Was macht eigentlich … Europace?

Als Team von Payment and Banking versuchen wir, einen kontinuierlichen Überblick über die Branche zu behalten und berichten über kleine wie große Fintechs und Insurtechs, über etablierten Banken ebenso wie über Neo-Banken, über digitale Strategien, über große Investitionen nationaler und internationaler Geldgeber, schreiben über Exits und liefern Analysen zu aktuellen Themen.

Manche Unternehmen erscheinen dabei häufiger in der Berichterstattung als andere. Das wollen wir ändern und starten mit „was macht eigentlich …“ eine neue Rubrik, in der wir den vielen tollen Unternehmen der Branche Aufmerksamkeit schenken werden, die einen hervorragenden Job machen, im täglichen Business aber manchmal ein wenig unter dem Radar bleiben. Wir wollen wissen, was die Gründer gerade umtreibt, was Stand der Stunde ist, welche Pläne aktuell verfolgt werden und womit uns das Unternehmen sogar bald überraschen wird.

Dieses Mal sprechen wir in der Rubrik „was macht eigentlich…?“ mit Stefan Münter, Co-CEO von Europace, die größte deutsche Transaktionsplattform für Immobilienfinanzierungen, Bausparprodukte und Ratenkredite. In der größten Produktgruppe der Immobilienfinanzierungen wurden mit über 70 Mrd. Euro in 2020 hier über 20 Prozent aller Immobilienfinanzierungen für Privatkund:innen umgesetzt.

Warum hört man von euch so wenig? Liegt es daran, dass ihr als Tochter von Hypoport unter dem Radar fliegt, oder hat es ganz andere Gründe?

Stefan Münter: Europace ist kein B2C-Modell. Uns kennt man vor allem dort, wo man sich mit Baufinanzierung auseinandersetzt. Unsere Technologie wird von Unternehmen wie Check24, Dr. Klein, die Swiss Life Gruppe oder auch PlanetHome eingesetzt, also Unternehmen, die Baufinanzierung und Ratenkredite vermitteln. Diese Unternehmen sind die Schnittstelle zum Verbraucher, nicht wir. Wer also bei uns anruft und nach einer Baufinanzierung für das Eigenheim fragt, ist bei uns falsch. Der sollte zu einem freien Berater gehen oder zur Bank, Bausparkasse oder auch zu einer Versicherung.

Was genau macht ihr?

Wir liefern die Technologie dafür, dass Privatkredite und private Baufinanzierungen einfacher werden. Dafür liefern wir die Infrastruktur, die Verbindungen und Geschäftsbeziehungen. Das bieten wir Unternehmen, die Verbrauchern helfen, sich den Wunsch vom Eigenheim zu erfüllen. Unsere Kunden und Partner sind die Immobilienfinanzier, die Europace nutzen, um ihrem Verbraucher die richtige und für sie passende Finanzierung anzubieten. Wir liefern die Technologie, gute Beratung zu ermöglichen und vergleichen mehrere hundert Angebote.

Wir haben uns entschieden, ein B2B-Geschäftsmodell zu sein und für alle da zu sein. Innerhalb der Hypoport haben wir mit Dr. Klein eine Konzernschwester, die Baufinanzierung, sowie das Ratenkredit- und Versicherungsgeschäft bedient.

Europace: drei Geschäftsmodelle in einem

Worauf fokussiert ihr euch aktuell am meisten: auf euer Kreditentscheidungssystem für Banken, den Ratenkreditmarktplatz oder den Baufinanzierungsmarktplatz?

Der Baufinanzierungsmarktplatz, denn er ist das größte und wichtigste Geschäftsmodell von Europace.

Täuscht es mich, oder ist die Baufinanzierung ein enorm beratungsintensives Geschäft, das sich digital kaum abbilden lässt?

Das stimmt. In der Baufinanzierung braucht es weiterhin einen physischen Berater und es hat heute gute Gründe, eine Baufinanzierung nicht rein online abzuschließen. Das ist ein komplexer Vorgang, der von sehr vielen Faktoren abhängig ist. Hinzu kommt: Dem Endkunden fehlt die Expertise. Im Durchschnitt macht man eine Baufinanzierung ja nur etwa 0,7 Mal im Leben.

white house under maple trees

In Deutschland wohnen rund 45 Prozent im Eigenheim. Europaweit liegen wir damit weiterhin auf einem der ganz hinteren Plätzen. Die Quote derer, die eine Immobilie besitzen, ist mit 51 Prozent zwar etwas höher, bedeutet aber dennoch, dass 49 Prozent keine besitzen. Transaktion finden somit selten statt.

Wann kommt die automatisierte Baufinanzierung?

„Digitale Sofortness“ findet in der Baufinanzierung noch nicht statt. Es steckt zu Vielfalt im Produkt und jeder Kunde hat Vorlieben und individuelle Möglichkeiten. Sicher gibt es mittlerweile eine Art „digitale Erwartung“ und der Verbrauchers wird immer stärker in die Wertschöpfung integriert. Die Beratung aber wird weiterhin bleiben, denn Menschen vertrauen Menschen. Rein technologisch können wir jedoch mittlerweile über Machine Learning und multidimensionale Felder bereits vorab ermitteln, wie finanziert werden wird – in Deutschland sind übrigens 85 Prozent annuitätische Darlehen.

Das klingt so, als ob die KI gerade ein großes Thema bei euch wird….

