So gelingt es, erfolgreich in den deutschen Fintech-Markt zu expandieren

In unserer Reihe „Der Deutsche Fintech-Markt im Überblick“ werden wir näher beleuchten, welche Chancen das deutsche FinTech- und Digital-Finance-Ökosystem für ausländische Start-ups und Banken bietet.

Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland laut „Deutscher Startup Monitor“ mehr als 2.000 Startups. Betrachtet man die Anzahl der FinTech-Startups, liegt diese je nach Quelle und zugrundeliegender Definition bei bis zu 1.000. Bei jedem zweiten bis dritten Startup in Deutschland handelt es sich um ein FinTech-Startup und der Wettbewerb ist entsprechend intensiv.

Der deutsche Markt ist hart umkämpft

Wie kann es Unternehmer:innen also gelingen, in diesem hart umkämpften Umfeld zu bestehen? Innerhalb unserer Serie haben wir uns bereits mit den Besonderheiten deutscher Konsumenten und Organisationen sowie den 5 Fehlern, die es beim Eintritt in den Fintech-Markt in Deutschland zu vermeiden gilt beschäftigt. Der dritte und letzte Artikel der Serie wird sich zum einen den Fragen widmen, die vor dem Eintritt in den Fintech-Markt unbedingt beantwortet werden sollten und zum anderen einige Praxistipps bereithalten.

Drei Kernfragen für die Expansion nach Deutschland

Bevor man den Schritt nach Deutschland wagt, empfiehlt es sich, einen genaueren Blick auf die folgenden, nicht zwangsläufig FinTech-spezifischen Fragen zu werfen:

  • 1. „Warum wollen wir unser Angebot ausgerechnet nach Deutschland bringen?“

Auf den ersten Blick ist es verlockend, die größte europäische Volkswirtschaft ins Visier zu nehmen. Vor allem, wenn:

  • Das Wachstumspotenzial im Heimatmarkt ausgeschöpft ist
  • Man bereits in anderen deutschsprachigen Märkten aktiv ist
  • Anknüpfungspunkte zu migrantischen Communities in Deutschland bestehen (z.B. türkische, arabische, russische oder griechische Gemeinden)

Diese Gründe allein rechtfertigen allerdings noch keinen Eintritt in den deutschen Markt. So können Zielgruppen wie migrantische Communities andere Bedürfnisse haben als angenommen oder schlicht zu klein sein, um einen tragfähigen Business Case zu ermöglichen (z.B., „Girokonto für arabischstämmige Migranten“ oder „Geschäftskredite für ausländischen Unternehmerinnen“). Wer noch keine spezifische Antwort auf diese Frage hat, sollte zunächst einen klaren, belastbaren Bezugspunkt zum deutschen Markt finden.

  • 2. „Was ist unser Bezug zum deutschen Markt?“

Beim Eintritt in den deutschen (und genau genommen jeden) Markt sollten Startups und Unternehmen sicherstellen, dass ein ausreichend großes Potenzial für die Gewinnung von Kunden und Talenten vorhanden ist. Gleiches gilt für ein möglichst lebendiges Ökosystem und vorhandene Marktlücken. Diese Bezugspunkte müssen detailliert evaluiert werden, insbesondere hinsichtlich möglicher sprachlicher, kultureller und struktureller Hemmnisse wie beispielsweise der Grad der Digitalisierung. Die Abwesenheit eines Mitstreiters kann sowohl auf eine Marktlücke als auch auf fehlendes Marktpotenzial oder mangelnde Infrastruktur hindeuten. Sollte sich nach ausführlicher Betrachtung herausstellen, dass die antizipierten Anknüpfungspunkte in der Praxis nicht existieren, sollte man seine Expansionspläne insgesamt neu bewerten

  • 3. „Reicht unser Budget, um in Deutschland zu überleben?”

Sind die ersten beiden Fragen beantwortet, sollten Unternehmen prüfen, ob sie die ersten 6-12 Monate nach dem Markteintritt in Deutschland finanziell überleben können. Dabei spielen Setup-Kosten, Steuern, Marketingausgaben sowie vielfältige operationale Kosten eine Rolle, wie etwas Personalkosten. Startups sollten sich daher rechtzeitig und ausführlich mit Finanzierungsmöglichkeiten wie etwa Venture Capital beschäftigen. Außerdem sollte bewertet werden, ob sich aus der gezielten Ansprache bestimmter strategischer Investoren beidseitige Vorteile ergeben.


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5 Tipps für einen erfolgreichen Start in Deutschland

Neben der Beantwortung essenzieller Fragen und dem Vermeiden typischer Fehler können ausländischen UnternehmerInnen folgende Tipps beherzigen, um sich möglichst reibungslos in den deutschen Markt zu integrieren:

Lokalisierung mittels IBAN und AGB:

Im ersten Teil der Serie wird die hohe Bedeutung von Lokalisierung hinsichtlich der Vertrauensbildung im Fintech-Markt thematisiert. Sprache, Kommunikation und die richtigen Managementstrukturen vor Ort spielen dabei eine wichtige Rolle, aber dies ist noch nicht alles. Erfahrungen zeigen, dass vermeintlich kleine Details wie eine deutsche IBAN oder ein deutscher Hauptsitz ausschlaggebend sein können, wenn es darum geht, das Vertrauen der deutschen Konsumenten zu gewinnen. Im Umkehrschluss kann eine ausländische IBAN bereits ein entscheidender Nachteil im FinTech-Wettbewerb um Endnutzer darstellen.

