Sind APIs die neuen Apps?

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Inwieweit haben APIs die herkömmlichen Apps überholt?

Letzte Woche  stolperte ich über einen Tweet eines echten FinTech Vordenkers – Pascal Bouvier, zum Thema APIs.

Sind APIs die neuen Apps?

Darin ging es um die Bedeutung von APIs für die Financial Industrie. Ich stimme Pascal zu, dass APIs allein keine Strategie für Banken, sondern eine enabling Technologie sind. Nicht mehr und nicht weniger.

Mir fiel dazu die Parallele zu Apps ein. Auch diese wurden bzw. werden sogar teilweise bis heute von Playern in der Industrie als Strategie gesehen, verstanden und als solche verkauft. Auch das ist aus meiner Sicht viel zu kurz gesprungen und in den allermeisten Fällen Unsinn. Eine App ist ein super wichtiger Touchpoint, aber schon smarte Push Notifications machten klar, dass Apps allein nicht viel sind, sondern Teil eines Gesamterlebnisses sein müssen.

Genauso ist es nun mit APIs. Eine API zu bauen ist recht einfach – eine API mit Leben zu füllen und ein Ökosystem aus eigenen Diensten und von Partnern zu schaffen allerdings etwas ganz anderes.

Erst letze Woche im Podcast mit Felix von Stripe wurde wieder einmal klar, um wen es in der sogenannten API-Economy geht: Um Developer. Die Künstler und mehr und mehr auch die Entscheider unserer Zeit.

Amerikanische Unternehmen wie Stripe oder twilio machen vor wie es geht: ‚Developer-friendliness‘ steht ganz vorne.
Beide Unternehmen müssen sich alles aus der Finanzbranche als Vorbild und Inspirationsquelle nehmen, wenn eine API wirklich erfolgreich und Teil einer digitalen Strategie und ebensolchen Mindsets sein soll.

Der Gedanke, ich habe eine API und schon werde ich zu einer Plattform, ist allein viel zu kurz gedacht. Eine Plattform zu werden, dazu gehört viel mehr. Das wissen wir bei figo aus eigener Erfahrung, das zeigen unter anderem Events wie unser Bankathon.net und unser neues Produkt RegShield.

Daß sich alle Banken aktuell wegen PSD2 mit dem Thema API beschäftigen müssen, ist eine große Chance für die Industrie und jede einzelne Bank. Diese muss aber richtig angegangen werden und eine API sollte bestenfalls nicht aus reinen Compliance Gründen geschaffen werden.

Wie seht ihr das Thema?

Kilian Thalhammer

API’s sind die Apps der Tech Nerds. Ich denke auf jeder Ebene der Wertschöpfung gibt es eine Art “App Ansatz” sei es Entwicklungsframeworks, Betriebssysteme etc., nur in unterschiedlicher Breite und Tiefe und damit auch vermarktungstechnisch nicht vergleichbar. Die Zielgruppen sind am Ende sehr unterschiedlich. Der “allseits bekannte” App Store versucht v.a. B2C so gut wie jeden abzuholen. Danach wird es “enger und spitzer” und es stehen andere “USP’S” im Vordergrund.

Photo by Lisa Walton
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Maik Klotz

APIs ein Mittel zum Zweck, nicht der Zweck selbst. Uber basiert ausschließlich auf APIs und erst die Verknüpfung der unterschiedlichen Dienste (Map-API, GPS-API, Billing-API) macht Uber (außerhalb von Deutschland) zu einem guten Service. Ob die Developer nun die Künstler sind oder die Produktmenschen, welche sich einen Services ausdenken, darüber kann man sich streiten. Unstreitbar ist für mich ein anderes Thema: Es braucht nicht mehr Heerscharen an Entwicklern, viel Geld oder große Unternehmen die eine innovative Lösung auf den Markt bringen. Mit Hilfe von APIs braucht es nur eine gute Idee, ein paar wenige Designer und Developer um Lösungen auf den Markt zu bringen, die früher nur von Microsoft und Co. hätten kommen können. Darin liegt für mich die wahre Kraft von APIs – es sprengt elitäres Denken. Jeder kann mit Hilfe von APIs das nächste Uber entwicklen.

