Das Finanzierungsvolumen sinkt von Jahr zu Jahr. Besonders die Payment-Branche tut sich schwer und Wagniskapitalgeber haben neue Prioritäten. Das Finanzierungsklima für Fintechs ist ausbaufähig, mindestens. Doch nun kündigen sich bessere Zeiten an.

Es gab sicherlich schon angenehmere Jahre für Gründer als die vergangenen drei. Denn seit dem Jahr 2021, in dem in Deutschland so viel Geld in Start-ups investiert wurde wie noch nie zuvor, bricht das Finanzierungsvolumen immer weiter ein. Das zeigt zumindest ein Blick auf das Start-up-Barometer von EY. So flossen 2023 nur noch sechs Milliarden Euro in deutsche Start-ups. Das sind 65 Prozent weniger als 2021. Immerhin spreche einiges dafür, dass die Talsohle nun erreicht sei, verkündete die Unternehmensberatung Anfang dieses Jahres. Es müsste nun also aufwärts gehen für die Start-ups des Landes. Doch so ganz klappt das noch nicht, und das gilt besonders für den Fintech-Sektor. 

„Wir warten noch ein Stück weit auf das Ende der Talsohle“, gibt EY-Partner Christopher Schmitz zu. Für Gründer, die auf eine neue Finanzierung schielen, heißt das vor allem: noch ein bisschen durchhalten. Das sieht im Grunde auch Tobias Schulz vom High-Tech-Gründerfonds (HTGF) so. „Es gibt da derzeit einen Spruch, der ganz gut passt“, so der Investor: „Survive till ‘25 and you’ll be in heaven in 27.“ Gut 1,5 Jahre müssen Fintech-Gründer also oftmals noch durchstehen, wenn sie auf eine große Finanzierungsrunde mit einer hohen Bewertung aus sind. 

Harte Kennzahlen sind entscheidender

Die Prioritäten der Investoren haben sich aber dauerhaft verschoben. „Sie fokussieren sich nun auf Geschäftsmodelle, die sich ohne zusätzliches Personal gut skalieren lassen“, sagt Schmitz von EY. Je näher ein Start-up an der Gewinnschwelle ist, desto besser. Potenzielles Wachstum nimmt als Kriterium außerhalb der Frühphase ab.

B2B-Start-ups dürften es künftig besser haben. Das liegt laut Schulz vom HTGF auch daran, dass sie leichter kalkulierbare Geschäftsmodelle haben. „Wenn ein Fintech eine Partnerschaft über mehrere Jahre mit zum Beispiel einem Asset-Manager hat, ist das für Investoren attraktiv“, sagt er. Bei B2C-Fintechs seien Investoren vorsichtiger, auch weil sich neue regulatorische Vorgaben bei ihnen schneller bemerkbar machen und die Umsätze typischerweise volatiler sind.

Fintechs wie etwa N26, Trade Republic oder Solaris dürften derweil keine Probleme haben, an neues Geld zu kommen – unabhängig davon, ob sie im B2B- oder im B2C-Bereich sind. „Die Geschäftsmodelle der ganz großen Fintechs sind inzwischen schon ausgereift“, sagt Schmitz von EY. Zudem fielen bei einigen jetzt aufsichtliche Beschränkungen weg, so wie gerade bei N26 zum Kundenwachstum. 

Schwer einzuschätzen ist laut Schmitz derzeit die Payment-Branche. „Die war eigentlich lange Zeit das Lieblingskind der Investoren“, sagt er. Doch habe sich die Branche in Europa zuletzt stark konsolidiert. Die größeren Anbieter wie Worldline und Nexi müssen nun erstmal ihre Zukäufe verdauen. 

Größere Finanzierungsrunden werden wahrscheinlicher

Da die Bewertungen von Start-ups zuletzt nach unten gingen, haben Schmitz zufolge viele ihre geplanten Finanzierungsrunden verschoben. „Sie sind maximal seitlich gewachsen, haben höchstens frisches Geld von ihren Bestandsinvestoren bekommen“, so Schmitz. Ewig in die Länge strecken können diese Unternehmen den Zeitraum bis zur nächsten großen Finanzierungsrunde aber nicht. „Ich gehe daher davon aus, dass wir schon innerhalb der nächsten zwölf Monate einige größere Finanzierungen erleben werden“, sagt Schmitz. 

An das Jahr 2021 dürfte sich aber so schnell nicht mehr anknüpfen lassen. „Damals lag einfach viel Geld in den Fonds, das investiert werden wollte“, blickt Schmitz zurück. Auch Schulz vom HTGF kann sich das nicht vorstellen. „Dafür müsste schon sehr viel zusammenkommen“, sagt er. Corona hätte damals einen überraschenden Boom im E-Commerce ausgelöst. Digitalisierung sei im Trend gewesen, Tech-Aktien durch die Decke gegangen. „Ich denke, dass wir bald wieder an das Niveau von 2019 und 2020 herankommen werden“, so Schulz. 

Für den HTGF ging es laut Schulz in den vergangenen Jahren auch darum, Unternehmen zu stabilisieren. „Und das heißt, sie mehr auf Gewinn und nicht auf übersteigertes Wachstum zu drehen“, erläutert er. Der Frühphaseninvestor sei dennoch bereit, in junge neue Fintechs zu investieren. „Es finden sich zur Zeit leider aber weniger Neugründungen als noch in den Boom-Jahren“, urteilt Schulz. Nicht nur Investoren sind also vorsichtiger geworden, auch Gründer überlegen sich aktuell wohl lieber zweimal, ob sie ein neues Unternehmen starten wollen. 

Immerhin: Eine gute Nachricht gibt es für die Start-ups, die bereits im Portfolio des HTGF sind. Der HTFG kann mit einem neuen Fonds im Rücken nun in die Unternehmen reinvestieren. 660 Millionen Euro stehen dazu zur Verfügung. Erstmal soll der HTGF damit auch höhere Summen stemmen können. Bis zu 50 Millionen Euro kann er nun zuschießen, wenn sich auch ein privater Investor beteiligt, teilte der HTGF vergangene Woche mit. Es tut sich also wieder was in Deutschlands VC-Szene.

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