Das sind die weiblichen Gesichter der Branche
Jeden Mittwoch beantworten in unserer beliebten Reihe „Gesichter der Branche“ Personen aus der Payment- und Banking-Industrie unseren standardisierten Fragebogen mit jeweils zehn Fragen. Über die Jahre ist hierbei eine Vielzahl interessanter Antworten zusammengekommen.
In dieser Reihe kommen auch viele tolle Frauen der Branche zu Wort, die mit ihren Ideen, Visionen und Weitsicht die Finanzindustrie entscheidend prägen und den Weg hin zu mehr Diversität voranbringen. Heute gibt es eine Auswahl ihrer Antworten auf die Frage: Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
„Man darf natürlich nie vergessen, dass etablierte Unternehmen auch mal gegründet wurden und ‚FinTechs‘ waren und sich im Laufe der Zeit unter Beweis gestellt, profitabel entwickelt und viele Kundenbeziehungen aufgebaut haben. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und großen Kundenbasis konnten sie dabei viel Wissen sammeln (heute würde man das unter „Big Data“ fassen). Dieses Wissen kann genutzt werden, um bedarfsgerechte Produkte und Dienstleistungen für die bestehenden Kunden zu entwickeln und sie so weiter an sich zu binden.“
Pavlina Popova, von Barzahlen/viacash
„Etablierte Unternehmen haben einige wichtige Assets, allen voran Daten. Durch ihre bestehenden, langfristigen Kundenbeziehungen und der dazugehörigen Transaktionshistorie haben sie einen sehr guten Blick auf ihre Kunden. Es gibt viele Unternehmen, die dieses Asset erkannt haben.
Ein Beispiel dafür ist American Express, die Vorreiter in Advanced Analytics/Big Data sind und ihr gewonnenes Wissen erfolgreich eingesetzt haben, um Fraud und Identity Theft zu reduzieren. Auf dem Weg dorthin haben auch Partnerschaften mit FinTechs eine wichtige Rolle gespielt. Dies ist ein Trend, den ich sehr erfreut beobachte: Aus heutiger Sicht haben traditionelle Unternehmen und FinTechs stark voneinander gelernt. In Summe finde ich es toll zu beobachten, wie etablierte Banken und FinTechs immer stärker aufeinander zugehen, sich wertschätzen und sich nicht länger als Konkurrenten, sondern als Partner verstehen, die wechselseitig voneinander profitieren.“
Dr. Verena Thaler von Raisin
„Etablierte Unternehmen haben viel mehr Erfahrung im Kundendienst sowie in der Umsetzung und Einhaltung von regulatorischen Vorschriften. Das stärkt wiederum das Vertrauen der Kunden.“
Sonja Scott von American Express Deutschland
„Da wir uns in einem hoch regulierten Markt befinden, sind etablierte Unternehmen meist bereits sehr erfahren darin, sich im Rahmen der Regulierung zu bewegen und die Prozesse entsprechend aufzusetzen. Das hilft oft, wenn es darum geht, neue Dinge in den Markt bringen zu wollen. Das kann aber eben auch ein Nachteil sein, wenn Prozesse zu sehr einengen und kein Raum mehr bleibt, um neu und innovativ zu denken und Dinge auszuprobieren.“
Laura Wirtz von der ING
„Mein erster Gedanke war: natürlich Prozesse und Strukturen! Allerdings regt sich im gleichen Moment der Gedanke, dass es das nicht wirklich trifft. Etablierte Unternehmen haben die Zeit auf ihrer Seite, d.h. Zeit aus den Anfängen zu lernen, Erfahrungen in Wege zu überführen, eine Vision und eine Kultur innerhalb der Organisation zu entwickeln. Diese Erfahrung ist, wenn diese sinnvoll in Unternehmenswissen, -kultur, -strukturen, -prozesse etc. überführt wird, ein strategischer Vorteil. Er kann sich aber genauso schnell in einen Nachteil wandeln, wenn der Unternehmensblick zu stark nach innen gerichtet wird, durch Erfolg das Hinterfragen und Weiterdenken der Mitarbeiter einschläft und somit die Dynamik und der Veränderungswille zum Erliegen kommt.“
