Das war ein ziemlicher Paukenschlag. Eine in Warschau ansässige Company ohne Website und ohne Linkedin-Profil namens Crastorehill übernimmt die zwei verbliebenen, relevanten selbständigen deutschen PSD2/API-Fintechs. Qwist aus Berlin und Ndgit aus München. Das ganze passiert in einer Art Buy-and-Built-Strategie wie sie Private Equity Firmen anwenden, eigentlich bei profitablen Geschäftsmodellen. Qwist, früher besser bekannt unter dem Namen Finleap Connect, entstand bereits aus einer Fusion: figo schloss sich zusammen mit dem ersten Finleap Venture namens Finreach. Nun also ein weiterer Schritt zur Konsolidierung. Warum kam es dazu und welche Fehler wurden gemacht, dass die deutschen Fintechs nicht so groß sind wie Yapily, Token, Plaid oder Truelayer?

Viel Hoffnung, viele Player, viele geplatzte Seifenblasen-Bewertungen

Wenn wir das Rad ein wenig zurückdrehen und in eine unserer alten Infografik “Deutsche FinTech Übersicht” schauen, gab es einige Player, die früh die Chancen von Openbanking und PSD2 für sich entdeckten. Kurz ein wenig Geschichte zu den relevantesten Protagonisten:

  • figo 2011 gegründet, mit ursprünglichen Investments der Deutschen Börse und des HighTech Gründerfonds, fusionierte 2019 mit Finreach (2014 gegründet). Finreach war das erste Venture des Company Buildes Finleap und agierte ebenfalls im Openbanking-Segment, vor allem zu Kontowechselservices. Die fusionierte Gesellschaft firmierte unter dem neuen Namen Finleap Connect und sammelte danach nochmals €22 Millionen ein vom Softbank-Ableger SBI und Ilavska Vuillermoz Capitel. Damals lag die Bewertung im „dreistelligen Millionenbereich“ und die neue Company wurde Anfangs von Ramin Niroumand selbst geführt. 
  • FinAPI wurde 2008 gegründet und 2019 zu 75 % von der Schufa übernommen. Diese schien mit der Übernahme entweder nicht so glücklich gewesen zu sein oder wollte die Gunst der Stunde zu einem lukrativen Exit nutzen. 2022 sollte die Company an den britische Wettbewerber Yapily zu einem “hohen zweistelligen Millionenbetrag” verkauft werden. Nur acht Monate später platzte der Deal aufgrund fehlender “regulatorisch erforderlichen Vollzugsbedingungen” seitens Yapily. Obwohl die Schufa weiter auf die Übernahme pochte, scheint es rückblickend so, als habe Yapily die dunklen Wolken bei Fundingsituation und Bewertungen kommen sehen und sich noch rechtzeitig formell aus der Vereinbarung “herausgedealt” zu haben.
  • FinTecSystems 2014 gegründet aus einem Team der ehemaligen Sofortüberweisungs-Truppe scheint aus heutiger Sicht der einzige wirkliche Gewinner zu sein. Das schwedische Openbanking-Fintech Tink übernahm 2021 die Company für €120 Millionen, nur um wenige Monate danach sich selbst für €1,8 Mrd. an VISA zu verkaufen. 

Finleap Connect und Ndgit waren nun offensichtlich eher günstige Übernahmen. Betrachtet man deren letzte Bilanzen im Unternehmensregister und Presseberichte über Probleme inkl. signifikante Entlassungen bei Qwist (ehem. Finleap Connect), so scheint die Bewertung beider Fintechs maßgeblich unter denen der „goldenen Jahre“ zu liegen. Ein Meltdown. Die beteiligten Unternehmen wollten sich nicht äußern, ob und wie viel Geld überhaupt an die Altinvestoren geflossen ist. Das alleine ist schon ein deutliches Zeichen.

Wie konnte ein so hoffnungsvolles Segment wie Openbanking in Deutschland so stark zurückfallen? An Ideen, Funding und erfahrenen Gründern und Managern kann es jedenfalls nicht gelegen haben? Warum schafften es britische, schwedische und US-amerikanische Openbanking-Player einmal mehr international eine so starke Marktdominanz zu schaffen? Die Grundlagen des Openbanking und PSD2 wurden schließlich in Deutschland mit dem HBCI-Standard aus dem längst vergessenen BTX (Bildschirmtext) geschaffen.

Was sagen die Experten dazu?

Stefan Krautkrämer

German Engineering + German Angst = German Open Banking Success?

OnlineBanking gab es schon vor meiner Geburt. BTX (BildSchirmText) startete 1980 und seit 1998 dann auch übers Internet dank HBCI – Homebanking Computer Interface: Und Open Banking war geboren! Ein erfolgreiches und wegweisendes Projekt der deutschen Banken. 

Deutschland war damit lange vor der PSD2 der Pionier im OpenBanking.

