So macht die nachhaltige Taxonomie der EU keinen Sinn

brown concrete tower near green grass field during daytime

Gas, Atom, Sonderregelungen: Die Taxonomie der EU – eine Klassifizierung dafür, was als nachhaltig gelten darf und was nicht – ist so nicht zu halten. Banken müssen sich davon distanzieren, sonst machen sie sich unglaubwürdig bei Kunden. Und wir müssen mal ein paar Sachen klarstellen. 

Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Kennen Sie den schon? Kommt ein Waffenunternehmen in die EU-Kommission. Fragt die EU, was die Firma denn hier wolle. Da sagt das Unternehmen: Sicherheit ist die Mutter der Nachhaltigkeit – und deshalb müssen wir in die EU-Taxonomie aufgenommen werden. Klingt lustig, ist aber so oder so ähnlich tatsächlich passiert. Die Waffenlobby will sich wirklich “grün” nennen dürfen. 

Die Anekdote zeigt dabei die gesamte Absurdität der aktuellen Diskussionen rund um die Taxonomie, die das Vertrauen der Anleger und Bankkunden in die EU, Banken und sämtliche Bemühungen um ein grünes Finanzsystem zunichte machen, bevor die überhaupt begonnen haben. Denn Waffen und nachhaltig? Dass ich nicht lache. Sollte sich die EU nicht von dem Wunsch der Waffenlobby, aber auch der Gas- und Atomlobby distanzieren, sich grün zu schimpfen, muss es die Payment-, Banking- oder besser gleich die gesamte Finanzbranche tun. Ansonsten droht ein Reputationsverlust, den sich weder junge Fintechs noch altbackene Banken leisten können. 

Aber von vorn. Was ist grün? Das ist die große Frage, die die EU klären wollte und dann vorschlug, sowohl Atomstrom als auch Gas das grüne Mäntelchen umzuhängen. Das ist natürlich ein schlechter Witz, den jeder sofort erkennt, der auch nur eine Sekunde darüber nachdenkt. Weder die Nutzung von fossilem Gas, noch die von Atomstrom ist natürlich grün oder nachhaltig. Und genau deshalb müssen wir darüber reden. 

Wer die Taxonomie als Planwirtschaft deklariert, ist primär eins: falsch informiert

Nun gibt es Stimmen, die in dieser Taxonomie vorwiegend eine „Planwirtschaft“ sehen. Dazu vielleicht ein kurzer Exkurs, denn die Damen und Herren haben das volkswirtschaftliche Prinzip offenbar nicht verstanden. Planwirtschaft bedeutet der Definition nach, dass alle Entscheidungen zu knappen Ressourcen (Arbeit, Kapital etc.) von einer zentralen Instanz getroffen werden. 

Das ist hier natürlich nicht der Fall, da die Taxonomie lediglich festlegt, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als nachhaltig gelten. Das war – Atom und Gas einmal außer Acht lassend – bisher auch recht wissenschaftsorientiert. Es ist mitnichten so, dass der Staat das Investment nun verbieten würden. Im Gegenteil: Kapitalgeber können natürlich weiterhin Aktien von Gas- oder Kohleunternehmen kaufen, sollten die nicht als „grün“ bezeichnet werden. Daran hindert sie niemand.

Biohazard sign

Die meisten Argumente sind nur Feigenblätter 

Nun aber zurück zur eigentlichen Frage: Warum sollen Gas und Atom denn bitte grün sein? Glaubt man dem, was man so hört, dann aus politischen Gründen, weil beides eben wichtige Übergangstechnologien sind und die armen Unternehmen doch die Milliarden aus den Nachhaltigkeitsfonds brauchen, um die Investitionen in diesen Feldern zu tätigen. Das klang gerade bei vielen Grünen in der Opposition noch ganz anders. 

Das Argument ist sowieso nur ein Feigenblatt. Ja, es braucht diese Technologie für den Übergang, aber nein, man muss sie nicht grün nennen und auch nicht nachhaltig. Wenn die Regierungen sie für so wichtig halten, sollen sie dafür Geld rausschmeißen, aber nicht die erste und vermutlich einzige Möglichkeit zerstören, die es für eine einheitliche Klassifizierung grüner Finanzinvestments geben wird. Denn damit untergräbt die Politik ihre eigentliche Mission. 

Banken, Fintechs und Finanzakteure sind jetzt gefragt

Angetreten war die Taxonomie schließlich mit einem wichtigen Ziel: Sie wollte Klarheit darüber schaffen, welche Investments nachhaltig sind und welche nicht. Das „Greenwashing“ von Fonds und Banken sollte ein Ende haben, der Privatanleger gewinnen. Mich aber schreckt ein Investment in „grüne Produkte“ aktuell eher ab, da ich nie weiß, welchen Müll mir der Berater dann doch noch unterjubelt. Die Diskussion um Gas und Atom verstärkt dieses Gefühl nur und macht damit die ursprünglichen Ambitionen der EU vollkommen zunichte, mir Klarheit zu verschaffen.  

Sollten Sie es bis hierhin geschafft haben, liebe Payment- and Bankingleser:innen, dann Glückwunsch. Sie haben sich vermutlich mehr als einmal gefragt, was das denn jetzt mit Ihnen zu tun hat. Und ich liefer gern die Antwort: eine ganze Menge. 

Die Bankindustrie muss sich der Taxonomie im Zweifel widersetzen

Denn wenn die EU es tatsächlich schafft, Gas und Atom als grün zu labeln, sind Sie alle gefragt, trotzdem die Investments in solche Unternehmen nicht als “nachhaltig” zu labeln. Das wäre zwar erlaubt, allerdings auch ein Bärendienst für Sie, die Finanzbranche und alle, deren Jobs in Deutschland daran hängen. 

Labeln sie den Fonds, das Investment oder sonst noch was eben nicht als grün, wenn Gas drin ist. Seien Sie transparent. Seien Sie das, was die EU wäre, wenn sie keine verkorkste Anlaufstelle für so viele Lobbybemühungen wäre: Seien Sie ehrlich. Das erwarte ich als Anleger. Und wer das nicht liefern kann, ist für mich (und meine Generation) künftig gestorben. 

Greenwashing dulden wir nicht (mehr). Darauf können Sie Gift nehmen – das sagt man doch so bei den Boomern, oder? Auftrag dürfte klar sein. Dann viel Spaß und auf bald. 

Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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