Gewagte Prognosen zum Marktpotenzial von Embedded Finance gibt es viele. Und es gibt auch gute Gründe dafür, dass diese eintreten. Allerdings sollten gerade ambitionierte Unternehmen mögliche Hindernisse nicht unterschätzen.

Wenn Sie meine Kolumnen bis hierhin gelesen haben, dann wissen Sie jetzt, worauf die Embedded-Finance-Revolution aufbaut und welche erfolgreichen Umsetzungen es bisher gibt (siehe hier und hier). Denn wie schon ein Altkanzler sagte: Man muss die Vergangenheit kennen, um die Gegenwart zu verstehen. Viel spannender als diese beiden Aspekte ist aber doch die Zukunft, namentlich die zukünftige Entwicklung des Embedded-Finance-Sektors. Deswegen möchte ich zum Abschluss dieser kleinen Serie das Potenzial beleuchten und zeigen, was mögliche Treiber und mögliche Hindernisse für die Entwicklung sind.

Für den Embedded-Finance-Markt gibt es nur eine Richtung, da sind sich alle Experten einig: aufwärts. Egal, welche Studie die Leserinnen und Leser aufschlagen, die Prognosen gehen von gigantischen Wachstumszahlen aus. Vergangenes Jahr lag das Marktvolumen bei etwa 22,5 Milliarden Euro weltweit. Lightyear Capital erwartet 230 Milliarden Euro bis 2025. Openpayd erwartet 720 Milliarden Euro zusätzlichen Erlös im Jahr 2026 durch eigene Finanzprodukte für Unternehmen – allein in Europa. Bain Capital hat sich wiederum den US-Markt anschaut und erwartet 2030 einen dort erreichbaren Umsatz von 3,6 Billionen Euro.

Online-Handel in der Pole-Position

Einige Branchen sind dabei schon besonders weit, wie das US-Wirtschaftsmagazin in einer Umfrage unter Fintech-Experten herausfand. Der (Online-)Handel hat laut ihnen aktuell die Pole Position inne, gefolgt von der Reise- und Unterhaltungsbranche, Transport und Logistik und schließlich dem Lebensmittel- und Getränkesektor.

Die glänzenden Zukunftsprognosen liegen aber natürlich in den Branchen begründet, bei denen die Durchdringung mit Embedded Finance noch am Anfang steht. Dazu zählen die Industrie, das Gesundheitswesen, aber auch die Energiebranche. Der Erfolg von Embedded Finance in einem Bereich geht Hand in Hand mit dem Digitalisierungsfortschritt dort. Aus gutem Grund ist der Handel, dessen Onlinevariante mittlerweile drei von vier Menschen in Deutschland erreicht, weit vorne, während das Gesundheitswesen, das schon jahrelang an der digitalen Krankenakte scheiterte, im Hintertreffen.

Drei Gründe für das Wachstum von Embedded Finance

Potenzial ist das eine, aber was garantiert uns, dass dieses auch wirklich ausgeschöpft wird? Ich sehe drei Gründe, die dafür sprechen.

Da sind zuerst die Kunden. Ich habe es in meinen vorherigen Beiträgen schon geschildert: Konsumenten suchen nach dem bequemsten Weg, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu bekommen, das gilt selbstverständlich auch für Finanzdienstleistungen. Das führt dazu, dass sie zunehmend auf allumfassende Angebote setzen, sogenannte Ökosysteme.  Bekannte Vertreter sind Amazon, Apple oder Google. Das führt zu einer Art holistischem Windhunderennen: Jeder will ein noch ein bisschen umfassenderes Angebot haben, um den Kunden zu erreichen. Integrierte Finanzprodukte sind dabei nur der nächste Schritt, den egal in welcher Branche, es lohnt sich, „Best in Class“ zu werden, um sich so vor die Konkurrenz zu schieben.  

Mit der entsprechenden Infrastruktur entstehen kaum noch Kosten

Auch über die Auswirkungen neuer Regulatorien, den zweiten Grund, habe ich schon gesprochen. PSD2 und Co. haben Banking-as-a-Service überhaupt erst möglich gemacht. Was aber für die langfristige Entwicklung von Embedded Finance noch wichtiger ist: Sie haben auch die Erwartungen der Kunden verändert. Niemand akzeptiert mehr, dass Kontoverwaltung, Kreditanträge oder Geldanlage von drei verschiedenen Anbietern gemanagt werden, die auch noch eine kundenunfreundliche App zur Verfügung stellen. Banken und FinTechs können es sich also kaum leisten, die Konsumenten daran zu binden, nur hauseigene Produkte über hauseigene Kanäle zu nutzen. Sie müssen die Angebote möglichst barrierefrei machen, im Zweifel auch über andere Branchen als Mittelsmänner.

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Gerade für klassische Banken ist das aber weniger Bedrohung als Chance. Denn sie müssen sich nach neuen Geschäftsmodellen umgucken – und das ist Grund drei für einen positiven Ausblick. Mit dem klassischen Kreditgeschäft verdienen sie seit Jahren deutlich weniger als früher, gleichzeitig treiben europäische und deutsche Regularien die Kosten. Da kommt die Möglichkeit eines neuen, skalierbaren Geschäftszweiges gerade recht. Und genau das ist Embedded Finance. Ist die dahinterliegende Infrastruktur einmal aufgebaut, entstehen in der Folge pro neuem Kunden nur noch wenig Kosten, die Erlöse aber steigen konstant. Auch die Tatsache, dass sie nicht mehr selbst als Marke auftreten, ist nicht unbedingt von Nachteil. Das Vertrauen vieler Kunden in Banken ist spätestens seit der Lehman-Pleite überschaubar. Wenn die angeschlagene Großbank sich so hinter einem für Verlässlichkeit stehenden Autobauer „verstecken“ kann, ist das ein Gewinn für beide Seiten.

Was jetzt bei Embedded Finance noch schiefgehen kann

Ein großes Hindernis, das aktuell noch die weitgehende Verbreitung von Embedded Finance verhindert, ist die fehlende Expertise bei den Unternehmen, die es umsetzen wollen. Das zeigt eine Openpayd-Studie zum europäischen Markt. Viele bauen gerade erst entsprechende Teams auf, die mit externen Anbietern zusammenarbeiten sollen. Auch bei der Auswahl der externen Anbieter sieht Openpayd Schwierigkeiten, viele Unternehmen wüssten gar nicht, welche Banken und FinTechs überhaupt Embedded Finance anbieten.

Aber all das sind keine unüberwindbaren Hindernisse. Gerade in den kommenden Jahren planen viele Unternehmen ihren Einstieg in Embedded Finance. Mit ein wenig Geduld bei der Auswahl des richtigen Partners sollte es den meisten auch gelingen, entsprechende Programme aufzusetzen. So könnte aus den optimistischen Prognosen sehr bald eine neue Finance-Realität werden, von der alle Seiten profitieren.

Header: istockphoto Bildnachweis:choochart choochaikupt


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