Einziger gedachter Anwendungsfall: Homebanking. 

Andere innovative Anwendungsfälle wie sofortüberweisung wurden von den Kreditinstituten bekämpft. Dabei wurde das Onlinebanking gratis ohne Entwicklungsaufwand  zu einer mächtigen Internet Bezahlart und ein echter Mehrwert für ein Girokonto. 

Die PSD2 legitimierte eben diese neuen innovativen Geschäftsmodelle. Die Schnittstellen hätte es gar nicht gebraucht, die gab es dank HBCI – FinTS bereits.  Leider setzte es jedes Institut etwas anders um.  

Der europäische Mitbewerber konnte auf der grünen Wiese beginnen. Wenige aber große Banken, aufgeschlossen für Startups. Eine Regulierung die sich als Wegbereiter versteht und ein Produkt Mindset: “Lieber mal die Vision verkaufen, das Produkt baut sich dann schon irgendwie“, schaffte Geschwindigkeit und lockte größere Investoren Fundings. 

Irgendwie ein Deja Vue, wurden hierzulande nicht auch Computer, Telefon und Automobil erfunden?

Letztlich stehen wir uns wiedermal schon selbst im Weg. Haben tolle Ideen. Bauen tolle Produkte, verzetteln uns in Perfektion und später überholt einen der bedingungslose Markt.

Nicht der, der die Idee hatte, nicht der, der es Erfunden hat, sondern der, der es erfolgreich vermarktet, gewinnt. 

Cornelia Schwertner

Vor drei Jahren gab es in der EU im Zuge der PSD2 mehr als 400 Nicht-Banken-TPPs, die eine Erlaubnis als PISP und/oder AISP erhalten hatten (noch inklusive UK). Durch unsere deutsche Sofort-Geschichte war der deutsche Open Banking bzw. der PSD2/API Markt, d.h. unsere Technologie, Anbieter und das Produktangebot zu diesem Zeitpunkt weltweit und auch innerhalb von Europa am weitesten fortgeschritten, denn durch unsere Bankendichte von Beginn an hochkomplex.

Einzelne Platzhirsche im Ausland waren währenddessen zur richtigen Zeit bereit ihre EU Expansion, dank PSD2 Passporting und weniger komplexer eigener und anderer EU Märkte, voranzutreiben. Dann prallten sie auf den deutschen Markt. Mit den Girokonten der Top 5 deutschen Banken, die sie anfangs über PSD2 Schnittstellen abdeckten, ließ sich hier allerdings kein Blumentopf gewinnen.

Parallel waren die deutschen Platzhirsche in dieser Phase mit sich selbst und bis auf die Ebene einzelner API Calls (!) mit der deutschen Banken Lobby beschäftigt. Denn sie mussten mit bestehenden Großkunden, komplexen Live-Umgebungen und hunderten Bankanbindungen auf die neuen Schnittstellen umstellen. Und während Kunden der PSD2/API-Anbieter, inklusive innovative Produktentwickler bei Banken, darunter litten, zerkämpften deren Lobby Abteilungen progressive Initiativen für diese Situation. Wir haben es nicht geschafft an einem Strang zu ziehen, um das große Potential für den Gesamtmarkt gemeinsam auszubauen.

In einer Phase der Selbstbeschäftigung mit dem Substanzgeschäft waren für deutsche PSD2/API-Anbieter weder große Wachstums-, Produktausbau- noch Fundingschritte realistisch. Vor allem wenn man diese Challenge als Startup-Management und von Investorenseite zusätzlich unterschätzte und meinte parallel expandieren und Produktausbau betreiben zu können.

Auf der anderen Seite standen die oben erwähnten agilen weil leanen, gut finanzierten, erfolgreichen ausländischen Player, die realisierten, den deutschen Markt nur durch den Kauf hiesiger Anbieter knacken zu können.

Et voilà.

Andre M. Bajorat

Ein bisschen war es zu erwarten. Nach der Euphorie der Anfangsjahre vor und mit der PSD2 ist der deutsche open banking Markt in den letzten Jahren in Teilen resigniert und von Anbietern aus anderen Ländern überflügelt worden. Zwar ist open banking in Prozessen und Produkten angekommen, aber wie es scheint, sind es nur bedingt die eigentichen Erfinder des Openbanking, die auch die mittel- und langfristigen Profiteure sind. Nach dem Verkauf von FintecSystems an tink sowie dem versuchten zweiten Verkauf von Finapi sind nicht mehr so viele Player über geblieben. Banksapi war immer unter dem Radar, Subsembly als bootstrapped Lösung eher in einer anderen Kategorie, blieben noch zwei VC-finanzierte Player über. Der eine mehr auf der use case Seite – Finleap Connect – der andere eher auf der Seite der API für die Bankenseite – ndgit. Beide sind jetzt also eins – fühlt sich das wie eine Liebeshochzeit an: eher nicht. Ich bin gespannt ob die Story aufgeht. Weg gehen wird das Thema Open Finance auch wegen sowas wie Instant-Payment oder der letzten Meldung von Apple in UK das Bankkonto zum Teil des iOs zu machen, sicher nicht mehr.

