So will Re:cap expandieren

Fintechs, die Firmen mit Fremdkapital versorgen, tun sich schwer. Doch dem Start-up Re:cap scheint das zu gelingen. Nun plant Gründer Paul Becker die nächsten Schritte. Doch ist die Nische, in der sich das Start-up bewegt, dafür vielleicht zu klein?

Deutsche Finanzierungs-Start-ups: Das ist bisher oft eine traurige Geschichte. Denn obwohl es immer wieder Gründerinnen und Gründer versuchen, werden ihre Unternehmen aufgekauft, oder sie scheitern. So wurde etwa Creditshelf durch den Schweizer Konkurrenten Teylor übernommen und Lendico von der ING – der Kreditmarktplatz Crosslend implodierte vergangenes Jahr gleich wegen bilanzieller Überschuldung.

Und dann gibt es die Geschichte von Paul Becker und Jonas Tebbe, die Geschichte von Re:cap, die eine Erfolgsgeschichte ist. Zumindest Stand jetzt. Denn man muss bei derart jungen Unternehmen immer etwas vorsichtig sein, zu viel kann noch schief gehen – zu euphorisch können die Einschätzungen von Investoren in dieser Phase sein. Doch immerhin hat es das Fintech geschafft, in diesem Sommer eine Finanzierungsrunde durchzuziehen. In einer Phase, in der Investoren eher zurückhaltend sind, schwebt Geschäftsführer Becker auf Gründer-Wolke 7. 

Re:cap bewegt sich in einem engen Markt

Re:cap gibt einerseits Geld an Firmen, die sonst meist keine Kredite bekommen. Entweder weil ihnen selbst die Konditionen der Banken nicht gefallen, oder die Geldhäuser nicht bereit sind, ihnen eine Finanzierung zu gewähren. Das kann sich zum Beispiel für Unternehmen lohnen, die noch ein Jahr brauchen, um profitabel zu werden und nochmal Geld zur Überbrückung brauchen oder welche, die vielleicht gerade ihre Produktion ankurbeln wollen und dafür kurzfristig mehr Geld benötigen. Es kommen also vor allem Firmen in Frage, die schon verlässlich Umsätze generieren oder sehr bald generieren werden. Das mag sich nach einer ziemlich kleinen Schnittmenge anhören. Doch seit Mai 2022 hat das Start-up nach eigenen Angaben über 300 Mal gesagt: Ja, euch geben wir Geld. 

Um das ganze so risikoarm wie möglich zu halten, nutzen Becker und sein Kollege dafür das Geld von Banken. Re:cap verdient am Ende Geld, indem es einen Teil der Finanzierungskosten, welche die Unternehmen haben, einbehält, der andere Teil geht an die Partnerbank. Das sei ein durchaus „interessantes Geschäftsmodell“, sagt ein Wagniskapitalgeber zu PaymentandBanking. Doch es habe seine Grenzen: „Solche Finanzierungsideen werden Investoren-Geld nicht ersetzen können“, meint er. Denn viele Start-ups würden eher in Richtung Eigenkapital denken. Und wirklich stabile Unternehmen gingen ohnehin direkt zu einer Bank, von der sie dann auch einen Kredit bekämen.

Laut Becker ist die Nische aber groß genug. Und ein Jahr lief alles ziemlich gut für Re:cap, dann überschlugen sich die Ereignisse. Die Silicon Valley Bank, die dem Start-up als Finanzierungspartner gewissermaßen einen Geldtopf zur Verfügung stellte, geriet in Schieflage, weil überraschend viele Kunden Geld abgehoben hatten. Die Bank wollte daher schnell neues von Investoren einsammeln, scheiterte aber. „Das hatte kaum einer kommen sehen. Innerhalb von zwei Tagen war die Bank pleite“, erinnert sich Becker an diese Phase. Es war der größte Kollaps einer Bank seit der Weltfinanzkrise 2008.

Mit dem jähen Ende der Silicon Valley Bank 2023 passierte etwas, was Re:cap unbedingt verhindern wollte: „Wir hatten uns damals bewusst für so einen großen, krediblen Partner entschieden“, sagt Becker. Denn die Finanzierungen sollten beständig sein. Unternehmen sollten sich sicher sein können, dass das Geld auch wirklich kommt, das sie einkalkulieren. Und dann das. 

Re:cap hatte Glück im Unglück. Der vereinbarte Rahmen mit der Silicon Valley Bank hatte noch ein paar Monate Bestand. Mit der HSBC fand das Start-up dann einen neuen Finanzierungspartner. Und bisher auch einen stabilen.

