Die Dominanz von Apple Pay und Google Pay scheint zu schwinden, immer mehr Anbieter wollen mit einer eigenen Wallet starten. Aber wie erfolgversprechend sind die Pläne von Volksbanken, Paypal und Wero? Unsere Experteneinschätzungen.
Die Öffnung der NFC Schnittstelle auf dem iPhone und auf Android-Geräten rückt ein Thema zurück ins Blickfeld, das eine Zeit lang weg zu sein schien: Der War of Wallets oder besser der Kampf ums Top of Wallet. Anbieter von Paypal bis zu den Volksbanken wollen diesen mit neuen Angeboten. Aber kann das gelingen? Woran das hängt – und was die Payment & Banking-Experten dazu sagen.
Was ist mit dem War of Wallets gemeint?
In der Anfangszeit von Fintech entstand nahezu jede Woche eine neue Payment Wallet für die mögliche Zahlung am Point of Service (POS). Meist war es eine App mit einer virtuellen Karte oder einem hinterlegten Bankkonto. Das Ganze sollte dann auf verschiedene Arten (QR-Codes etc.) für den Payment-Prozess genutzt werden. Banken, Telkos und jede Menge Startups sind damit losgelaufen und alle mehr oder weniger gescheitert. Schon früh dachten einige der Protagonisten, dass sich alles mit NFC ändern würde – aber zuerst konnten die Terminals kein NFC und als dies mehr und mehr möglich war, schotteten die Hersteller wie Apple diese Schnittstelle mehr oder weniger rigoros ab. NFC hat sich dann als Technik dennoch durchgesetzt und vor allem Apple konnte mit Apple Pay sehr stark profitieren.
Was ist anders oder neu?
Der Digital Markets Act (DMA) den die Europäische Kommission auf den Weg gebracht hat, öffnet nun auch die NFC-Schnittstelle und plötzlich geht ein bislang geschlossenes System auf. Bislang war vor allem Apple an dieser Stelle sehr dominierend und ist in den letzten Jahren zum Platzhirsch im Bereich Mobile Payment geworden und konnte den Banken ihre Konditionen zum Mitmachen diktieren.
Kurz gesagt: Der Doppelklick am iPhone kann plötzlich neu definiert werden und jede Bank oder Payment Company, die eine NFC-fähige Payment-Option anbietet, kann diese nun ohne Teilnahme an Apple Pay im Apple Wallet hinterlegen und durch den Doppelklick an der Seite des iPhone den Payment Prozess starten.
Wer spielt mit?
Der erste Anbieter, der es nutzt, ist Vipps aus Norwegen, aber auch die deutschen VR-Banken haben ebenso wie Paypal angekündigt, in Kürze eigene Lösungen zu starten und den “War um das Top of wallet” zu starten und sich in Teilen sogar ganz von Apple Pay loszusagen. Man kann davon ausgehen, dass weitere Anbieter in den kommenden Wochen und Monaten folgen werden. Player wie Wero, Payback, Twint oder auch der eine oder andere Stablecoin-Issuer mit angebundener Karte fallen einem als mögliche Kandidaten ein.
Was sind die Kräfte?
Man sollte beachten, dass ein Lossagen von Apple Pay nicht nur Vorteile, sondern für den Kunden auch einen Mehraufwand und in Teilen einen Verlust an Möglichkeiten bedeuten kann. Der Mehraufwand kann darin bestehen, dass der Umweg über die jeweilige Anbieter-App einen Umweg oder einige Klicks mehr bedeuten kann. Und der Verlust an Möglichkeiten bedeutet vor allem, dass Apple Pay ja eben nicht nur auf dem iPhone funktioniert, sondern vom Kunden bei Bedarf im kompletten Apple Ökosystem (Watch, iPad, MacBook etc.) genutzt werden kann. Diese Möglichkeit wird dem Nutzer aber genommen, sobald seine Bank eben nicht mehr Teil von Apple Pay wäre.
Worum geht es bei der ganzen Diskussion?
Sicher sind es verschiedene Motivationen, die hier zusammenkommen. Politisch ist der DMA vor allem gedacht, um mehr Wettbewerb im System zu ermöglichen und die Abhängigkeit von wenigen Spielern zu reduzieren – ein sehr guter Plan!
Aber natürlich geht es auch um Geld, da jeder Mitspieler im Prozess einen Teil vom Kuchen haben will. Diesen Teil vom Kuchen wollen nun einige Parteien nicht mehr an Apple und Co. abgeben – auch verständlich. Die Frage wird sein, zu welchem Preis.
Zudem kommen die immer lauteren Argumente wie europäische Souveränität und Reduzierung der Systemabhängigkeit von GAFAs hinzu – auch dem ist schwer zu widersprechen.
Und nicht zuletzt wird es auch um den Zugang zum Kunden gehen – Payments sind alltagsrelevant. Und Touchpoints mit dem Kunden sind in der digitalen Welt Gold wert. Diese Touchpoints in der eigenen Sphäre zu haben und die Kommunikation zum und mit dem Kunden zu bestimmen, ist key.