Künstliche Intelligenz und Big Data sind schon lange ein Thema bei Europace. Wir haben 2017 die erste große KI-Anwendung integriert und können heute das Bauchgefühl des Beraters abbilden und ermitteln, zu welcher Bank ein Kunde passt.

Haben die Banken daran nicht großes Interesse daran, hier gelistet zu werden?

Gefragt, ob unsere Bankpartner glücklich waren, dass wir dieses Feature gebaut hat? Ja da war die Antwort sehr ambivalent. Niemand möchte die Bank sein, bei der das Feature letztendlich entscheidet, dass der Kunde nicht passt. Diese Entscheidung möchte die Bank am Ende selbst treffen.

In die Zukunft gedacht: Könnte es perspektivisch in der Baufinanzierung individualisierbare Produkte geben, die ausschließlich auf den einen Kunden zugeschnitten sein werden?

Ich denke, davon sind wir noch weit weg. Das würde heute regulatorisch nicht funktionieren, denn die Produkte werden von der BaFin abgenommen und auch das Risk Management hat einen Blick darauf. Ein „dynamic pricing“ wie beispielsweise bei Fluggesellschaften, wäre sicher noch denkbar. Aber auch das sehe ich in den nächsten Jahren nicht. Heute sind wir wenigstens im risikoadjustierten Pricing.

Was hat sich seit Ausbruch der Pandemie in der Baufinanzierung verändert und was habt ihr davon zu spüren bekommen?

Am Anfang des 1. Lockdowns haben wir bei Europace ein Szenario durchgespielt und versucht einzuschätzen, was die Situation für das Unternehmen bedeutet. Optimistisch gerechnet dachten wir, 50 Prozent Geschäft zu verlieren, pessimistisch sind wir von 80 Prozent ausgegangen. Das Interessante war: Genau das Gegenteil ist eingetreten. Wie kann das sein? Meine Hypothese ist: In der Krise sind ja in dramatischer Weise vor allem Berufe im Niedriglohnsektor getroffen worden. Diese Gruppe hätte sich auch vor der Pandemie womöglich keine Immobilie gekauft.

Tatsächlich war Corona für uns ein Beschleuniger des Geschäfts. Im ersten Lockdown merkte jeder, wie schön ein Eigenheim mit Terrasse und Garten ist. Die Nachfrage nach Immobilien ist dadurch gestiegen. Unser Problem ist vielmehr, dass es einfach zu wenige Immobilien gibt. Wer jemals den Prozess zur Baufinanzierung durchlaufen hat, stellt fest, dass diese im Vergleich nichts zur Schwierigkeit ist, ein passenden Objekt zu finden.

„Corona war für uns ein Beschleuniger des Geschäfts.“

Gleichzeitig hat Europace davon profitiert, dass viele Prozesse digitalisiert werden und dass sich Finanzierungssummen erhöhen. Außerdem haben wir immer mehr Partner im Regionalbankensektor, die auf unsere Technologie setzen und wir darüber wachsen. Wir haben ein Plus von 28 Prozent in der Baufinanzierung im letzten halben Jahr erlebt – Zahlen, die auch mich überrascht haben.

Ihr habt vor einiger Zeit euer Unternehmen auf das holokratische Prinzip umgestellt. Was waren die Gründe hierfür?

Wir haben uns 2015 bei Hypoport die Frage gestellt wie wir damit umgehen, dass wir unterschiedliche Geschäftsmodelle mit unterschiedlichen Anforderungen haben und die Komplexität immer weiter gestiegen ist? Eine Antwort lautete, dass wir uns als Konzern in kleineren, autonome, Einheiten organisieren. Sprich: So autonom wie möglich, so zentral wie nötig. Die Unternehmen erhalten die Autonomie, sich selbst zu organisieren.

Was bedeutet das konkret?

Die Holakratie ist ein Unternehmensorganisationsmodell, bei welchem Verantwortung verteilt wird und das die Frage beantwortet: Wo werden welche Entscheidungen getroffen und welche Rolle ist dafür verantwortlich. Dabei schauen wir die Rolle und nicht auf den Menschen, der sie inne hat. Dabei gibt keine starren Hierarchien mehr, sondern es funktioniert wie ein Netzwerk, wie ein Organismus. Die Holakratie hat den Vorteil hat, dass es ein festes Regelwerk gibt, wie sich das Netzwerk aus der Verantwortung organisiert und es gibt die Verfahren vor die es braucht, um Spannungen zu verarbeiten. Damit erkennen wir auch an, dass Entscheidungen nicht in der Spitze getroffen werden müssen, sondern dort, wo die Wertschöpfung stattfindet. Für Unternehmen mit hoher Komplexität und Dynamik ist es klar das bessere Modell.

Ich habe gesehen, dass ihr erstaunlich persönlich auf eurem Blog kommuniziert. Überraschend, wo ihr doch ein Technologieunternehmen seid.

Wir verstehen uns als kooperatives Geschäftsmodell wollen daher nahbar und transparent zu sein. Erfolgreich sind wir nur dann, wenn es unsere Kunden es sind, denn wir verdienen erst, wenn eine Transaktion stattgefunden hat. Vom Modell der Tagessätze haben wir uns vor langer Zeit verabschiedet. Unsere Aufgabe bleibt ganz einfach: wir machen Finanzieren mit Leichtigkeit. Für alle, die mit uns den Weg gehen wollen.

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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