Jochen Siegert

Photo by Alex Holyoake
Photo by Alex Holyoake

Zwei meiner Erlebnisse vom letzten Wochenende wo APIs eine wichtige Rolle spielten:
Erstens: Ich fuhr am Rhein mit meinem Rennrad und trackte GPS und Puls mit der Runtastic-App in Kombination mit meiner AppleWatch. Über eine API wurden die Daten von Runtastic erst mit der AppleHealth-App geteilt für weitere Analysen und parallel über die Aktivitäten-App mit André und Maik fürs gegenseitige Benchmarking. Last but not least hat die Relive App, via einer API zu AppleHealth, die ursprünglichen Runtastic Daten verwendet um ein schön animiertes Video meiner Radtour zu generieren. Für manche ist das wohl eher ein Gag, aber Relive gewann so über 2 Millionen Kunden, hat mehr als 100 Millionen Filme generiert und verlangt als Freemium-Anbieter für Customizing eine monatliche Abogebühr von €8,99.


Zweitens: Ich arbeitete an meiner Steuerklärung: Mittels API zieht sich das Steuerprogramm Daten von Google Maps und berechnet km-Angaben automatisch und füllt das entsprechende Datenfeld im Programm aus. Am Ende schickt das Programm/App die Erklärung via einer API ans Finanzamt und holt sich irgendwann den Bescheid ebenfalls über eine API für eine Analyse und bequeme Übersicht was das Finanzamt anerkannt oder abgelehnt hat. Leider muß ich trotzdem noch etliche papierhafte Belege beruflicher und privater Natur stumpfsinnig stundenlang per Hand eintippen, weil es noch keine APIs zu allen Belegquellen dazu gibt. Ich glaube anhand dieser Beispiele zeigt sich, wie APIs stärker vernetzen und wie viel vernetzter wir noch sein könnten, wenn es noch mehr APIs gäbe.

Sind die APIs nun die neuen Apps? Nein! Die App ist weiter das Steuerprogramm, aber APIs ermöglichen mehr Bequemlichkeit und Automatisierung. Daher stimme ich Pascal zu: APIs können keine Strategie sein, sondern sie sind die Grundlage für Use Cases und neue, bessere Produkte & Dienstleistungen. Im ersten Beispiel oben ist Runtastic nur noch der “dumme” Datenlieferant und die eigentlichen interessanten, monetarisierbaren Mehrwerte der Daten werden von Apple in dessen Ökosystem/Plattform gestiftet. Banken und Sparkassen müssen sich in ihrer Produktstrategie im Rahmen der PSD2 überlegen, ob sie auch “nur” der Lieferant sind. Mehrwerte aus den Daten werden dann durch Dritte generiert und monetarisiert. Alternativ besteht die Möglichkeit, daß sie selbst die Bestandsdaten um Drittdaten anreichern (z.B. die Belege/Rechnungen zu den Buchungen mit all den Daten jenseits von Zahlbetrag und Vertragspartner) und dann darüber für den Kunden finanznahe Mehrwerte und neue Services generieren. “Platform” bedeutet externe Daten (outside-in!) zu nutzen und zu verbessern, Mehrwerte zu schaffen, statt nur eigene Daten zur Verfügung zu stellen – hier sehe ich leider aktuell viele Missverständnisse und z.T. auch sehr viel Wishful Thinking bei Banken und Sparkassen in ihren Plattformstrategien. Diese sind primär inside-out angesetzt. Das Tracking von Hobbysportlern hat sich über APIs komplett geändert. GPS- und Pulsuhren gibt es schon ewig, aber die Daten blieben in den jeweiligen proprietären Silos, wie bislang in den meisten Fällen die Daten im Banking. Analog dazu wird sich die Nutzung und Darstellung von Finanzdienstleistung durch APIs ändern. APIs sind daher nicht die neuen APPs, sondern nur die Grundlage für diese.

