PSD2 ist da – und nun?

PSD2 ist da – und nun?

Was passiert nach dem lang ersehnten Start der PSD2?

Lange wurde drüber geredet und nun ist sie seit einer Woche gesetzliche Realität: Die PSD2! Für viele am Markt Grundlage für Innovationen rund ums Konto und Start einer Open-BANKING Bewegung. Zudem wichtige Rahmenbedingung für die aktive Nutzung von Daten.
PSD2 ist da – und nun?
Photo credit: Spinstah on Visualhunt / CC BY-NC-SA
Ab wo stehen wir? Wir haben hier schon mehrfach versucht den Status und die noch offenen Fragen und Fakten darzustellen. Heute wollen wir uns aber den inhaltlichen Frage widmen und eine Aussicht auf die Erwartungen geben, die Experten mit dem Thema verbinden. Einen spannenden Ausblick auf die Banken selbst, hatte vor einigen Wochen schon einmal Arnulf in seinem Artikel über die Meta Bank gegeben, in welchem er ein realistisches Modell einer datengetriebenen, sehr kundenzentrierten Software–BANK zeichnete. Für mich sind, neben den Banken selbst aber vor allem die Services spannend, in denen Banking heute noch nicht wirklich stattfindet, aber es total Sinn ergeben würde, eine Verbindung herzustellen. In der PSD2 Sprache nennt man diese sogenannten Dritten ja TPPs. Fast schon ein wenig despektierlich, da gerade diese Dritten die Treiber neuer Modelle und Innovationen im Interesse der Kunden sind. Und hier spreche ich eben nicht allein von den klassischen BANKING Apps wie Outbank und dem Paymentdienst Sofort, sondern von Diensten, in denen Banking auch nur ein kleiner aber sehr sinnstiftender und wertvoller Bestandteil ist. Warum kann Banking ein sehr wertvoller Bestandteil von Angeboten sein?
  • Nahezu alle haben es
  • Im Banking versteckt sich eine sehr große Wahrheit über uns
  • die Informationen sind gehärtet
  • Die existierenden Rails erlauben den zuverlässigen weltweiten Versand von Geld auf Basis vorhandener Regeln
  • Banking Prozesse sind Teil eines jeden Business Prozesses – irgendwann wird immer bezahlt oder zumindest geprüft (Daten)
Und daher sind die denkbaren Anwendungsfälle auch so vielfältig und spannend. Von der Buchhaltung, über Scoring, Versicherungen, Immobilienverwaltung bis zum Identity Provider. Überall dort ergibt die Einbindung und Nutzung von Banking Sinn. Banking im richtigen Kontext angewendet, wird ein Riesengewinn für den Nutzer. Was für uns deutsche Experten, dank HBCI etc. aber vielleicht gar nicht so neu ist, stellt für den Rest der Welt und vor allem aktuell Europa eine echte Veränderung dar. Mit der PSD2 öffnet sich ein unfassbar großes Datensilo für den Markt und zugleich steht nun europaweit eine komplette Banking und Payment–Infrastruktur zur Nutzung bereit. Das Gute ist: Diese Öffnung ist nichts Wert und nicht möglich ohne uns Kunden. Wir müssen diese Öffnung aktiv wollen und dieser Nutzung zustimmen. Das erfordert gute Dienste und nach meiner tiefen Überzeugung, einen sensiblen und verantwortungsvollen Umgang mit Daten und Sicherheit. Uns Kunden selbst, macht es zum echten Souverän unser Daten. Einen zusätzlichen Trustfaktor stellt die Regulierung der oben erwähnten TPPs dar. Diese aufsichtsrechtliche Überwachung wird das Image von Banking im Kontext nachhaltig verändern und damit die Verbreitung in der Masse der Dienste sehr stark verändern. Die Nutzung von Banking in Diensten Dritter kann damit nicht mehr, wie in der Vergangenheit, sehr oft als unsicher und unrechtens stigmatisiert werden. Aber was denkt Ihr?
PSD2 ist da – und nun?
Photo credit: Steve Walser on VisualHunt / CC BY-NC-ND

Miriam:

  • Jetzt ist die PSD2 eine Woche alt und ein paar Dinge sind schon passiert.

