren nicht abwegig. Ob jetzt auf der Ebene Zahlungssystem oder an anderer Stelle. Der Rückzieher beim Iran Deal oder im Bereich des Weltklimaschutzabkommen von Paris hinterlässt nachhaltige Spuren.
Die roten Linien sind überschritten:

Maas; “„Wo die USA rote Linien überschreiten, müssen wir als Europäer ein Gegengewicht bilden – so schwer das fällt.“” oder wie Yves Mersch sagt:

“Let’s face it: the foundations laid by European institutions have not been leveraged by European providers in order to offer pan‑European services. Instead, those foundations are often exploited by multinationals from outside Europe offering innovative, consumer-friendly solutions.”

Wer will aber schon gerne den Kern seiner Wirtschaft – die Geldströme bzw. das zugrunde liegende System mit jemand teilen, der unberechenbar und wenig kooperativ erscheint. Der Anspruch der USA anderen vorschreiben zu können, wann man mit wem Geschäfte macht und wie, ist nicht mehr zeitgemäß (“Iran”).
Gleich ein neues System zu fordern ist ein “bold move” – und operativ sicher wenig realistisch – aber ein Zeichen – in alle Richtungen. Die Diskussionen gehen nicht nur in Richtung Westen, sondern auch nach Osten. Der Chinese wartet nicht – der macht einfach…. und Europa? Ist der (deutsche bzw. europäische) Föderalismus gar der stärkste Feind starker zentraler einheitlicher Lösungen? Sind die großen Volkswirtschaften, Deutschland und Frankreich, mit den (immer noch) überbordenden Egos ihrer Zahlungsverkehrsmanager in den Banken gar das Problem?

Wir werden sicherlich weitere klare Nachrichten wie die von Maas und Mersch hören und sind gespannt, wann sie denn wirklich gehört werden und nicht mit Lippenbekenntnissen beantwortet werden, die man in sozialen Netzwerken von Managern hinter Paydirekt, Girocard und Co hörte.

1 Kommentar

Der Vorstoß von Herrn Maas ist doch wohl eher als populistischer Antritt zu werten. Es ist der Bevölkerung halt einfacher zu vermitteln, dass Plattformen, die in den USA betrieben werden, jetzt oder künftig von Trump missbraucht werden könnten. Und das Thema Digitales Bezahlen wird derzeit von diversen Medien so aufgegriffen als ob man das „geliebte“ Bargeld abschaffen will. Nun, in England, Frankreich oder in den skandinavischen Ländern ist die Welt bisher nicht untergegangen. Auch wenn dort weit überwiegend bargeldlos im Handel und im ecommerce bezahlt wird. Auch der Brexit ist wohl eher nicht auf digital payments zurückzuführen.-)
Die Chancen von europäischen Paymentlösungen hat es gegeben, ihr habt sie aufgezählt. Alle sind gescheitert. Die Ursachen hierfür habt ihr auch beschrieben. Ich tendiere zu der Annahme, dass der Zug hierfür abgefahren ist. Und ich sehe auch nicht wirklich den Mehrwert für den Kunden und den Markt. Ergo: Außenminister sollten sich auf ihr Kernaufgabe fokussieren. Sie sollten sich darum kümmern, dass wir uns mit anderen Ländern gut verstehen, auch mit den USA.-)

11. September 2018
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