Schnell, schneller – Instant?

Schnell, schneller – Instant?

Instant messages by Marcus W. Mosen: #9

Höre ich das Wort „Instant“, denke ich spontan immer noch zuerst an Kaffee, Suppe oder Kakao. Immerhin gab es Instant Kaffee schon 1881, erfunden von Alphonse Allais, der seit 1938 als „Nescafé“ von Nestlé industriell hergestellt wird.

Und die EU-Richtlinie aus 1999 legt seither exakt fest, welche Ingredienzen enthalten sein müssen, damit sich ein Kaffee den Namen „Instant“ auch verdient.

Im Payment ist „Instant“ ebenfalls seit längeren ein geflügeltes Wort – genau genommen schon seit 2014. Das Euro Retail Payments Board (ERPB) schlug seinerzeit vor, dass es mindestens eine europaweite Paymentlösung geben sollte, die 24/7 einem Zahlungsempfänger Gelder unverzüglich – innerhalb von 10 Sekunden – zur Verwendung bereitstellen muss, und beauftragte das European Payments Council (EPC), ein solches Zahlungssystem zu entwickeln. Das Regelbuch für „SCT Inst.“ wurde November 2016 fertig und ein Jahr später operativ gestellt. Aktuell sind in Europa ca. 2000 Banken „Instant“-fähig und bieten diesen Dienst ihren Kunden durchschnittlich zu einem Preis  zwischen 50 – 60 Cent je Transaktion (sic!) an.

Nachdem in den letzten Wochen schon die ersten „Raubkopien“ einer überarbeiteten „Retail Payment Strategy for the EU“ auf Twitter, dem Darknet der Payment-Bubble, kursierten, dürfen wir nun offiziell seit dem 24. September über das Feuerwerk an Strategien der EU-Kommission zum „New Normal“ im Zahlungsverkehr und Banking diskutieren, wie z.B.  

  1. die digitale Transformation des Finanzsektors in Europa zur Überwindung der Kleinstaaterei im Banking, oder
  2. den gesetzlichen Rahmen für Crypto-Assets, der die Libra Association im Mark erschüttern soll, oder
  3. die Bekämpfung von Cyberangriffen, die man gerne als neue Form des Kalten Kriegs Putin & Friends zuschreibt, und
  4. – last but not least – über ein modernes Bezahlen im Handel, das beim Handelsverband Deutschlands (HDE) hinter verschlossenen Türen einen Freudentaumel auslösen dürfte.

Man kann den Eindruck gewinnen, dass die EU es mit dem Aufbau eigener Kompetenzen in Sachen Digitalisierung und Etablierung europäischer Infrastrukturen im Bereich Financial Services ernst meint. Andererseits sind die derzeitigen Rahmenbedingungen für die Umsetzung solch ambitionierter Strategien in real existierenden Plattformen und Produkten, die vom Markt nachgefragt werden, nicht die einfachsten. Da ist die Frage, ob der Konsument am POS oder im E-Commerce wirklich eine „just in time“-Bezahlung wünscht, schon fast wieder nebensächlich. Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer…

Schnell, schneller – Instant?

Denn ob der Konsument heute ein „Defizit“ verspürt, wenn er mit seiner Kredit- oder Debitkarte und damit „zeitverzögert“ zahlt, ist nicht wirklich geklärt. Ebenso dürfte der deutsche E-Commerce Shopper weiterhin froh darüber sein, wenn ihm online angeboten wird, seine Einkäufe erst einen Monat später zu bezahlen. Denn bis dahin hat er Zeit genug zu überlegen, ob er die Klamotten auch tatsächlich behalten möchte. Ein Phänomen, das man in Frankreich übrigens nicht kennt. Dort bleiben alle gekauften, aber nicht getragenen Klamotten einfach im Kleiderschrank hängen. C’est ca!

Eine Passage in der Retail Payment Strategy hat mich dann aber doch wieder aufhorchen lassen: für die Entwicklung des Labels und passenden Logos einer pan-Europäischen Payment-Lösung will sich die EU Zeit lassen – bis Ende 2023.

Dabei läge hier die Lösung doch so nah – ist doch erst kürzlich ein geeignetes Branding in Deutschland für eine direkte Paymentlösung wieder frei geworden! Wozu also in die zeitliche Ferne schweifen….?

Die EU-„Instant-Stakeholder“ müssen sich allerdings noch die Frage gefallen lassen, ob ein tatsächlicher „go to market“ – also von der Strategie-Defintion bis zur Markteinführung – über 5 Jahre dauern darf. Wenn dies das Ambitionslevel der EU für die viel beschworene europäische Digitalisierungskompetenz ist, dann sollte man sich getrost noch ein paar Aktien von Amazon, Apple, Alphabet oder demnächst auch Ant ins Depot legen – das geht auch heute schon „instantly“.

Die Vorgabe der EU Payment Strategie, dass Instant Payment im Markt die nötige Akzeptanz bekommt, um einen neuen Standard zu setzen, wird jedoch nicht primär von der Frage abhängig sein, ob der Markt „innovativ, effizient oder wettbewerbsfähig“ sein will. Für diese gebetsmühlenartig von der EU verwendeten Attribute tragen bereits die globalen Plattformen und Innovatoren aus Übersee Sorge. Die entscheidende Frage wird vielmehr sein, ob die Stakeholder einen Umsetzungsmindset entwickeln, der sich nicht an nationalen Geschwindigkeitsgrenzen und Egoismen orientiert. Mit anderen Worten: man muss das quasi Unmögliche wagen – also etwas schaffen, dass tatsächlichen Mehrwert für Händler und Konsumenten beinhaltet.  

Autor

  • Marcus W. Mosen, Babyboomer aus dem Spitzenjahr, kommentiert Payment- und Bankingthemen bei uns und u.a. bei Finanz-Szene.de und erfreut seine follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Marcus W. Mosen hatte nach BWL-Studium in Koblenz und Birmingham seine ersten berufliche Stationen bei der Treuhandanstalt in Berlin und bei einem Telekommunikationsunternehmen in Düsseldorf. Seit 1999 hat er an verschiedenen Schaltstellen der deutschen und europäischen Paymentbranche die Entwicklungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs aktiv mitgestaltet. Heute ist er als Advisor und Investor in den Fintech & Tech-Szene engagiert.

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