Banken, die mit KI werben, machen sich lächerlich

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Die ersten Fintech- und Geldhäuser wollen auf den Hype rund um Künstliche Intelligenz (KI) aufspringen, indem sie ganz offensiv mit deren Einsatz werben. Das ist der falsche Weg.

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Die ganze Welt steht seit ein paar Monaten ein wenig auf dem Kopf: ChatGPT ist zweifelsohne das Gesprächsthema Nummer eins auf vielen Partys, bei Freunden und auch in der Familie. Die ersten dichten schon Grußkarten für den nervigen Onkel, andere lassen sich Fitnesspläne zusammenstellen und wieder andere reden von der größten Revolution seit der Dampfmaschine. Selbst in altbackenen Firmen und der Bankenwelt ist der Hype angekommen. Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht irgendeine Pressemitteilung erhalte, in der irgendeine KI mal wieder das Leben der Banken vollständig auf den Kopf stellt.

KI sollte längst fester Bestandteil sein

Tja, so ist das eben mit den Hypes, könnte man nun sagen. Jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben, jeder sich ein wenig im Glanz von ChatGPT sonnen. Nur, liebe Bankerinnen und Banker, wenn ihr im Jahr 2023 damit Werbung macht, dass Ihr jetzt auch Künstliche Intelligenz einsetzt, dann würde ich mein Konto bei euch sofort kündigen – und das aus zwei Gründen, die sich zunächst widersprechen mögen, es aber sicherlich nicht tun.


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Grund eins ist dabei recht einfach: Wenn Ihre Bank oder Ihr Fintech bis heute nicht mit Künstlicher Intelligenz arbeitet – oder nur in geringen Dosen – dann haben Sie eigentlich schon verloren. Längst sollte es in vielen Bereichen nämlich „State of the art“ sein, wie es so schön heißt, die Algorithmen für sich arbeiten zu lassen. Das gilt für die Verbrechensbekämpfung ebenso wie das Aufspüren von Geldwäscheverdachtsfällen. In diesen Bereichen sollten Sie KI längst nutzen. Machen Sie nicht? Eieieiei.

Werbung mit KI macht stutzig

Denn viele Banken haben damit nicht nur angefangen, sie sind sogar schon extrem weit. Spätestens der jährliche Aktionärsbrief von einem geschätzten Jamie D., der jährlich erscheint, sollte Ende April für Aufsehen in Fintech und Banken gesorgt haben. Dort heißt es schließlich: „KI ist eine außergewöhnliche und bahnbrechende Technologie. KI und der ihr zugrunde liegende Rohstoff, die Daten, werden für den künftigen Erfolg unseres Unternehmens entscheidend sein.“ Dazu berichtet das Handelsblatt noch von ein paar netten Zahlen, die JP Morgan betreffen: Schon heute beschäftige das Institut demnach 900 Datenwissenschaftler und 600 Programmierer für maschinelles Lernen. Man darf also davon ausgehen, dass das Thema KI dort schon einmal zur Sprache kam. Oder meinen Sie nicht?

Wenn Sie mir jetzt also mit einer Werbung kommen, in der es heißt, dass sie geile Kooperationen schaffen, um mit Künstlicher Intelligenz zu arbeiten, kommen für mich nur zwei Schlussfolgerungen infrage – eine vernichtender als die andere. Da wäre etwa die Schlussfolgerung, dass Sie bisher gar nicht mit Künstlicher Intelligenz arbeiten. Das wäre dann fatal: für Kunden, für Investoren und für Aktionäre. Denn Hallo, wir schreiben das Jahr 2023 und da ist KI eben nicht „The next big thing“, sondern spätestens seit 2019 das „big thing“, ganz ohne „next.“

Wo sind die wirklichen Innovationen?

Die andere Schlussfolgerung mag weniger schlimm sein, aber sie verletzt mich. Denn diese wäre, dass Sie mich einfach für dumm verkaufen wollen, indem sie mit ein paar Buzzwords auf den Hype-Zug KI aufspringen. Entweder, um mich als Kunden davon zu überzeugen, dass Sie ja doch ziemlich modern seien, oder aber, um mich als Journalisten davon zu überzeugen, doch mal eine nette Geschichte über ihr ach so digitales Unternehmen zu schreiben. Beides sind Vorstellungen, die mich traurig machen. Was also stimmt? Schreiben Sie es doch in die Kommentare und überlegen sich parallel dazu einfach ein paar WIRKLICHE Innovationen – und verkaufen Sie keine als solche, die absolute Selbstverständlichkeiten sein sollten.

Während Sie noch nachgrübeln, können wir uns auch direkt meinem zweiten Kritikpunkt widmen: Durch eure Werbung wird mir erst einmal so richtig bewusst, dass ich als Kunde zum Spielball eurer Künstlichen Intelligenz werde – und das ziemlich ungefragt. Wenn nun Deutschlands womöglich größtes Fintech damit wirbt, dass es das perfekte Angebot für mich zuschneidet, indem es per Künstlicher Intelligenz all meine Daten analysiert und auswertet, dann macht mir das verdammt noch mal Angst.

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Welche Daten sind das denn? Was sagen sie über mich aus? Was bedeutet das vielleicht auch für meine Finanzentscheidungen und die finanzielle Zukunft? Nur weil die KI errechnet, dass heute Produkt A gut zu mir passen würde, stimmt das vielleicht gar nicht und ruiniert mir vielleicht dann doch die finanzielle Zukunft, weil es viel zu riskante Empfehlungen gibt. Wer haftet dann dafür, liebe Bankerinnen und Banker? Sie? Die KI? Es gibt dort noch sehr viele Fragen, die ich gerne geklärt hätte, bevor Sie meine Daten in eine KI reinschmeißen. Dsa heißt, auch hier tut sich mit Werbung niemand einen Gefallen.

Der Grat ist schmal

Kommen wir zum Fazit: Ich unterstütze eine enge und scharfe Regulierung in diesem Bereich sehr, denn Kunden dürfen nicht Spielball der Banken bei KI-Anwendungen werden. In anderen Bereichen, Geldwäscheprävention etwa, sehe ich den Einsatz hingegen als unverzichtbar an. Wenn Sie dort bis heute keine KI einsetzen, dann ist das Ihr sicherer Untergang. Wenn Sie KI aber einsetzen und mir damit meine finanzielle Zukunft versauen, garantiere ich, dass ich Ihr Untergang sein werde. Viel Spaß auf dem Drahtseil dazwischen zu tanzen.

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Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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