Wem gehören meine Bankdaten?

Wem gehören meine Bankdaten?

Eine Bilanz-Kolumne von Miriam Wohlfarth zur EU-Richtlinie

Eine neue EU-Zahlungsrichtlinie lässt die Luft für Banken dünner werden: Mit der PSD2 wird erstmals der Kunde Herr über seine Kontodaten und kann entscheiden, ob er sie auch für Smartphone-Apps freigeben möchte. Zuerst erschienen auf welt.de Wem gehören meine Bankdaten? Schon seit Jahren sehen Deutschlands Banken relativ untätig dabei zu, wie Fintechs ihnen das Wasser abgraben. Fintechs sind junge Unternehmen, die im Umfeld der Finanzindustrie technologiebasierte Lösungen anbieten. Egal ob Zahlungslösungen für den Onlinehandel oder intelligente Finanz-Apps zur Geldanlage, fast immer sind es die Underdogs und nicht die großen Bankhäuser, die spannende neue Dienste entwickeln. Um ihr Hauptgeschäftsfeld mussten die Banken indes kaum bangen: Bei Finanzen und Krediten haben sie das Monopol. Das liegt vor allem daran, dass nur sie auf die Kontodaten ihrer Kunden zugreifen können. Genau das ändert sich gerade, und zwar wegen einer neuen EU-Richtlinie mit dem sperrigen Namen PSD2 (Payment Service Directive 2). Diese Richtlinie besagt unter anderem, dass ab 2018 auch Drittanbietern – also anderen Geldhäuser und Fintechs – Zugriff auf Kunden- und Kontoinformationen eingeräumt werden muss. Eine große Neuerung! Wem gehören meine Bankdaten?

Präzedenzfall Sofortüberweisung

Für diese Regelung wird es höchste Zeit, denn viele Fintechs und ihre Kunden bewegten sich in den letzten Jahren in einer juristischen Grauzone. Beispiel Sofortüberweisung: Bei dieser Onlinezahlungsart muss ich meine PIN und TAN an die Anbieter der Sofortüberweisung übermitteln, die dann meinen Kontostand überprüfen. Ist noch genug Geld auf dem Konto, wird meine Überweisung an den Onlinehändler veranlasst.
 In diesem Fall erlaube ich als Kunde jemand anderem die Nutzung meiner PIN und TAN. Aber bei vielen Banken steht in den AGB, dass ich diese Daten gar nicht weitergeben darf. Eine gesetzliche Lücke, die durch die PSD2 geschlossen wird. Nicht nur für die Sofort GmbH, sondern auch für viele andere Anbieter. Im Fall der Sofortüberweisung hat das Bundeskartellamt bereits im Sommer 2016 klargestellt, dass die AGB-Verbote der Banken wettbewerbswidrig sind.
Durch die PSD2 werden endlich nicht mehr nur Banken, sondern auch Fintechs mit kontonahen Dienstleistungen reguliert. Das erleichtert den Markt für alle Beteiligten. Auch für die Banken, die die Zusammenarbeit mit Fintechs bisher unter anderem wegen fehlender Regulierung scheuten. Wem gehören meine Bankdaten?

Banken müssen sich neu aufstellen

Der neu geregelte Kontozugriff gefällt den Banken nicht. Sie wollen keine technische Infrastruktur schaffen, also geeignete Schnittstellen bauen, nur damit jemand anderes mit dem Zugriff auf „ihre“ Kontendaten Geld verdienen kann. Dabei hätten sie sich schon lange als Anbieter intelligenter Finanzprodukte profilieren können, wenn sie rechtzeitig auf den Innovationszug aufgesprungen wären, und müssten jetzt die Konkurrenz nicht fürchten. Spätestens ab Inkrafttreten von PSD2 sind die Banken gezwungen, sich der Digitalisierung und der Kundennachfrage zu öffnen. Für uns als Kunden hat die neue Richtlinie ausschließlich Vorteile: Wir werden zum Souverän über unsere Kontodaten. Wir können entscheiden, wem wir in Zukunft den Zugriff auf unser Konto gestatten. Und wir können von Diensten profitieren, die im Zuge des Datenzugriffs entstehen oder verbessert werden. Das sind zum Beispiel Multi-Banking-Apps wie etwa von Outbank De: Mit einer Anwendung lassen sich Girokonto, Kreditkarte, Tagesgeldkonto, Bezahldienste und Kundenkarten steuern und verwalten. Kontowechselservices wie etwa von Fino, die prüfen, welche Bank im Moment die besten Konditionen für meine persönliche Finanzsituation bietet und mich darauf hinweisen, wenn sich das ändert. Kündigungsdienste wie Aboalarm, die meine laufenden Verträge rechtzeitig kündigen. Buchhaltungs-Tools für Selbstständige wie das von Kontist, das automatisch genug Steuern zurücklegt. Es ergeben sich unzählige Möglichkeiten, wenn Drittanbieter auf meine Kontodaten zugreifen können: Automatisch sparen, Versicherungen abschließen und verwalten, passende und günstige Kredite vereinbaren, individueller Geld anlegen, und so weiter. Inzwischen wagen sich auch die Banken mit eigenen Multi-Banking-Apps auf den Markt, zum Beispiel die Deutsche Bank oder die Consorsbank. Sie haben erkannt, dass ihnen die Kooperation mit Fintechs mehr Vor- als Nachtteile bringt. Unternehmen wie Figo.io bieten hier beispielsweise vorgefertigte Schnittstellen. Wem gehören meine Bankdaten?