Seit 13. Januar ist es z.B. bei Germanwings egal wie ich bezahle. Endlich muss ich nicht mehr die Lastschrift wählen um mir die Zusatzgebühren für Rechnung oder Kreditkarte zu sparen. Händler dürfen keine Zusatzgebühren mehr für bestimmte Zahlungsarten verlangen, der Verbraucher kann also ohne Angst vor Aufschlägen frei wählen, wie er bezahlt. Eine Ausnahme ist hier im Moment die Tarifverordnung der Berliner Taxen. Diese steht im Widerspruch zur PSD2. Ich bin sehr gespannt wie das weitergeht. Die Beschwerdeflut gegen die 1,50€ Zahlungsartenaufschlag war letzte Woche wohl recht groß.

Seit dem 13. Januar gelten ja nun auch die neuen AGB´s der Banken. Sie bieten dem Nutzer einen besserern Schutz, wenn unbefugt vom Konto oder der Kreditkarte abgebucht wurde. Die Haftgungsgrenze für den Kunden ist auf 50 € gesunken. Außerdem dürfen auch Hotels und Autovermieter nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers einen Betrag auf dessen Kartenkonto reservieren.

Bisher wollte noch kein Zahlungs- oder Kontoinformationsdienst auf mein Bankkonto zugreifen. Noch gibt es meiner Meinung nach wenige neue Startups in diesem Bereich. Ich erwarte hier eine deutliche Zunahme.

Cornelia:

  • Für mich ist vor allem aufregend zu beobachten, wie nun nach der theoretischen PSD2-Debatte mit Fakten umgegangen wird und wie sich dies auf den Open Banking Markt in Europa, aber auch sehr unterschiedlich in den Mitgliedstaaten, auswirken wird.

Wird die PSD2 tatsächlich auch in Ländern mit aktuell noch null bis wenigen TPPs eine Gründungswelle auslösen oder profitieren dort allein Banken von den Innovationszielen der Richtlinie? Passiert dort ein ähnliches Maß an Innovation oder “nur Multibanking”, weil es keinen TPP-Druck gibt?

Können sich alle heutigen TPPs unter den aufsichtsrechtlichen Anforderungen langfristig am Markt halten und wenn ja, in welcher Form? Braucht es starke Licence as a Service Provider, damit Startup Ideen in einem regulierten Open Banking Umfeld überhaupt noch umsetzbar sind?

Eine der wichtigsten Fragen der kommenden Monate wird zudem sein, ob der Markt es ohne Brüssel schafft, durch Premium-Modelle auch über Zahlungskonten und somit die PSD2 hinaus, Open Banking zu leben. Das wünsche ich mir, zumindest für die Verbraucher und Europa.

Aus FinTech Regulierungssicht allgemein, werden schließlich alle Erkenntnisse aus dem PSD2-Experiment in neue Debatten einfließen. Wie lange können aufsichtsrechtliche Anforderungen an, sich schnell entwickelnde Technologien, überhaupt aktuell sein? Kann regulierte Innovation überhaupt funktionieren? Wenn ja, wie? … EuroparlTV Binge Watching…

PSD2 - und nun?
Photo credit: drewgstephens on Visual hunt / CC BY-SA

Kilian:

  • Wenn wir aus unserer Banking und Payment Nerd Blase mal in die echte Welt schauen, hat der Termin nicht so wirklich Relevanz – das einzige was passiert ist: Die Banken haben neue AGB’s geschickt, die keiner liest – typisch deutsch – erstmal absichern bevor man was sinnvolles tut. Im Umkehrschluss sehe ich das Thema “Öffnung” als einen schleichenden Prozess und daß ist auch gut so. Viele der Player aus dem Ecosystem müssen sich an die “neue Freiheit” gewöhnen und überlegen, wie Sie damit umgehen. Die Regulatorik trifft nun auch auf die “Realität” – da werden sich nun Lücken ergeben, die man schließen muss (weil bewusst offen gelassen oder so nicht “angedacht”). Es wird sich auch zeigen, dass der Markt in Richtung der Regulatorik eine gewisse Macht hat. Einiges wird sich anders etablieren als gedacht. Das Thema PSD2 wird sich glaube ich auch nicht weiter “in der Masse” etablieren – es werden die Services sein, die nach und nach kommen – und hier hoffe ich auf Innovationsfreude und “Mut etwas auszuprobieren” – die Chancen sind da…. und “sogar” von Brüssel etc “getrieben und gefordert”. Viele der Punkte werden sich beim Nutzer aber gar nicht als “neu” darstellen – daher ist der Termin per se auch nicht so relevant – einiges wird nun auf “sichere regulatorische Beine” gestellt – ist aber meist schon so etabliert, dass sich dadurch nichts ändert. Einiges wird nun “nach und nach funktionieren”, wo man sich gefragt hat, warum nicht schon immer (z.B. Integrierte Kontenzugriffe aus der Buchhaltung “ohne HBCI”) Spannend, wenn sich die ersten TPP’s aktiv aus der Deckung bewegen – und es dann um das Kerngeschäft der Banken geht – den Kunden…. viele sind da “ready to go” bzw. machen es schon – Check24 lässt grüßen.

Arnulf:

  • Erst einmal ist der PSD2 Launch ein Non-Event, sprich: Scheinbar passiert gar nichts. Denn die Schlauen haben bereits lange vorher ihre Ideen ausprobiert, die Zögerer legen jetzt erst los, und die Pünktlichen sind beschäftigt mit dem Launch. Und doch geht ein tektonischer Ruck durch den Markt: Mit kleinem Ausschlag aber unglaublicher Energie dahinter, dessen Wirkung sich wie ein Tsunami sehr viel später und sehr viel weiter weg entwickelt. Denn die PSD2 wird wie ein Tsunami durch den Markt spülen und vieles auf den Kopf stellen. Mehr und mehr Entwickler, Startups und branchenfremde Unternehmen werden mit den neuen Möglichkeiten herumspielen, Neues ausprobieren und auf komplett verrückte Ideen kommen weit jenseits des klassischen Bankings: Warum nicht meine Heizung ausmachen, wenn ich die EC-Karte benutzt habe, denn dann bin ich ja definitiv aus dem Haus? Warum nicht eine Reiseversicherung abschließen, wenn ich zum Flughafen fahre und das Taxi bezahlt habe? Gibts heute alles schon, wird und lässt sich aber nicht durch meine Handlungen triggern, sondern erreicht mich bestenfalls als Werbung an geeigneter Stelle. Ob es solche neuen Use Cases werden, oder jemand schlicht eine Meta-Bank baut, die den perfekten Produktmix für mich aus den günstigsten Angeboten aus dem Markt zusammenstellt und mir die in einer konsolidierten User Experience anbietet – am Ende wird das Geld am Frontend zum Kunden verdient, und das werden neue Player besitzen und kontrollieren, die aus meinen Daten intelligente Produkte ableiten. Und es wird die Anbieter der dahinter liegenden Infrastruktur geben, die in einem ‚Race-to-the-bottom‘ – wie jede Commodity – allein durch Effizient und Skalierung aufzufangen versuchen können, was ihnen durch Innovation an Andere verloren geht. Mögen die Spiele beginnen!
PSD2 ist da – und nun?
Photo credit: mikecogh on VisualHunt / CC BY-SA

 Jochen:

  • PSD2 bringt für den Kunden im 1. Schritt keine sofort fühlbaren einschneidenden Veränderungen wie PSD1 mit “IBAN-Dem-Schecklichen”. Während viele FinTechs auf den Tag hingefiebert haben und die Chancen der PSD2 sehen, gilt für viele Banken, daß es immer noch eher eine Zwangsbeglückung darstellt. Sie sind spätestens jetzt gezwungen sich mit APIs und Plattform zu beschäftigen, was in Online-Industrien schon seit Jahrzehnten den Standard darstellt. Zu viele Banken ließen sich leider wieder nur von den “üblichen” Banken-Beratungen einflüstern, was man denn jetzt daraus machen kann. Reicht das? Aus vielen Gesprächen mit Banken nahm und nehme ich mit, daß viele es erst einmal als leidiges Übel sehen, eine Minderheit sehen die Chancen und nur ganz ganz wenige sind wirklich “ready” mit marktfähigen Produkten und Services.