Re:cap ist auf dem Weg zum Datenanbieter

Heute kann Becker auf diese Zeit entspannt zurückblicken. Sein Start-up konnte zuletzt sogar seine Produktpalette erweitern. Anfangs kümmerte sich Re:cap nur um die Finanzierungen von B2B-Unternehmen aus dem Software-as-a-Service-Bereich und das auch nur mit einer Kreditlaufzeit von bis zu einem Jahr. Diesen Markt konnte das Start-up mit seinem eigenen Analysemodell einschätzen. Inzwischen können Unternehmen auch eine Finanzierung mit einer Länge von bis zu fünf Jahren beantragen. Dabei können sie innerhalb gewisser Grenzen selbst entscheiden, wann sie ihren Kreditrahmen wie ausschöpfen wollen und auch wie genau der Tilgungszeitraum aussehen soll. 

Dass Re:cap anbieten kann, was Banken und Sparkassen so nicht schaffen, liegt angeblich an der eigenen Software. Oder wie Becker sagt: Dass die Start-ups deutlich „mehr Daten verfügbar machen als bei jeder Bank.”

Dazu gehört für die Firmen unter anderem, dass sie einen Businessplan vorlegen müssen. Auch ein Cash-Flow-Statement müsse da mit rein, so Becker. Zudem verlangt Re:cap Einblicke in die Konten der Unternehmen und auch in Daten von Kundenverträgen. Die Infos, die sonst klassische Auskunfteien bieten, spielen laut Becker eine geringere Rolle. 

Die Unternehmen empfänden das laut Becker als Vorteil. „Über unsere Plattform können sie in Echtzeit sehen, wo sie aktuell finanziell stehen, wie wir sie gerade bewerten – und auch warum“, sagt er. Das Team um Re:cap hat dazu auch sein eigenes Risikomodell entwickelt. „Wir haben inzwischen bewiesen, dass man auf Grund von unseren Rohdaten in Echtzeit bessere Finanzierungen treffen kann“, sagt Becker selbstbewusst. Noch sei bei keinem einzigen finanzierten Unternehmen die Rückzahlung der Finanzierung ausgeblieben. 

13,5 Millionen Euro für die Expansion

13,5 Millionen Euro hat das Start-up nun eingesammelt. Zu den Investoren gehören unter anderem Project A und Entrée Capital. Die Bewertung soll dabei sogar gestiegen sein, so Becker, genauer will der Gründer da aber nicht werden. Nun will Becker zwei Dinge: Er will weitere Branchen als Kunden gewinnen, etwa E-Commerce-Unternehmen. Dafür muss das Start-up aber noch sein Risikomodell anpassen. Vor allem aber will Becker den zweiten Teil des Geschäftsmodells, seine Plattform, ausbauen. 

Denn Re:cap sollte schon immer ein Marktplatz werden, wo verschiedene Kreditgeber aktiv sind. Bisher gab es immer nur einen großen Finanzierungspartner, erst die Silicon Valley Bank, dann die HSBC. Das Start-up hat nun begonnen, neben der internationalen Großbank weitere Geldgeber aufzunehmen. Auch von ihnen will es dann Geldtöpfe nutzen, um Finanzierungen zu verteilen. In ferner Zukunft könnte der Marktplatz auch ganz geöffnet werden, dann würden Investoren den gelisteten Unternehmen direkt Geld geben können und Re:cap agiert nur noch als Vermittler.

Zudem will Re:cap nun mehr Geld in seiner Rolle als Datenlieferant verdienen. Denn Investoren können die Software des Start-ups auch nutzen, um Informationen über die Unternehmen zu bekommen, in die sie schon investiert haben. Die Londoner Investmentfirmen Avellinia Capital und Channel Capita gehören zum Beispiel dazu. Sie nutzen die Plattform, um den Cashflow ihrer Portfolios in Echtzeit zu überwachen. „Die Plattform von Re:cap ermöglicht es uns, potenzielle Engpässe bei unseren Portfoliounternehmen zu erkennen. Das hilft uns letztlich, bessere Partner und Investoren zu sein“, ließ sich Julian Schickel, Partner bei Avellinia Capital, zuletzt in einer Pressemitteilung von Re:cap zitieren. Jetzt muss die Euphorie von Partnern sowie Investoren nur weiter anhalten, damit sich all die Pläne von Becker auch lohnen. Eines ist dabei gewiss: Geld brauchen junge, wachsende Unternehmen immer. 

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Autor

  • Jan Schulte ist freier Journalist und Mitgründer des dreimaldrei Journalistenbüros. Er schreibt unter anderem für den Tagesspiegel Background Sustainable Finance, die ZEIT und die WirtschaftsWoche. An der Finanzbranche fasziniert ihn, dass inzwischen jeder angeblich Nachhaltigkeit schon immer in seiner DNA stehen hatte.

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