Wer wird gewinnen?
Schwer zu sagen – es wird wohl wieder viel auf die Convenience ankommen und wie genau sich die „Dritt-Anbieter“ in die mobilen Ökosysteme integrieren lassen und ob Umwege nötig sein werden. Eine hundertprozentige Abkehr von Apple Pay erscheint mir heute verfrüht und wenig kundenfreundlich, da relevante Funktionen nicht eins zu eins abgedeckt zu sein scheinen. Eine duale Strategie für Banken scheint mir sinnvoll. Spannender ist es für die Player wie Paypal, Wero, Twint oder Payback – diese sind heute ja komplett aussen vor und können sich auf diese Art und Weise endlich einen weiteren Zugang an den POS erobern. Als Nutzer, der schon heute mehrere Karten in Apple Pay hinterlegt hat, merke ich schon heute, dass es auf der einen Seite die Convenience ist, die mich entscheiden lässt – ich zahle zum Beispiel fast immer mit der Uhr und will aber auch Apple Pay auf dem iPad und MacBook – und zum anderen die Funktionen die mir die Karte darüber hinaus liefert. Bei mir sind es Dinge wie die Round-Up-Funktion und Savebacks auf die Umsätze.
Alles in allem aber endlich mal wieder ein spannendes Thema für Diskussionen unter den Payment-Nerds – und diese kommen jetzt auch hier zu Wort.
Jochen Siegert, PAB-Gründer und Berater
Ich hatte den „neuen“ War of Wallet bereits im November in einem ausführlichen Artikel analysiert.
Was ist seitdem passiert? Die Wero-App ist gestartet, unterstützt aktuell nur von einer hiesigen Bank, der Postbank. Als richtige „Wallet“ kann man Wero ja ohnehin nicht bezeichnen, da Multibanking pro Nutzer hinter dessen E- Mail oder Mobilnummer auch im Jahr 2025 nicht vorgesehen ist. Das ist die Geldbörse, in die nur eine Bank reinpasst – ziemlich weit weg von der Kundenrealität, sei es analog aus Leder oder digital von Apple, Google oder Paypal.
Stattdessen torpedierte Wero auf den Payment-Konferenzbühnen monatelang, in bester „Trump“-Schule, nicht etwa den direkten Wettbewerb, sondern primär die befreundeten Wero-Likes mit gleichgerichteten Interessen in anderen europäischen Ländern. Diese fühlten sich massiv vor den Kopf gestossen, sollten sie doch ihre äußerst erfolgreichen Verfahren mit hoher Markenbekanntheit und Kundennutzung komplett einstellen zugunsten des völlig unbewiesenen Weros. Interoperabilität, obwohl mehrfach bewiesen, sei angeblich nix. Wishful-thinking, Hegemonie mit der Brechstange!
Jetzt ist aber plötzlich doch noch eine Kooperation geplant, nachdem ziemlich viel Porzellan zerschlagen wurde. Politik steht bei Wero wohl über operativer Execution. Man wundert sich durchaus über diese Prioritätensetzung, wo doch die Kundeninteressen, Entwicklung eines kompetitiven Produktes und eine möglichst große, wirklich europäische Akzeptanz im Zentrum allen Handelns stehen sollte. Ähnlich scheint die Girocard-iPhone-NFC-Lösung der VR-Banken-App vergessen zu haben, dass Kunden gegebenenfalls mehr Karten und Konten haben könnten. Und das, Gott bewahre, vielleicht auch bei anderen Banken.
Spannend ist dagegen die Öffnung von Paypal via der eigenen App am iPhone und Android. Stationär bezahlen via Paypal-Funding-Methode, optional sogar über eine Ratenfinanzierung. Ähnliche Moves erwarte ich auch von Klarna, Handels-Apps, Tank- und Lade-Apps, Loyalty-Apps, vielleicht sogar von den Telcos. Viele dieser Anbieter haben eine wirkliche Chance, da sie von Tag eins die eigene relevante „Closed-Loop-Akzeptanz“‘ um eine noch viel größere, offene, globale Akzeptanz ergänzen. Das stiftet starke Mehrwerte für die jeweiligen Heavy-User, aber auch nur für diese. Letztere könnten dann tatsächlich geneigt sein die „Top of Wallet“-Einstellung des Smartphones zu verändern. Aber leider voraussichtlich wieder nur für kompetitive, nicht-kreditwirtschaftliche Lösungen. Bleibt am Ende den DK-Lobbyisten das Lachen über die erfolgreiche NFC-Öffnung am iPhone im Halse stecken? Somit bleibt die These meines Artikels vom November bestehen. Karl Valentin sagte einmal so schön: Der Begriff Kunst kommt von können und nicht wollen, weil sonst müsste es ja „Wunst“ heißen. Im War of Wallet haben wir immer noch zu viel „für sich selbst wollen“ und zu wenig „für den Kunden können“.