Im Gegenteil: In meiner Payments-Blase fällt mir leider auf, daß viele in den Banken sich lieber damit beschäftigen wie man Payments für den Kunden wegen PDS2 eher komplizierter als einfacher macht (Stichwort RTS und 2FA). Dabei gibt es so viele spannendere Use Cases… Ich bin ferner extrem gespannt was die GAFAs plus PayPal aus ihrer “Giftküche für die Banken” vorbereitet haben. PSD2 ist für StartUps als auch Banken eine tolle Chance. Für Onlinekonzerne ist es dagegen ein riesiges gefundenes Fressen. Wir dürfen gespannt sein, was in den kommenden Monaten und Jahren alles am Markt passiert. Und last but not least: Was machen denn jetzt die vielen Menschen bei den verschiedenen Regulatoren, die sich in den letzten Jahren rund um PSD2 die Köpfe zerbrochen haben? Die spitzen schon einmal die Bleistifte und überlegen grobe Grundzüge der PSD3 ? Langweilig wird es jedenfalls nicht.

Rafael:

  • Da isse nun die PSD2. Und? Hat sich was getan? Weltuntergang? Alle Daten vom Konto weg (wie bestimmte Käseblätter lauthals in großen Lettern schrieben)? Nö. Ich muss nicht mehr extra für Kartenzahlung zahlen – in Theorie, denn was kümmert die Berliner Taxifahrer eine EU Verordnung und nationales Recht. Es ist gut, dass es endlich losgeht. Es gibt immer noch zu viel Unsicherheit im Markt, was denn jetzt wohl passieren wird und wie das jetzt wohl genau gemeint ist mit den Regeln? Leider sind viele Banken noch gar nicht durch mit der Implementierung – war sich da etwa jemand zu sicher, noch auf den letzten Drücker Änderungen per Lobbyarbeit hinzubekommen? D.h. selbst wenn morgen eine Flut von TPPs zertifiziert würde, dauert das wohl noch einen Moment. Sehr enttäuschend. Das Thema wird uns noch länger beschäftigen und der Endkunde wird nur schleichend immer mehr Anfragen auf den Kontozugriff bekommen. Es bleibt zu hoffen, dass da jetzt nicht jeder „mal eben“ Zugriff anfragt, nur weil es jetzt einfacher geht. Die echten Killer Use Cases werden wir erst später sehen, wenn die simplen Sachen abgefrühstückt wurden. Intelligente Use Cases a la IFTTT (if this then that) brauchen mehr als nur die Kontodaten – der Mix machst.

Autor

  • André M. Bajorat ist seit fast 30 Jahren in der deutschen Digitalwirtschaft zu Hause. Über die Stationen SK Online, Star Finanz, giropay und Number Four kam er 2012 als Business Angel zu figo. Das Unternehmen führte er von 2014 bis September 2019 als CEO von einer b2c App zu einem von der BaFin regulierten Banking as a Service Provider. Seit 2020 ist er Teil des deutsche Bank Konzerns und seit Mitte 2022 Managing Director bei einem deutschen Assetmanager. Er ist zudem Gründer und Herausgeber des erfolgreichen Branchen-Portals paymentandbanking.com, Podcaster, Investor (figo, Finleap, Loanlink, Sparkdata, Weddyplace, nufin, portify, moss, compa, brygge, embeddedcapital, PlanetA, Naro), Mitglied im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums, aktives Mitglied im Bitkom, Herausgeber des Buches “Köpfe der digitalen Finanzwelt” und international gefragter Speaker. Inhaltliche Schwerpunkte sind Banking, Payment, FinTech, API-Banking, digital Assets und Crypto. Außerdem ist er Mit-Initiator und Ausrichter der Wahl zum „FinTech des Jahres” sowie der Eventreihen Bankathon, Payment Exchange, Banking Exchange und Transactions.io.

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