Mobile is killing the Payment Player

Mobile is killing the Payment Player
Marc Andreesen prägte vor fast 6 Jahren den Begriff „Software is eating the world“ in einem Artikel im Wallstreet Journal und sagte voraus, daß weltweit alle Firmen Softwareanbieter werden würden und dies kein Phänomen des Silicon Valley alleine sei. Sein Kollege Benedict Evens erweiterte die Aussage auf „Mobile is eating the world“. Wurden diese Aussagen anfangs belächelt, so sprechen mittlerweile selbst die CEOs von Automobilherstellern und Banken von diesem Paradigmenwechsel ihre Unternehmen zu Technologie- und somit Softwarekonzernen. Der Online-Zahlungsverkehr war im Vergleich immer stark technologisch geprägt. Hier kommt der Paradigmenwechsel jedoch durch die mobilen Endgeräte, daher sollte es hier vielmehr heißen: Mobile is killing the Payment Player? Paypal hat letzte Woche wieder beeindruckende Finanzkennzahlen veröffentlicht. Das Paymentvolumen stieg (bereinigt um Währungseffekte) um 28% auf $354 Mrd im Jahr 2016, der Ertrag um 21% auf $10,8 Mrd und bei den Kunden stieg die Anzahl der aktiven Accounts auf 197 Mio (+10%) und deren Aktivität sogar um 13% auf 2,6 Transaktionen pro Monat. (Quelle PayPal Investor Relations). PayPal hat in der Nutzungsfrequenz somit das meistgenutzte deutsche Zahlverfahren, das Girocard/electronic cash-System überholt. 2015 wurden die rund 100 Millionen Girocards im Durchschnitt nur 2,15 mal pro Monat genutzt. (Quelle EURO Kartensysteme)

Ungebremstes Wachstum von „mobile“ am Online-Handel

Ungebremstes Wachstum von "mobile" am Online-Handel
Ungebremstes Wachstum von „mobile“ am Online-Handel
Viel beeindruckender waren jedoch die Kennzahlen des „mobile Payment“-Volumens von PayPal. Die Nutzung von PayPal durch mobile Endgeräte stieg laut PayPal um 55% von $66Mrd auf $102Mrd und mehr als 50% der PayPal-Kunden haben im Jahr 2016 mindestens einmal mobil bezahlt. Diese Payment-Transaktionen wurden nur durch mobile Endgeräte initiiert z.B. auf Smartphones via Browser oder In-App bzw. Tablets. Bereits seit längerer Zeit ist im boomenden Online-Handel ein Paradigmenwechsel festzustellen: Die Kunden nutzen ihre Smartphones immer häufiger auch zu Hause statt den „klassischen“ Rechner mit Monitor. Sie kaufen und bezahlen in nahezu allen Lebenslagen über und mit ihre mobilen Endgeräten. Sei es auf der Couch, im Bus oder auf der Strasse auf dem Weg in die Mittagspause. Dieser globale Trend, den man seit etlichen Jahren in den PayPal-Zahlen ablesen kann, ist längst auch in Deutschland angekommen. Bereits im Jahr 2015 lag der Anteil des mobil initiierten Online-Handels in Deutschland bei 30% und bei Zalando lag die mobile Zugriffsquote im 3. Quartal 2016 bereits bei knapp 70%. Auf der Payment-Exchange Konferenz letzte Woche in Berlin berichteten Online-Händler auf einem Panel ähnliche Zahlen: Bei Techstyle liegt der mobil-Anteil bei 70%, Fashionette kommt auf 60% und 50% des Umsatzes von Lampenwelt wird mobil getätigt und gekauft.

Handel hat sich längst mobil optimiert, Paymentmethoden und Banken hecheln dagegen eher schlecht als recht hinterher