Jan Sessenhausen

APIs sind für mich persönlich nicht die neuen Apps, da beide Ansätze vollkommen unterschiedliche Zielgruppen adressieren und somit nicht direkt in Konkurrenz zueinander stehen. Für ein Unternehmen stellt sich aber grundsätzlich die Frage, welche der beiden hinter diesen Diensteerbringungsansätzen stehenden Modelle es verfolgen will – und das mit weitreichenden Auswirkungen auf das Geschäftsmodell und auf die benötigten Kompetenzen.

Eine App richtet sich an den Endanwender (Verbraucher oder Mitarbeiter einer Organisation) und muss entsprechend gestaltet und vermarktet werden, eine API richtet sich an eine ganz andere Zielgruppe (Produktverantwortliche sowie Entwickler von anderen Digitalprodukten) und hat daher ganz andere Anforderungen. Erfolgreiche Apps sind oft sehr spitz in ihrem Funktionsumfang und damit der Positionierung ggü. den Anwendern. Eine API kann meines Erachtens eigentlich nur relevant erfolgreich sei, wenn sie möglichst vielfältig in unterschiedlichsten Anwendungen und Branchen eingesetzt werden kann.

Die Entscheidung „App oder API“ ist für mich also primär eine Frage der eigenen Positionierung in der Wertschöpfungskette, d.h. „wer soll mein Kunde sein?“. Unternehmen mit bestehenden Endkundenbeziehungen fällt es oft sehr schwer dieses Asset aufzugeben bzw. mit einer API anderen Anbietern den direkten Wettbewerb um den Kundenzugang zu ermöglichen. Das prominenteste Beispiel dieses Dilemmas ist wohl Twitter mit seinem Eiertanz rund um die eigene API und den Verboten etc. von Drittclients. Ein Anbieter einer API darf nicht laufend mit eigenen Endprodukten liebäugeln, dann hat der API Ansatz meines Erachtens keine wirkliche Chance.

Was beide Ansätze übrigens gemein haben ist die erforderliche Fokussierung auf das Wesentliche. Insbesondere im Finanzumfeld sehen wir viele Produkte mit mangelnder Fokussierung, lieber weniger machen und das wirklich gut.

Miriam Wohlfarth

Meiner Meinung nach sind APIs Konnektoren.
Diese Konnektoren können Banken nutzen um ihre Daten der Außenwelt zugänglich zu machen. Daher sind APIs in der Tat Enabler und nicht Strategie.
Eine mögliche Strategie kann dann daraus abgeleitet werden, sich z.B zukünftig als Real-time Bonitätsprovider zu positionieren.
Die API ist dann das Mittel zum Zweck und dient als Grundlage für ganz neue Produkte. Um diese Produkte aber richtig gut zu machen benötigt man ein digitales Mindset und ein tiefes Tech Verständnis.

Das ist wahrscheinlich im Moment das größte Problem…

Auf jeden Fall bieten APIs aber ganz neue Möglichkeiten, die Transformation der Banken auf höchst effiziente Weise zu beschleunigen.

Photo by Alexa Suter
Photo by Alexa Suter

Rafael Otero

APIs und Apps in einen Topf zu werfen ist meines Erachtens falsch. Apps bedienen den Mobile Kanal und sind die – mehr oder minder gute – B2C Lösung eines Unternehmens für den Kanal. Ich verstehe aber auch ein wenig wie man auf diese Verwechslung kommen kann.
API’s oder alt-deutsch Schnittstellen sind so alt wie Programmiersprachen. Während man anno damals eine Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Code Bereichen oder Modulen hatte, sind es heute APIs die bestimmte Funktionalitäten idealerweise atomar “anderen” zur Verfügung stellen. Sprich, wenn ich ein Dienstleister bin, der die tollste Methode zur Fraud-Erkennung hat, hab ich diese früher (und heute) per Schnittstelle mit dem Rest meiner Systeme angebunden. Wenn ich heute aber die API-Ökonomie bespielen möchte, dann lasse ich jeden mit dieser API sprechen.