Nicole Wechsung von Pair Finance
„Traditionelle Unternehmen haben immer noch eine hohe Markenbekanntheit, die oftmals zu einem Vertrauensvorschuss beim Kunden führt. Wie gut sie diesen Vorschuss dann einsetzten, ist sehr unterschiedlich.“
Birte Sewing von Finleap
„Wenn wir in den Finanzdienstleistungssektor gucken, dann haben traditionelle Banken mit Sicherheit (noch) den Vorteil, dass sie bereits eine große Kundenbasis haben, während sich junge Unternehmen diese noch aufbauen müssen. Je einfacher aber KYC- und Onboarding-Prozesse werden, desto unwichtiger wird dieser Vorteil in Zukunft sein.“
Delia König von der Solarisbank
„In Sachen Public Affairs, also klassischer Lobbyarbeit, haben etablierte Player natürlich einen wahnsinnigen Erfahrungs- , Netzwerk- und Ressourcenvorsprung, um den ich sie in meiner täglichen Arbeit so manches Mal beneidet habe. Ob sie ihn sinnvoll einsetzen, steht auf einem anderen Blatt.Vor allem sind sie reflektierter und erkennen aufgrund ihrer langfristigen Erfahrungen in einer komplexen Industrie Risiken mit mehr Weitsicht. Sie sind methodisch sauberer in Strategiefragen, besser vorbereitet sowie geduldiger und realistischer, wenn es um Projekte geht. Sie sind also professioneller in der Umsetzung von Ideen. Leider stehen Ihnen aber genau diese Eigenschaften auch so manches Mal im Weg.“
Cornelia Schwertner von Finleap Connect
„Etablierte Unternehmen verfügen in der Regel über Strukturen und Prozesse, was positiv sein kann aber Entscheidungsprozesse häufig auch deutlich langsamer macht. Sie haben normalerweise bereits eine große Kundenbasis und das Vertrauen der Kunden, was sich Startups erst aufbauen müssen.“
Lea Frank von Anybill
„Es liegt in der Natur der Sache, dass etablierte Filialbanken einen guten Zugang zu ihren Kunden haben. Es ist ein persönliches Geschäft, selbst wenn es dem Kundenservice dort nicht immer gelingt, die Bedürfnisse von Kunden zu erkennen und auf dem Laufenden zu bleiben. FinTechs können manchmal Schwierigkeiten haben, einen ähnlichen praktischen Ansatz zu verfolgen, der den Plänen für ein schnelles Marktwachstum entspricht. Aber dieses Dilemma zu überwinden, ist es gerade, was es zu einem so aufregenden Aufgabengebiet macht.“
Marie Moesgard von Pleo
„In solchen Kategorien sollte man nicht denken, sondern sich vielmehr die Frage stellen: Was können Banken von FinTechs lernen und umgekehrt? Hier lässt sich festhalten, dass Banken von der Arbeitsweise und Philosophie der FinTechs lernen können. Dazu gehört das Ausprobieren von neuen Ansätzen, Improvisation und Flexibilität als Mindset.
Umgekehrt sind ausgereifte Prozesse – wie Banken sie haben – auch notwendig für die mittel- bis langfristige Stabilität und das Vertrauen, das Kunden nur dann aufbauen. Die persönliche Beziehung der Kunden zu ihrem Finanzdienstleister ist dann sicherlich das Ergebnis, auf das FinTechs hinarbeiten.“
Verena Freyer von Lendico
„Etablierte Unternehmen haben meist eine lange Tradition und daher eine bestehende Kundenbeziehung. Insbesondere für ältere Kunden, die gerne den persönlichen Kontakt in der Filiale suchen, ist die bestehende Infrastruktur ein Vorteil. Allerdings bauen derzeit immer mehr Banken ihre Filialen ab, so dass dieser Vorteil zusehends schwindet.“
Jessica Holzbach von Penta