Handel hat sich längst mobil optimiert, Paymentmethoden und Banken hecheln dagegen eher schlecht als recht hinterher
Handel hat sich längst mobil optimiert, Paymentmethoden und Banken hecheln dagegen eher schlecht als recht hinterher
Während der Handel schon längst „Mobile First“ denkt und handelt, wundert sich der interessierte Beobachter über die vielfach vorhandene Ignoranz zum geänderten Kundenverhalten bei manchen Zahlmethoden. Auch im Jahr 2017 sind z.B. die Mehrheit der 3D-Secure Implementierungen (MasterCard SecureCode & Verified by VISA) der deutschen Kreditkartenherausgeber noch immer nicht mobil optimiert und der Begriff „Mobile First“ scheint generell ein Fremdwort. Kein Wunder, dass MasterCard mit dem Mobile-First-Produkt Masterpass versucht eigene, neue Wege zu gehen. Es stellt sich die Frage wie lange der Kunde überhaupt noch akzeptiert eine 16-stellige Kartennummer, Gültigkeitsdatum und Kartenprüfnummer auf der Mini-Smartphone-Tastatur abzutippen, um dann bei einem nicht mobil-optimiertierten Formular seiner Bank noch ein zusätzliches Password eingeben zu müssen. PayPal bietet zeitgleich seit Jahren mobil optimiert die Zahlung in zwei Clicks an und über die Erkennung der Geräte-ID sogar gänzlich ohne Log-In. PayPal hat, ähnlich wie Amazon, eine extrem starke Kundenloyalität aufgebaut zulasten anderer Verfahren. Man fragt sich ferner wie die ganzen (Produkt-)Manager selbst einkaufen und warum ihnen diese Defizite ihrer Produkte seit Jahren nicht auffällt? Nutzen diese etwa gar nicht die Smartphones ihrer Kunden, sondern nur Blackberry- oder gar noch Nokia-Telefone? Wie oft wird der Kunde noch direkt mit Kreditkarte bezahlen wollen, wenn er einmal die mobile Bequemlichkeit von PayPal und anderen Mobile-First-Zahlmethoden kennen gelernt hat? Leider sieht es auch beim neuesten und damit vermeintlich innovativsten und modernsten Kind der deutschen Banken, Paydirekt, nur wenig besser aus. Auch da wurde eine durchgehende Mobile-First Strategie „vergessen“ oder nach hinten geschoben. Zumindest der Bezahlprozess an sich ist bereits mobil optimiert. Nur der für Paydirekt derzeit (überlebens)wichtige erstmalige Registrierungsprozess für Neukunden ist auch 2017 immer noch nicht mobil nutzbar. In den allermeisten Fällen wird ein „großer“ Screen vorausgesetzt. Es sollte jedoch bekannt sein, dass PayPal seine Neukunden in der überwiegenden Mehrheit direkt im Kaufprozess registrierte – wie übrigens auch die Banken selbst ihre Kreditkartenkunden vor Jahren für 3D-Secure im Zahlprozess aktivierten (enrollment-during-shopping). Warum Paydirekt und seine Banken diesen Prozess nicht optimieren ist m.E. nicht nachvollziehbar.

Zahlungsanbieter ohne „Mobile-First“-Strategie sind auf gleich drei Baustellen unter Druck

Die Anbieter von nicht, oder schlecht mobil optimierten Zahlungsverfahren, haben gleich drei überwältigend große Herausforderungen:
  1. Schlechte Conversion: Der Handel achtet auch im Zahlungsverkehr verstärkt auf die sogenannte Conversion, also die Erfolgsquote. Es wird kaum noch toleriert, dass man einen Kunden/Lead mit teurem Advertising-Geld eingekauft hat, alle Prozesse im Shop bis zur Zahlung optimiert hat, dann aber der Kunde am Ende abbricht, weil die Zahlungsabwicklung zu unbequem ist. Mobile verstärkt diesen Trend noch! Zahlverfahren mit schlechten KPIs aufgrund schlechter mobiler Nutzung werden auf die „schlechten Plätze“ der Zahlungsseite verbannt, komplett vom Handel „ausgelistet“ oder erst gar nicht aufgenommen.
  2. Netzwerkeffekt verstärken große Händler&Marktplätze: Der kleine Mobil-Screen sorgt für eine weitere Fokussierung auf sehr große erfolgreiche Händler und Marktplätze. Bevor der Kunde bei einem neuen, kleinen und unbekannten Händler auf der Mini-Tastatur sich erst umständlich anmelden und Adresse sowie erstmalig seine Zahlmethode angeben muss, nutzt er lieber die „großen“ bekannten Händler&Online-Marktplätze wo seine Lieferadresse und Zahlmethoden längst hinterlegt sind. Durch eine Konzentration der Handels- und somit Zahlungsvolumen auf einige wenige große Anbieter werden Händler und damit Zahlmethoden als auch kleinere Zahlungs-Dienstleister schneller aus dem Markt ausscheiden als sie derzeit wahr haben wollen. Die Marktkonsolidierung im Payment wird also gnadenlos weiter gehen.
  3. Recurring-Methoden im Vorteil: Aufgrund der beiden Punkte oben werden Zahlmethoden vom Handel favorisiert werden, die Recurring-Payment bieten. Also Zahlmethoden bei denen die Folgetransaktion einfacher abgewickelt werden kann als die erste Transaktion, da z.B. einmal eingegebene Zahlungsdaten oder Tokens wiederverwendet werden können und den Kaufprozess signifikant abkürzen.
Mobile führt also zu einer weiteren Konzentration sowohl im Handel als auch bei den Endkunden-Zahlmethoden. Angesichts der evidenten Kennzahlen sollten spätestens jetzt alle Alarmglocken schrillen und eine aggressive Mobile-First-Strategie eingeschlagen werden… oder aber es gilt tatsächlich Mobile is killing the Payment Player!    

Autor

  • Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken.

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