Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab sofort monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Liebe Leserinnen und Leser,

ich hätte da noch was zu nörgeln. 2020, das war das Jahr der Pandemie für die allermeisten Menschen. Für die Payment-Szene aber war es vor allen Dingen das Jahr des digitalen Bezahlens, das Jahr der grenzenlosen, kontaktlosen Möglichkeiten, kurz: das Jahr der Karte.

Fast im Monatstakt kam eine neue Kreditkarte, Debitkarte oder Loyalitätskarte auf den Markt. Bunq brachte eine Kreditkarte mit Klimaschutz, N26 und Stocard je eine digitale, Finleap und Klarna arbeiteten an der Karte für alles, dann war da noch was mit einer Google Card, einer Karte mit Cashback, Karten für Händler und dann natürlich die Holzkarte – ausgerechnet von Tomorrow. Und, liebe Fintech-Gemeinde, seid mir nicht böse, aber da habe ich sicherlich noch einige dutzend Neuerscheinungen vergessen.

Es ist ein wahrer Haufen an Karten. Ein Haufen, den, naja, wohl kaum einer bräuchte. Denn außer für eine Fangemeinde an eingefleischten Payment-Nerds sind Karten meist nur Gebrauchsgegenstand. Sie sind nicht mehr als ein Hilfsmittel, das Menschen hilft, ihr sauber erarbeitetes Geld wieder zu verpulvern. Holz, Plastik, Digital: Egal.

Und was für die Karte gilt, das gilt auch für vieles andere, was gern als groß und innovativ verkauft wird. Den meisten Menschen ist es nicht so wichtig. Vielleicht verstehen die Fintechs und Banken das im kommenden Jahr ja endlich. Es wäre zu wünschen.

Die Neobroker haben die Menschen gefesselt: Achtung, Suchtgefahr!

Einzige Ausnahme übrigens: Das Produkt macht Menschen das Leben leichter. Das mussten dann wohl auch die Sparkassen erkennen, als sie gegenüber Apple eingeknickt sind und nun auch dort die US-Firma die dicken Margen abgreift. Was macht man nicht alles, um den verbleibenden Kunden ein wenig jung zu erscheinen.

Ein Jahr, über das man nur meckern kann

Machen die Banken das nicht, so müssen sie schließlich fürchten, dass böse Fintechs und Neobroker die Kunden begeistern und abkassieren. Gut sind sie darin alle Male, wie Robinhood und Trade Republic mit gigantischem Wachstum in diesem Jahr gezeigt haben. Während ein guter Teil der Deutschen im Frühjahr auf der Couch saß und arbeitete, entdeckten sie ETF-Sparpläne (yeah!) und den schnellen Aktienhandel per Smartphone (buh!) für sich. Achtung, Suchtgefahr!

Ein Moment der Aufmerksamkeit für die Payment-Branche: Wirecard

Nun gut. Dass, wer viel in eine Aktie steckt, auch viel verlieren kann, muss man vielen deutschen Investoren wohl spätestens seit Juni diesen Jahres nicht mehr sagen. Dank dem Kollaps des Zahlungsdienstleisters Wirecard stand die Payment-Branche so stark im Fokus wie noch nie und durfte sich erstmal erklären: Macht ihr eigentlich nur Glücksspiele- und Pornogeschäft? Und sind alle eure Vorstände in dubiosen Kreisen unterwegs?

Wesentlich schlimmer noch als die Reputation hat es viele Mitarbeiter getroffen, denn sie sind die wahren Leidtragenden. Sie und die vielen Anleger wurden von den Aufsehern im Stich gelassen, das wird immer klarer. Dass ein solch großer Betrug in einem sonst so pedantisch genauen Land wie Deutschland passiert und dann nicht einmal der einzige seiner Art ist (Stichwort Cum-Ex, Stichwort P&R-Container), ist einfach nur noch peinlich. Ja, Herr Hufeld, ich rede mit Ihnen.

Und dann, ja dann müssen wir bitte einmal über die PSD2 und die Schufa sprechen. Ja, Open Banking ist toll. Ja, Fintechs haben da echt schicke Lösungen. Aber nein, es ist nicht alles geil, nur weil PSD2 draufsteht. Die Schufa hat das eindrucksvoll mit ihrem Versuch bewiesen, die Kontodaten zu speichern und daraus Produkte zu bauen.

Ein Jahr, über das man nur meckern kann

Und eigentlich hat sie dafür einen Preis verdient: Größter Bärendienst im Jahr 2020. Was Fintechs so lange aufgebaut haben und das ist vor allen Dingen Vertrauen, hat sie in weniger als einer Woche komplett zerstört. Weihnachtskarten von Check24 & Co. wird sie wohl nicht erwarten dürfen. Arme Schufa.

N26 und der Betriebsrat: (Fast) eine Liebesgeschichte

Aber wollen wir nicht so sein. Manchmal konnte sich die Payment-Branche aber auch von ihrer besten Seite zeigen. Das Vorzeigekind N26 machte beispielsweise Schlagzeilen und dann auch noch mit einem Betriebsrat, ein schöner Meilenstein, weiter so, du Einhorn. Naja, so hätte es laufen können. Stattdessen ließ die Führung verlauten, solch ein gesetzlich festgelegter Betriebsrat passe so gar nicht zum Unternehmen. Wie es dann weiterging, haben wir alle verfolgt: Langer Streit, Niederlage für Stalf & Co. Und plötzlich gibt es nun einen Betriebsrat und noch etwas Schönes wurde geboren: Der Twitter-Account des N26 Works Council – und der hat als Profilbild immerhin ein Einhorn. Toll!

Und wo wir schon bei schönen Dingen sind: Paydirekt hat ein Ende. Das ist insofern schön, als dass offenbar die Erkenntnis gereift ist, dass man auch mal einen Schlussstrich ziehen muss, wenn es sinnvoll ist. Und doch bin ich plötzlich wehmütig. Auf was soll man als Journalist denn beim nächsten Paypal-Sparkassen-Vergleich verweisen, wenn es mal wieder ums Digitale geht?

Nun, ganz am Ende angekommen, wollen wir aber mal nicht so sein. Das Jahr brachte der Branche immerhin auch einige echte Neuerungen, Verbesserungen, wirklich innovative Produktideen und so viel Ruhm wie wahrscheinlich noch nie.

„Das Jahr brachte der Branche immerhin auch so viel Ruhm wie wahrscheinlich noch nie.“

Nehmen Sie dieses wohlige Gefühl mit in die Weihnachtstage und hinüber ins neue Jahr. Ich wünsche frohe Weihnachten, einen guten Rutsch – und bleiben Sie gesund.

Mit den besten Grüßen
Nils Wischmeyer

PS: Meine Redakteurin sagt, ich solle etwas über Blockchain oder Bitcoin schreiben. Aber ich wollte uns dann die Stimmung so kurz vor dem Feste nicht endgültig verderben. Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis. Und nun wirklich: Frohe Weihnachten!




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