Unsere Branche lebt von diversen Glaubensätzen. Einer davon geht so: Der Geldbeutel wird verschwinden. Er wird gebetsmühlenartig wiederholt, aber wird er dadurch richtiger? Nach wie vor arbeitet eine große Anzahl an Start-ups an der Abschaffung des physischen Wallets, aber so richtig am Ziel angekommen sind weder das x-te Pay-„irgendwas“, noch andere Fintechs. Der Grund dafür diese Misere ist schnell gefunden. Schuld ist der „Innovations- und digitalisierungsfeindlich einstellte (deutsche) Nutzer“.

Ich denke, ganz so einfach ist die Sache nicht. Auf der Suche nach weiteren Antworten werde ich mich dem Thema daher von drei Seiten nähern:

  1. Der Geldbeutel: Aggregator der gescheiterten Bemühungen der Digitalisierung
  2. Der Formfaktor Karte: Hat der Geldbeutel ausgedient oder klebt er an uns wie das Bargeld?
  3. Die Funktion der „Aufbewahrung“

Warum die Karte (noch) bleibt

Ich mache ein Geständnis: Ich nutze die Karte noch! Jetzt ist es raus und ja, es klingt nostalgisch, aber mein Medium für kontaktloses Zahlen an der Kasse ist (noch) die Karte. Warum? Leider schwer rational zu erklären. Ist es die Macht der Gewohnheit, oder ist es schlichtweg Faulheit? Hat ein Produkt zum Anfassen in der Wahrnehmung einfach einen anderen Wert, als etwas rein Digitalen. Ich könnte natürlich auch einmal bei Gelegenheit meinen Geldbeutel mit sämtlichen Karten verlieren, um mich nachhaltig umzustellen? Kurzfristig wäre das natürlich sehr ärgerlich, aber langfristig erwiese sich das als Trick 17. Wer weiß?

Oder, und das wäre die weniger schmeichelhafte Variante: Ich bin einfach (schon) zu alt.

Fakt aber ist: Von der viel beschworenen Evolution der Karte bin ich nicht überzeugt. Ich glaube nicht an den Ausbau hin zu mehr Funktionalität oder an visionäre Ideen rund um die Karte als Zugang zu einem Ecosystem.

Alternativen aus der Nische

Neben der Karte gibt es weitere Formfaktoren, die aber noch in der Nische verweilen:

  1. Das Armband: Es sieht (hoffentlich) schick aus und hat man immer dabei, doch mir fehlt auch hier der Aggregator. Hinzu kommt: Bei der Fülle an Armbändern für das Fitnessstudio, dem Kinder-Trampolinpark oder dem Spind im Freibad, könnte ich Wolle Petry in seinen besten Zeiten Konkurrenz machen.
  2. Der Ring: Er ist das besser Armband, da klein und unauffällig. Doch auch seine Einsatzmöglichkeiten reduzieren sich auf die Sensorik (Fitness) oder auf reine „Chip Cases“ (Payment). Für mich daher als Alleinstellungsmerkmal schwer zu nutzen.
  3. Der implantierte Chip: Das ist „Nerd Stuff“. Daran glaube ich nicht.
  4. Als möglicher Formfaktor könnte die Smart Watch eine elementare Rolle spielen, denn gegenüber Mobile hat sie einige wirkliche Vorteile.

Plastik-Beifang verharrt im Geldbeutel

Warum also habe ich (immer) noch einen Geldbeutel in der Hosentasche?

  1. Solange der Personalausweis oder auch der Führerschein noch „physisch“ sind, müssen die ja schließlich irgendwo hin. Ich sehe hier noch keine wirklichen Innovationen und daher auch noch kein Licht am Ende des Tunnels.
  2. Trotz Apple, Google etc. Pay es gibt noch zu viele Karten. Davon finden sich auch in meinem Geldbeutel noch etliche, nicht zuletzt die Girocard, die mir als Fallback-Karte dient
  3. Der Plastik-Beifang wie Karten vom ADAC Karte, Hello Fresh oder die Bahncard sowie Karten als Zugang in Schwimmbad oder Bonuskarten für den Einkauf
  4. Versichertenkarten der Krankenkassen. Wir sind noch weit entfernt davon, diese in ein Device zu bekommen
  5. Sonstige „Ident”-Karten
  6. Vermischtes, das man niemals digitalisieren können wird:
  • Tabletten jeglicher Art – sagen wir mal Aspirin
  • Schlüssel
  • Einkaufswagenchip
  • Kassenbons
  • physische Belege jeglicher Art
  • More to collect…

Kinder nutzen Geldbeutel weniger

Bei meinen Kindern beobachte ich ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem Geldbeutel, den sie aktuell tatsächlich noch besitzen. Im Geldbeutel meines 14-jährigen Sohnes beispielsweise finden sich folgende Gegenstände:

  1. Die physische Revolutkarte
  2. Der Personalausweis
  3. Die Krankenkassenkarte
  4. Wahllose Gutscheine und Coupons bzw. Tickets von irgendwas
  5. Ein paar Euro Bargeld, wobei der Wert des physischen Geldbeutels den Wert des Bargeldes übersteigt)
  6. Apple Airtag

Wird der Geldbeutel als wichtig erachtet? Es geht so. Trotz mehrmaligem Verlust nur bei den Eltern so etwas wie operative Hektik, da die Wiederbeschaffung von Personalausweis und Krankenkassenkarte einfach nervig ist. Der Verlust der AirPods jedenfalls hat bei ihm zu einem deutlich höheren Stresslevel geführt.

Fazit:

In a nutshell: Wir müssen den physischen Geldbeutel neu denken oder frei nach Henry Ford, das er interessanterweise übrigens nie gesagt haben soll: “If I had asked people what they wanted, they would have said faster horses.” Die Revolution des Geldbeutels ist ein sehr langsamer, weil Anbieter die Digitalisierung nicht in der notwendigen Geschwindigkeit vorantreiben, wie es für die Nutzer und Kunden wünschenswert wäre.

Und das sagt das Team:

André M. Bajorat:

Ich selber habe den Geldbeutel schon vor langer Zeit für mich abgeschafft. Was ich durchaus noch habe, ist aber ein Mini Mäppchen für die Karten, die sich noch nicht als Token an meinem Handgelenk befinden oder mindestens im Smartphone verfügbar sind. Also Personalausweis, BahnCard und Führerschein. Dabei habe ich aber die große Hoffnung, dass auch diese Karten in den kommenden Monaten in Uhr und Handy verschwinden werden. Ich muss zudem unterscheiden zwischen kurz aus dem Haus gehen und unterwegs sein. Im Fall 1 reicht mir meist die Uhr, im Fall habe ich Handy und Mäppchen dabei. 

Jochen Siegert:

Nach meinem Verlust der Geldbörse und dem gezwungenen „Test“ sehr suboptimaler Kartensperrungsprozesse (ob sich das verbessert hat, wage ich zu bezweifeln) habe ich mich entschieden erst gar keine neue Geldbörse anzuschaffen. Ich habe jetzt für unterwegs ein Folio-Case fürs iPhone in dem Platz ist für ein wenig „Notbargeld“, eine Debit- und Kreditkarte, BahnCard, Perso, Führerschein und Krankenkassenkarte. Mein Handy habe ich immer dabei und das verliere ich auch nicht. Das Folio trägt aber doch sehr stark auf. Das heißt: Ich versuche mich seit geraumer Zeit an einer Optimierung. Muss ich wirklich noch Debit- & Kreditkarte mit mir herumschleppen?

Ich habe beide doch über Apple Pay sowohl im Smartphone als auch in der Uhr ohnehin dabei und nutze sie nur noch so. Wenn ich auf Perso, Führerschein und Krankenkassenkarte verzichten könnte und diese digital im Smartphone mitnehmen könnte, wäre ich sehr happy. Der Sinn der Plastikbahncard erschließt sich mir auch nicht, da Tickets schon In-App möglich sind, warum dann die BahnCard 100 nicht…? Da ich mit meiner Optimierung aber auf sehr langsame Player (Bahn, Staat, Krankenkasse) angewiesen bin und kurzfristig nicht Veränderung hoffen darf, gehe ich mittlerweile häufig ganz ohne Folio und nur dem iPhone oder manchmal sogar nur noch mit der Apple Watch aus dem Haus. Darauf kann ich auch angerufen werden. Also Geldbörse 2.0 ist für mich gar keine Geldbörse und Karten mehr.

Christina Cassala

Zwingt mich bitte nicht, meine Geldbörse auszuleeren. Das Kartenproblem habe ich im Griff, aber was mein Portemonnaie belastet, ist das viele Klimpergeld, das ich einfach nicht unter das Volk bringe. Was ich meine: Ich bin total für das bargeldlose Bezahlen, denn gerade Kleinbeträge (z.B. Bäcker, Späti etc.) hinterlassen Wechselgeldspuren in Form von ein-, zwei- oder fünf Cent Münzen, die hinterher sowieso keiner mehr haben will (außer die Sparbüchse meiner Kinder). Hinzu kommen die ganzen Kassenbons, Arzttermin-Zettelchen, auf Kaugummipapier hingekladdete Telefonnummern und Adressen und BVG-Fahrkarten. Ergo: Die Geldbörse ist nicht nur schwer in der Tasche, sondern ist gleichzeitig auch noch ausgebeult und dient daher noch nicht einmal als Luxus-Lederwarenobjekt.

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