Keine Konferenz im Finanzdienstleistungsbereich kommt derzeit ohne obligatorische “FinTech Pitches”aus und Banken nutzen FinTechs sogar für interne Mitarbeiterschulungen bei der Digitalisierung. Wer ist willfähriges Opfer? FinTech Unternehmer! Wann zieht endlich das Business-Case-Denken bei Pitches ein? Ein Appell für mehr relevante Pitches statt Pitcheritis! FinTech ist ein heißes Thema und seit Jahren in aller Munde in der Finanzdienstleistungsindustrie. Was sind denn diese FinTechs, welche Ideen haben sie, welche Typen stecken dahinter…? Da viele, vor allem Mitarbeiter aus klassischen Banken und Sparkassen, diese Fragen im Kopf haben, ist der Informationsbedarf sehr stark. Angetrieben wird dies noch, wenn der Vorstand plötzlich davon redet das Institut müsse jetzt ein Technologieunternehmen werden. Leider ist, wie bei vielen Trends, das Pendel einmal wieder zu stark ausgeschlagen. Leider zulasten der FinTech Unternehmer, wie ich in den letzten Monaten und Wochen vermehrt erleben musste. Das Hecheln nach der Möhre von FinTechs kostet Zeit, schrieb André Bajorat im Jahr 2015. Leider sehe ich derzeit Tendenzen, dass das Hecheln sehr einseitig missbraucht wird. Daher hier ein kleiner Appell der Vorsicht an FinTech-Gründer.

Vorsicht vor der ansteckenden Krankheit “Pitcheritis”

Die allererste Frage, die sich ein FinTech stellen sollte, ist: Warum soll ich überhaupt pitchen und was bringt es? Eigentlich machen Unternehmen das nur aus maximal drei Gründen:
  • Das Unternehmen befindet sich im Funding-Modus und sucht Geld
  • Das Unternehmen sucht einen Kunden/Kooperationspartner
  • Das Unternehmen/der Unternehmer versucht sich einen Namen zu machen.
Da sollte man sich und die Einladenden sehr konkret fragen: Warum überhaupt? Für diese Gründe stellen sich Unternehmer auf eine Bühne, erklären ihre Geschäftsidee, teilen z.T. sensitive KPIs und geben Dritten (idR ohne Geheimhaltungsvereinbarung) viele Informationen ihrer Idee preis. Nur gibt es angesichts der Inflation von Events mit FinTech Pitches dort jeweils überhaupt potente Kapitalgeber oder Bankmitarbeiter, die ernsthaft nach neuen Kooperationspartnern suchen? Bei der absolut überwiegenden Mehrheit der Konferenzen zu denen man mich in den letzten Monaten zum pitchen locken wollte, ging es eben nicht um Funding oder Geschäftsanbahnung, sondern eher um “Entertainment” durch FinTechs. Warnung vor Pitcheritis und FinTech-Bankerbespaßung...Warum diese Pitches

Let me entertain you…ähhh

Ein konkretes Beispiel: Bei einer recht großen und bekannten Konferenz pitchte vor einiger Zeit ein neuer, spät gestarteter x-beliebiger me-too Robo-Advisor, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe. Nach dem Pitch gab es die obligatorische Q&A Session. Statt relevante Fragen zu stellen wie sich das StartUp von seinen vielen anderen, schon deutlich etablierteren Vorbildern differenziert, wie es denn genau Kunden gewinnen möchte, wie die bisherigen Kundenakquise-Resultate waren, wie sich die Conversion darstellt etc. fragten die Anwesenden, überwiegend Vertreter von Banken, nach rein operativen Themen: Wie erfolgt die Anteilstückelung der ETFs, wie genau erfolgt das Trading, wie die Abrechnung… Es war sehr schnell klar: Hier war offensichtlich kein Einziger der Anwesenden auch nur eine Sekunde an einem Investment oder gar an einer Kooperation mit dem StartUp interessiert, sondern es ging den Fragestellern ausschließlich um operativen Know-How-Transfer vom FinTech, damit man so etwas in-house kopieren kann! Liebe Gründer & Fintech-Manager: Das StartUp-Leben ist viel zu kurz für eine solche Zeitverschwendung, daher fragt Euch zuerst: Warum sollte ich überhaupt pitchen und wo liegt der Mehrwert fürs StartUp? Wenn Ihr von anderen zum Pitch eingeladen werdet, fragt vorher ganz genau nach: Wie ist die Zusammensetzung der Teilnehmer? Sind überhaupt die Entscheidungsträger des spezifischen Fachbereichs der Bank vorhanden mit dem man in Kontakt treten möchte? Sind diese Banken bzw. Abteilungen überhaupt offen für Partnerschaften und gibt es dort schon Beispiele für erfolgreiche FinTech-Kooperationen? Sind überhaupt konkret Investoren vorhanden, die auch in der entsprechenden Phase Eures StartUps investieren wollen? Gibt es Referenzen von anderen StartUps, die durch die gleiche Veranstaltung schon zu einem Abschluss gekommen sind? Wenn die meisten Antworten auf diese Fragen “Nein” sind, lasst einfach die Finger davon – es sei denn Ihr wollt einfach ein Pitchtraining für Eure persönliche Schulung haben, oder einen unbezahlten Pausenclown-Job annehmen. Sagt mehr Pitches ab als Ihr annehmt, geht mit Eurer Zeit genauso um wie mit den anderen begrenzten Ressourcen im StartUp. Investiert Pitch-Zeit nur dann, wenn ein Return auch wahrscheinlich ist und zögert nicht dies auch so deutlich den Anfragenden mitzuteilen! Warnung vor Pitcheritis und FinTech-Bankerbespaßung...Warum diese Pitches