Das Interessante an der API Welt ist, dass man, ähnlich wie in der Open Source Welt, nicht schlechter dadurch wird, dass man seine Funktionalität jetzt jedem zur Verfügung stellt, sondern im Gegenteil- besser. Andere Nutzer verwenden meine API anders als ich intern, geben mir Feedback und Anregungen, und ich als API Anbieter sehe deutlich mehr Nutzung und Daten, meine Funktionen werden für Sachen benutzt an die selbst meine besten Produkt-Menschen nicht gedacht haben (weil es Use Cases betrifft die nicht Teil meines Kerngeschäftes sind).

Hier liegt aber auch gleich der – arme – Hund begraben. Leider verstehen zu wenige was das mit der API-sierung so auf sich hat und warum man das tun sollte. Da wird dann halt eine API gebaut und dann wartet man auf Godot – so zumindest manchmal der Eindruck. Eine API zur Verfügung stellen kann jeder. Eine API vermarkten (ohne gleich die Eurozeichen im Auge zu haben), das Ökosystem zu motivieren, kritikfähig und schnell in der Umsetzung / Erweiterung / Anpassung der API zu sein (insb. wenn dies nicht Vorteile für die eigenen Use Cases hat), können die wenigsten.
Ich hatte bei der Öffnung von VISA und all ihrer Systeme einen wow-Moment. Da wurde selbst die kleinste Funktionalität per API zugänglich gemacht und es gab regsten Austausch zwischen Konsumenten der API und VISA. Das Vorgehen stellt für mich die Blaupause für einen gut gemachten Eintritt eines “legacy corporate players” in die API-Welt dar. Wenn man also eine API Strategie haben will, dann bitte da nachfragen und kopieren.

Fazit

Alle sind sich einig. Eine API allein ist nicht viel und ist erst im Zusammenspiel mit einer dazu passenden Strategie und Mindset stark und kraftvoll. Eine API ist somit mehr ein Werkzeug – ein Mittel zum Zweck und sollte im besten Fall in einem B2B Ansatz fokussiert betrieben werden. Eigene Use-Cases auf einer API sind wohl eher defokussierend und stellen den Ansatz in Frage. Das tolle an APIs ist, dass auf ihnen schnell und einfach Modelle durch Dritte ermöglicht werden können und Daten-Silos ein Ende finden.




Autor

  • André M. Bajorat ist seit fast 30 Jahren in der deutschen Digitalwirtschaft zu Hause. Über die Stationen SK Online, Star Finanz, giropay und Number Four kam er 2012 als Business Angel zu figo. Das Unternehmen führte er von 2014 bis September 2019 als CEO von einer b2c App zu einem von der BaFin regulierten Banking as a Service Provider. Seit 2020 ist er Teil des deutsche Bank Konzerns und seit Mitte 2022 Managing Director bei einem deutschen Assetmanager. Er ist zudem Gründer und Herausgeber des erfolgreichen Branchen-Portals paymentandbanking.com, Podcaster, Investor (figo, Finleap, Loanlink, Sparkdata, Weddyplace, nufin, portify, moss, compa, brygge, embeddedcapital, PlanetA, Naro), Mitglied im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums, aktives Mitglied im Bitkom, Herausgeber des Buches “Köpfe der digitalen Finanzwelt” und international gefragter Speaker. Inhaltliche Schwerpunkte sind Banking, Payment, FinTech, API-Banking, digital Assets und Crypto. Außerdem ist er Mit-Initiator und Ausrichter der Wahl zum „FinTech des Jahres” sowie der Eventreihen Bankathon, Payment Exchange, Banking Exchange und Transactions.io.

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