Das Kölner-Start-up hat gut 22 Millionen Euro eingesammelt und plant nun den Schritt nach Südeuropa. Auch die Profitabilität im Heimatmarkt erhofft sich das Unternehmen zeitnah – ebenso wie ein prominentes Werbegesicht.
Die Autobranche ist nicht unbedingt subtil. Das beginnt schon bei den Modellbezeichnungen: Sportwagen haben gerne ein „Turbo“ am Ende des Namens, die Allradvarianten heißen „Cross Country“ oder „Offroad“. Bei den Dienstleistern geht es so weiter. Viele kennen sicherlich den Onlinehändler „wirkaufendeinauto.de“, der – Überraschung – Dein Auto kauft. Und dann gibt es noch „bezahl.de“, eines der erfolgreichsten Fintechs der Branche, dass – man glaubt es kaum – die Bezahlprozesse abwickelt und den Erwerb eines eigenen Pkw so bequem wie den Kauf einer Handtasche machen möchte.
Der sprechende Name ist dabei bewusst gewählt, wie der CFO Markus Wolf im Gespräch mit PAB verrät. „Wir haben mal scherzhaft gesagt: Bevor wir uns nicht Snoop Dogg als Werbeträger leisten können, überlegen wir uns keinen Phantasienamen.“ Die US-amerikanische Rap-Ikone dürfte zwar noch etwas den Budgetrahmen des Start-ups sprengen. Aber auf Wachstumskurs sind die Kölner bereits. Seit Gründung 2018 haben sie über 1.000 Autohandel-Standorte als Kunden gewinnen können, 140 Mitarbeitende gehören mittlerweile zum Team. Gerade erst hat die Firma 22 Millionen Euro eingesammelt, unter anderem vom Payment-Riesen PayPal.
Doch die guten Zahlen könnten das Bild verzerren. Denn bezahl.de bewegt sich in einem Sektor im Umbruch. Seit vielen Jahren wird über Mobilität in Deutschland so hitzig diskutiert wie über kaum ein anderes Thema. Eigentlich sollen die Menschen weniger mit dem Auto fahren, stattdessen Bus, Bahn oder Fahrrad nutzen (die allgegenwärtigen E-Scooter haben ihren Ruf als Zukunftsträger mittlerweile verloren). Agiert bezahl.de hier also in einer sterbenden Branche?
Mehr Umsatz im Autohandel als im E-Commerce
Kunden von NX Technologies, wie das Unternehmen hinter bezahl.de offiziell heißt, sind nicht die Autokäufer, sondern die Händler. „Die haben in der Vergangenheit fast zwei Drittel ihrer Marge durch die aufwendige manuelle Bearbeitung der Zahlungen verloren“, erläutert Wolf. Diese Drittel wollen er und seine beiden Co-Chefs – die Gründer Lasse Diener und Ulrich Schmidt – den Verkäufern zurückgeben.
bezahl.de dockt an die ERP-Software der Händler an, diese können dann darüber ihr gesamtes Rechnungswesen managen. Die Käufer bekommen auf der anderen Seite eine Reihe von Bezahloptionen, fast wie bei jedem Onlineshop. Wobei die Größe der Tickets dazu führt, dass andere Bezahloptionen dominieren als im klassischen E-Commerce. „Kreditkarten spielen eher selten eine Rolle, die klassische Überweisung ist relevanter“, sagt Wolf.
Zumindest mittelfristig muss sich das Start-up überhaupt keine Sorgen über die Entwicklung aud Deutschlands Straßen machen. Allein Anfang 2023 waren so viele Pkw auf deutschen Straßen unterwegs wie noch nie zuvor. Die Umsätze im Neu- und Gebrauchtwarenhandel stiegen 2023, letzterer sogar um fast 17 Prozent auf über 90 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das ist mehr Umsatz als im E-Commerce, der 2023 nur auf knapp 80 Milliarden Euro kam.
Autohändler haben noch mit einem anderen Problem zu kämpfen: den hohen Verkaufspreisen. Denn kaum jemand hat eine fünfstellige Summe einfach auf dem Konto liegen, bereit zur Überweisung. Oft kommt das Geld aus verschiedenen Quellen oder von verschiedenen Konten. Diese verschiedenen Überweisungen zusammenzuführen – die sogenannte Payment Reconciliation – fraß in der Vergangenheit viel Zeit. „Das war das erste Problem, das wir gelöst haben“, erklärt Markus Wolf stolz.
Es sind solche schnellen Ergebnisse, die nötig waren, um die skeptische Autohändlerbranche zu überzeugen. Denn die tun sich nicht leicht damit, ihre hochsensiblen Finanzdaten in die Hände von Externen zu legen, Vertrauen spielt eine große Rolle. „Aber mittlerweile können wir auf zahlreiche erfolgreiche Projekte mit großen Gruppen blicken, das erleichtert den Einstieg“, so der CFO.
bezahl.de plant Expansion nach Südeuropa
Trotzdem ist bezahl.de von Marktdominanz noch weit entfernt. Das Feld ist stark fragmentiert, etwa 30.000 Standorte gibt es hierzulande, längst nicht alle sind in größeren Verbünden organisiert. bezahl.de selbst schätzt, dass man etwa eine einstellige Prozentzahl des Umsatzes der Branche abwickle.
Trotzdem soll nun der Schritt ins Ausland folgen. Italien, Spanien und Frankreich seien interessante Märkte, die man in Angriff nehmen wolle, sagt Wolf. Das Produkt müsse zwar leicht angepasst werden, lokal beliebte Zahlungsoptionen eingepflegt werden, aber dann soll es zeitnah in den neuen Märkten losgehen.
Zugunsten des Wachstums – sowohl national als auch international – habe man bisher auch die Profitabilität hinten angestellt. Die soll nun aber in den kommenden zwei Jahren erreicht werden, zumindest im Kernmarkt Deutschland. Dann klappt es vielleicht auch mit dem Snoop-Dogg-Werbedeal.
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