Inländische vs. ausländische Partner:

Was für IBANs gilt, trifft auch auf die Wahl möglicher Partner zu. Diese kann entscheidend für den Erfolg des Expansionsprojektes sein. Potenzielle Kunden werden sehr wahrscheinlich genau hinschauen, mit welchen BaaS- oder anderen typischen Dienstleistern zusammengearbeitet wird. Abhängig vom Geschäftsmodell und ausgelagerter Dienstleistung können nicht-deutsche BaaS-Provider oder auch eingesetzte Lizenzen Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit hervorrufen. Wer beispielsweise eine estnische oder luxemburgische Lizenz nutzt, sollte mehr Zeit für den Aufbau einer vertrauenswürdigen Marke einplanen. Zusätzlich kann es sich auszahlen, in diesen Zusammenhang auf namhafte Dienstleister zu setzen, da Kunden mit diesen oftmals direkte Vertragsbeziehungen eingehen (etwa mit BaaS-Providern) und dabei ggf. prominent in Erscheinung treten (Kommunikation, AGB, Kontoauszüge etc.).

Das deutsche FinTech-Ökosystem nutzen:

Der Aufbau eines Netzwerks ist entscheidend für jedes innovative Unternehmen, um Erfahrungen zu teilen und das Ökosystem insgesamt zu stärken. In der FinTech-Industrie gilt dies in besonderem Maße, vor allem wenn es darum geht, seinen Interessen im Rahmen abgestimmter Lobby-Initiativen Gehör zu verschaffen oder regulatorische Unklarheiten zu klären.

In Deutschland gibt es diverse Möglichkeiten, um sich entsprechenden Organisationen für horizontales und vertikales Netzwerken anzuschließen. So akzeptiert unter anderem der Bundesverband deutscher Banken FinTechs als Mitglieder, was vielfältige Möglichkeiten für den Austausch mit Banken und anderen Finanzdienstleistern schafft.

Auch Bitkom und Berlin Group heißen geeignete Mitglieder willkommen. Das deutsche Finanzministerium organisiert außerdem diverse fachlichen Runden u.a. zu regulatorischen Themen, in die sich FinTechs einbringen können. Selbst wenn eine Mitgliedschaft nicht infrage kommt, kann man die eigenen Pläne ankündigen und mögliche Anknüpfungspunkte für die Zukunft erörtern. Entsprechende Kontakte erhöhen die eigene Reputation und Glaubwürdigkeit innerhalb der FinTech-Szene. Auch außerhalb der FinTech-Industrie bestehen Möglichkeiten für den Aufbau des Netzwerkes.

Langfristig planen:

Im ersten Artikel dieser Serie kam bereits die von Sorgfalt und Gründlichkeit geprägte deutsche Kultur zur Sprache. Im Sinne der Integration empfiehlt es sich, es den Deutschen gleichzutun und langfristig zu planen, u.a. hinsichtlich des Produktes, operativen Tätigkeiten oder dem Umgang mit regulatorischen Fragen. Wer sich erst kurz vor Start in den Fintech-Markt damit befasst, welches Recht anwendbar ist, welche Besonderheiten das deutsche Arbeitsrecht bereithält, ob die eigene Marke verwendet werden kann oder welche Informationen dem Finanzamt zur Erhebung von Steuer mitzuteilen sind, muss negative Auswirkungen auf den eigenen Ruf einplanen. Dies zeigt u.a. das Beispiel einiger Lieferanbieter, die nach atemberaubend schnellem Aufstieg und einigen eklatanten Verstößen gegen das Arbeitsrecht weitreichende, organisatorische Konsequenzen ziehen mussten. Eine innovative Idee ist wichtig, aber wichtiger ist, dass sie rechtlich und ethisch vertretbar ist.

Die kleinen Dinge machen (noch) den Unterschied:

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Auch in Deutschland werden die kleinen Dinge geschätzt. Exklusive Geschenke für Geschäftspartner sowie Extravaganz im Allgemeinen sind kein großer Bestandteil deutscher Kultur. Sie werden daher innerhalb des Fintech-Marktes dementsprechend auch nicht erwartet. Allerdings können kleine, persönliche Aufmerksamkeiten wie Feiertagsgrüße oder ein Adventskalender beim Gegenüber gut ankommen.

Deutschland hat eine Reihe vielfältiger, regional unterschiedliche Feiertage. Es empfiehlt sich, frühzeitig einen entsprechenden Kalender anzuschaffen und seine Geschäftstätigkeit und -kommunikation entsprechend zu planen. Die Pfingsttage sollte man etwa lieber für Erholung und nicht für intensive Vertriebsaktivitäten nutzen.

Sie benötigen Unterstützung bei den ersten Schritten im deutschen FinTech-Ökösystem oder bestimmten Fragen? Dann kommen Sie gerne auf uns zu. Wir freuen uns, Ihr individuelles Vorhaben zu begleiten.

Dies war der letzte Teil unserer Serie zum Eintritt in den deutschen FinTech-Markt. In den kommenden Monaten werden wir uns weiteren, relevanten Themen rund um FinTech und Banking widmen.

Autor

  • S. Elif Kocaoglu-Ulbrich ist Gründerin und Geschäftsführerin von Contextual Solutions, einer 360-Grad-Strategieberatung mit Sitz in Berlin, die sich hauptsächlich an Fintechs richtet. Als selbstständige Beraterin unterstützt sie internationaler Experten Start-ups und Banken bei der Evaluierung und Entwicklung von Ideen, Geschäftsmodellen sowie Monetarisierungsoptionen, der Erstellung von Strategien und Produkten sowie der Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder. Elif ist außerdem Autorin und Bloggerin.

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