Maik Klotz, PAB-Gründer und Abteilungsdirektor Digital Banking und Kommunikation beim DSGV
Sieben (!) Jahre (!) nach dem Start von Apple Pay und Google Pay in Deutschland, nach über einem Jahrzehnt gescheiterter Bemühungen, im stationären Handel Fuß zu fassen, schafft es PayPal jetzt doch noch an den POS. Via Mastercard. Chapeau! Hat ja auch nur eine halbe Ewigkeit gedauert.
Die Zahlen klingen erst einmal beeindruckend: 32 Millionen Paypal-Konten in Deutschland können künftig kontaktlos im Laden bezahlen. Neu ist das allerdings nur bedingt. Wer wollte, konnte schon lange über Google Pay eine virtuelle Paypal-Karte hinterlegen. Neu ist eher die eigene mobile Wallet, mit der Paypal jetzt erstmals selbst in den physischen Zahlungsverkehr eingreift. Und das jetzt auch auf dem iPhone. Möglich macht es die EU-Regulatorik und der Digital Markets Act. So hat sich die Finanzindustrie in Europa das vermutlich nicht vorgestellt. Danke Brüssel. Danke für nichts.
Trotzdem: Wer jetzt glaubt, Paypal sei damit automatisch top of wallet, also die neue Standardlösung im stationären Zahlungsverkehr, sollte die Kirche im Dorf lassen. Denn Paypal ist keine Open Issuing Wallet. Man kann nur mit Paypal und dem dahinterliegenden Konto bezahlen. Keine Chance, wie bei Apple Pay, mehrere Karten hinterlegen zu können. Wer zwischen Privatkonto, Haushaltskonto oder Firmenkarte switchen will, wird hier nicht glücklich.
Ach ja, dann ist da noch der Handel. Die Händler lieben die Girocard, weil sie günstig ist. Und jede Lösung, die nicht aufs Girocard-Netzwerk setzt, ist aus Sicht des Einzelhandels vor allem eins: teuer. Paypal zieht also nicht nur Huckepack-Transaktionen von der Girocard ab, sondern sieht auch bei jeder Zahlung, wer wo eingekauft hat. Stichwort: Werbedaten. Das dürfte im Mittelstand eher mäßige Begeisterungsstürme auslösen.
In einer Zeit, in der Donald Trump ernsthaft Zölle auf im Ausland produzierte Filme erhebt, sollte man sich sowieso gut überlegen, wessen Lied man singt. Nur weil etwas aus dem Silicon Valley kommt, heißt das noch lange nicht, dass es alternativlos ist oder gut für uns.
Womit wir dann auch bei der Lieblingskritik der Bubble sind, der Kritik an Wero, die gerade mal gestartet sind. Und das wirkt vor dem Hintergrund geradezu absurd. Paypal selbst brauchte über zehn Jahre und einen Partner, um den Move überhaupt realisieren zu können. So viel zur „schnellen Disruption“.
Last but not least: Nicht nur Paypal hat viele Kundinnen und Kunden. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken bringen es gemeinsam auf rund 50 Millionen Konten. Das ist das potenzielle Spielfeld für Wero. Und da reden wir noch nicht über die Deutsche Bank oder die ING, denn die fehlen in dieser Gleichung noch komplett.
Wer also glaubt, der Drops sei gelutscht, weil Paypal „jetzt auch mal“ am POS auftaucht, verkennt die Realität: Das Rennen ist offen. Und es wird nicht nur über UX entschieden, sondern über Vertrauen, Reichweite, Integration und: Wer dem Handel am wenigsten weh tut und am meisten nutzt. Mit diesen Eigenschaften gibt es nicht so viele.
Miriam Wohlfarth, PAB-Gründerin, Ratepay-Gründerin, CEO & Gründerin Banxware,
Inhaltlich kann ich hier gar nicht mehr viel hinzufügen. Ich finde es gut, dass sich gefühlt endlich etwas bewegt, sowohl technisch als auch strategisch. Ich glaube, dass durch die aktuelle gesellschaftliche Stimmung und das zunehmende Bewusstsein für digitale europäische Souveränität viele Verbraucher künftig genauer hinschauen werden, welche Zahlungsanbieter sie nutzen. Es entsteht eine echte Chance für europäische Anbieter, insbesondere Banken, eigene Wallet-Lösungen zu etablieren und unabhängiger von den amerikanischen Tech-Unternehmen zu werden. Für deutsche Banken könnte das der Moment sein, nicht nur mitzumischen, sondern eigene Standards zu setzen.Trotzdem wird nur die Lösung erfolgreich, die einfach und bequem ist..Convenience is king! Wenn alternative Lösungen mehr Klicks und weniger Geräte-Kompatibilität bedeuten, wird das für viele Konsumenten eine Hürde sein, die sie nicht überwinden wollen.