Der Markt wird transparenter, günstiger und sicherer

Wer nun Angst hat, dass Fintech-Anbieter ungehemmt auf unsere Konten zugreifen können und ihr Unwesen mit unseren Daten treiben: Diese Sorge ist eher unbegründet. In Deutschland muss jedes Unternehmen reguliert sein, das Zugriff auf Kontoinformationen hat. Indem der Gesetzgeber es Drittanbietern erlaubt, sogenannte kontonahe Dienstleistungen zu erbringen, sagt er damit gleichzeitig, dass diese Anbieter lizenziert werden müssen. Das schützt uns Verbraucher vor schwarzen Schafen, meint auch Cornelia Schwertner vom Fintech Figo.io: „Die PSD2-Richtlinie macht Dienstleister verlässlicher und dadurch den Markt für Konsumenten transparenter und einfacher. Sicherlich werden es eher jüngere Verbraucher sein, die ihre Kontoinformationen teilen, aber auch die breite Bevölkerung sollte die Chancen erkennen, die in PSD2 stecken.“ Zumal ich gezielt meine Einwilligung erteilen muss, wenn jemand mein Konto einsehen will. Egal, ob ein Drittanbieter dies über PIN und TAN tut oder über die von den Banken zu schaffenden Schnittstellen. Wie diese Schnittstellen aussehen werden, steht sowieso noch in den Sternen und ist gerade das große Streitthema der Branche. Meine Prognose lautet: Durch die PSD2-Richtlinie wird der Finanzmarkt für uns Verbraucher vielfältiger, transparenter, bequemer und billiger – wenn wir es denn wollen.  
Zur Autorin: Miriam Wohlfahrt Miriam Wohlfarth ist ein festes Mitglied bei paymentandbanking. Als Gründerin und Geschäftsführerin von RatePay mischt sie seit einigen Jahren die FinTech-Szene auf, und ist mittlerweile ein festes Gesicht in der Branche, dabei engagiert sich gerade für die weibliche Riege in ihrem Arbeitsumfeld. Sie ist Autorin, Rednerin sowie Ideengeberin und Initatorin der Payment-Exchange. Seit geraumer Zeit auch BILANZ-Kolumnistin für die WELT. Die Kolumne werden wir hier künftig regelmäßig abbilden.

Autor

  • André M. Bajorat ist seit fast 30 Jahren in der deutschen Digitalwirtschaft zu Hause. Über die Stationen SK Online, Star Finanz, giropay und Number Four kam er 2012 als Business Angel zu figo. Das Unternehmen führte er von 2014 bis September 2019 als CEO von einer b2c App zu einem von der BaFin regulierten Banking as a Service Provider. Seit 2020 ist er Teil des deutsche Bank Konzerns und seit Mitte 2022 Managing Director bei einem deutschen Assetmanager. Er ist zudem Gründer und Herausgeber des erfolgreichen Branchen-Portals paymentandbanking.com, Podcaster, Investor (figo, Finleap, Loanlink, Sparkdata, Weddyplace, nufin, portify, moss, compa, brygge, embeddedcapital, PlanetA, Naro), Mitglied im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums, aktives Mitglied im Bitkom, Herausgeber des Buches “Köpfe der digitalen Finanzwelt” und international gefragter Speaker. Inhaltliche Schwerpunkte sind Banking, Payment, FinTech, API-Banking, digital Assets und Crypto. Außerdem ist er Mit-Initiator und Ausrichter der Wahl zum „FinTech des Jahres” sowie der Eventreihen Bankathon, Payment Exchange, Banking Exchange und Transactions.io.

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