Vorsicht vor “Bankerbespaßung” bei In-House Mitarbeiterschulungen

Leider hat eine sehr schlechte Einstellung einzelner Banken mittlerweile Schule gemacht: Bankmitarbeiter-Trainings für “diese Digitalisierung” pro bono durch hungrige junge FinTechs, die ja alle soooo heiß auf Bank-Partnerschaften und -Kontakte sind. Einzelne und zum Glück bisher sehr wenige Kreditinstitute, scheinen diesbezüglich derzeit leider sehr schmerzbefreit FinTechs schlicht auszunutzen. Da kommt z.B. eine Einladung einer Bank für einen Austausch mit Führungskräften, die sich “der Herausforderung stellen, die digitale Transformation voranzutreiben”. Sie wollen Pioniere kennen lernen “die bereits bewiesen haben, dass “Digital” ihre Muttersprache ist.” In der Einladung stand jedoch nicht, ob die Führungskräfte nun im Privat- oder Firmenkundengeschäft tätig sind und überhaupt inhaltlich mit der StartUp-Idee etwas anfangen können. Außerdem nicht, was für die StartUps dabei überhaupt herausspringt außer: “Ihr beeindruckt mit Eurem digitalen KnowHow”. Kein Wort z.B. zu möglichen Kooperationen als Intention oder Outcome. Kosten des Events fürs StartUp: KEINE – es wird von der Bank sogar die Verpflegung übernommen – wow, guten Appetit liebe Gründer! Das heißt aber vor allem sehr konkret: Die Kosten für die Bank sind minimal und sie spart sich die üblichen Beraterkosten, obwohl es auch für Digitalisierungskompetenz zig Berater gibt. Auch kann man richtige Entrepreneure gegen Honorar engagieren, die Trends und “Tech-Denke” sehr anschaulich anhand ihrer persönlichen Erfahrung erklären. Aber warum einen Berater bezahlen, wenn man FinTechs findet, die Gleiches, lediglich für ein kostenloses Mittagessen machen… Liebe Gründer ihr kennt doch den Spruch “there’s no free lunch”, oder? Diese Redewendung gilt auch in diesem Kontext! Ich möchte jedoch nichts Schlechtes unterstellen. Vielleicht wurde in der Eile des Digitalisierungsdrucks dieser Bank im Einladungstext auch einfach nur vergessen, dass die Bank über diesen Kanal jetzt auch ernsthaft neue Kooperationspartner sucht… wer weiß…? Warnung vor Pitcheritis und FinTech-Bankerbespaßung...Warum diese Pitches

Wir würden sie gerne zu uns einladen…wir brauchen nur kurz ihre Daten

In einem anderen, aber sehr ähnlichen Fall wurden die Credit-Analysten einer Bank geschult, sich näher mit den Spezifika von Digitalunternehmen auseinanderzusetzen. Deswegen sollten “erfahrenere FinTech/StartUps” dazu eingeladen werden und durften sich und ihre Business Cases präsentieren. Es wurde erwartet, dass man vorab sämtliche Businessinterna (detaillierter Business Case, Bilanz, P&L, KPIs, detaillierte Ops-Kosten etc.) den Analysten für ihre Analyse zur Verfügung stellt! Natürlich ganz ganz sicher, unter einer Geheimhaltungsvereinbarung! Wenn man “weiter” kommt, winkt eine mögliche Kooperation mit der Bank. Dumm nur, dass die Bank genau dann bereits sämtliche Internas und Kosten des StartUps kennt, wenn es dann irgendwann im besten Fall um Preisverhandlungen bei der Kooperation geht. Auch hier läge eine extrem einseitige Verhandlungssituation vor, es sei denn das StartUp hat sich den Wünschen der Bank von Anfang an widersetzt und schlicht die Zahlen nicht zur Verfügung gestellt. Warnung vor Pitcheritis und FinTech-Bankerbespaßung...Warum diese Pitches

Fazit oder hört jetzt genau zu…!

Leider sind diese Fälle oben nicht erfunden und nur die Spitze des Eisbergs an Dingen, die zumindest mir so regelmäßig “angeboten” werden. Diese tatsächlich so erlebten Extrembeispiele nehmen derzeit leider aber zu! FinTech-Gründer lasst Euch nicht ausnutzen und geht sehr sorgsam mit Eurer Zeit um, denn anders als die lernwilligen Banker aus den oben genannten Beispielen, habt ihr nicht das Ruhekissen eines Konzerns im Hintergrund, auf dem ihr Euch ausruhen könnt. Bleibt selbstbewusst, fragt nach, was der Outcome ist, wer die Zielgruppe ist und wenn es nicht passt: Sagt einfach “Nein” oder fragt nach einem üblichen Beratungs-Tagessatz wie ein Consultant! Last but not least…Eines ist ganz wichtig und soll an dieser Stelle nicht vergessen werden: Es gibt sie natürlich auch, die seriösen Banker, die wirklich an Kooperationen mit FinTech/StartUps auf Augenhöhe interessiert sind, oder das schon längst für beide Seiten erfolgreich operativ leben: Es gibt eine Vielzahl von Bank-FinTech Kooperationen, die beiden Parteien Spaß machen und sowohl das StartUp, als auch die Bank voran bringen. Daher soll “Bankerbespaßung” bitte nicht als pauschales “Bankerbashing” missverstanden werden.

1 Kommentar

[…] Warnung vor Pitcheritis und FinTech-Bankerbespaßung […]

7. August 2017
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