Ps:  In einem weiteren Artikel widme ich mich in den kommenden Tagen mal den Fehlern die wir bei figo über die Zeit machten. 

Klaus Igel

Deutschlands Rolle im OpenBanking erinnert an frühere Szenarien: Wir entwickeln bahnbrechende Technologien wie MP3, LCD oder Mobilfunktechnologie, lassen aber deren kommerzielle Potenziale ungenutzt und überlassen diese dann ausländischen Firmen. Beim OpenBanking wiederholt sich dieses Muster – trotz vorhandener leistungsstarker Banking Connectivity wie HBCI/FinTS/EBICS gelang es uns nicht, diese im Zuge der PSD2-Einführung 2019 effektiv zu modernisieren und kommerziell davon zu profitieren.

Stattdessen wurde ein minimalistischer Ansatz gewählt, der uns auf die Verwendung von Zahlungsverkehrskonten, Konto-/Salden-/Umsatzabfragen, Einzelüberweisungen und ein Wirrwarr an Zugangswegen beschränkte. Dies stellt einen dramatischen Rückschritt dar, erkennbar beispielsweise an der reihenweisen Abschaltung von Multibanking-Lösungen bei Banken. Weder funktional noch bei der Benutzerfreundlichkeit wurde anfangs (und in weiten Teilen bis heute) ein gleichwertiger Ersatz zu den vorherigen Lösungen auf Basis von FinTS geschaffen.

Ausländische Anbieter haben diese Chance dank ihres dynamischeren Investitionsumfelds und ihrer größeren Risikobereitschaft gut genutzt, um einerseits technologisch aufzuholen und andererseits den Markt zu erobern. Die gezielten Zukäufe deutscher Anbieter, z.B. von Fintecsystems durch tink, haben diesen Prozess entsprechend begünstigt und beschleunigt.

Trotzdem sehe ich im aufkommenden Open Finance auch eine Chance, bei der wir (letztmalig?) vom Fundus der vorhandenen HBCI/FinTS/EBICS Funktionalität profitieren können: z.B. bei der Nutzung weiterer Konto- und Zahlungsarten, einheitlichen und flexiblen Authentifizierungssystemen und der erweiterten Nutzung durch alle Marktteilnehmer.

Lars Markull

Bei einer Analyse vom mangelnden Erfolg der Open Banking Firmen “made in Germany”, sind einige Dinge sehr offensichtlich. Eines der Argumente, warum Deutschland im Bereich Open Banking eine gute Startposition hatte, war immer, dass wir dank HBCI einen starken Vorsprung gegenüber anderen Ländern haben. Damals waren wir der Meinung, dass HBCI uns helfen wird, erfolgreich zu sein. Mittlerweile ist klar, dass es (zumindest kein ausreichender) Vorteil war. Jetzt mit etwas persönlichem Abstand überlege ich, ob es vielleicht sogar ein Nachteil war?

Sicherlich kann man über die folgenden Punkte argumentieren, aber für mich fühlt es sich so an, als ob HBCI bewirkt hat:

  1. Wir hatten viel mehr Open Banking Anbieter als es für den Markt wirklich notwendig war. Die Folge waren viele lokale “Kämpfe”. Dadurch konnte keiner dieser Anbieter wirklich stark an Expansion denken, wenn der eigene Heimatmarkt noch so umkämpft ist.
  2. Die Historie von HBCI hat in meinen Augen häufig mehr Komplexität als das sie wirklich geholfen hat. Open Banking wurde nicht immer als wirklich neues gesehen, sondern etwas, das wir schon dank HBCI haben. Der Wille, Dinge zu ändern oder zu verbessern, war dadurch oft geringer.
  3. Dank HBCI waren einige Open Banking Anwendungsfälle relativ einfach umsetzbar. Dies hat indirekt einige Anbieter motiviert, noch viel größer und breiter zu denken. Rückblickend wäre ein stärkerer Fokus definitiv besser gewesen, und vielleicht wär dies ohne HBCI auch nicht anders möglich gewesen.  

Ich habe persönlich als Teil von figo von 2014 bis 2019 daran gearbeitet, Open Banking “Made in Germany” zum Erfolg zu bringen. Vermutlich könnte ich noch eine viel längere Liste an Dingen nennen, die ich rückblickend persönlich anders gemacht hätte. Aber aus einer Marktperspektive denke ich immer häufiger darüber nach, wie es Deutschland ohne HBCI ergangen wäre. Vielleicht besser? Who knows.

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