Die Kollegen von Neosfer, ehem. Main Incubator hatten mich eingeladen meinen persönlichen Rückblick auf 2023 beim Frankfurter Between-The-Towers-Event zu geben. Da ich vor Ort viel positives Feedback zum Rückblick bekam, habe ich mich entschieden eine kurze Zusammenfassung hier bei Payment & Banking zu schreiben. Die Präsentation könnt Ihr hier auch herunterladen.

Er kam um vieles zu verändern: Der Zins

Viele Entwicklungen des Jahres 2023 standen unter dem schnellen Anstieg der Leitzinsen seit 2022. Von der absoluten Ausnahmesituation negativer Zinsen haben wir uns sehr schnell zurück in die Normalität entwickelt. Zu schnell, angesichts der stark veränderten Fundingsituation für manche Gründer. Aber wir müssen ganz rational auf die Situation schauen. Die Leitzinsen lagen 1999-2002 und 2006-2011 zum Teil noch deutlich höher als heute, während wir aktuell schon wieder über mögliche Zinssenkungen spekulieren. Auch damals wurden in Hochzinsphasen gute, erfolgreiche StartUps, auch Fintechs gegründet. Ende der 1990er Anfang der 2000er Jahre z.B. 306T in Frankfurt (bis heute der größte Fintech-Exit in Deutschland), Computop (Exit an Nexi).  Ende der 2000er, Anfang der 2010er Jahre wurden z.B. Klarna, Taulia (1 Mrd Exit an SAP), Billpay (Exit an Klarna), Billsafe (Exit an PayPal), Ratepay (Exit an Nets/Nexi) gegründet. Wir lernen daraus: Die Zinssituation und die vermeintlichen Schwierigkeiten im Funding halten nicht davon ab, dass trotzdem erfolgreiche Fintech-Unternehmen gegründet werden. 

Das Lamento von einigen über die ach-so-schwierige Fundingsituation ist also stark übertrieben. Auch dieses Mal gibt es wieder FinTech-Modelle die vom Zins profitieren. Man denke an die Neobroker, die das Rennen um die Tagesgeldzinsen dieses Mal starteten, nicht Direktbanken. Auch sorgte der Zins für ungeplante Ertragsquellen von Neobanken, die lange unter dem Verdacht standen außer der Karten-Interchange keine wirkliche Ertragsquelle zu haben. Unser Gewinner des 2023 Fintech-des-Jahres Preis, Tamas von Raisin, gehört sicherlich auch zu den Profiteuren der Zinswende. Raisin steigerte in diesem Jahr die Einlagen um €20 Mrd auf €50 Mrd und brauchte für die vorherigen €30Mrd fast 10 Jahre.

Nachteilig war die Zinssteigerung aber für andere Fintech-Modelle. Wir sahen etliche Insolvenzen in allen Größenordnungen von Fintech-Modellen. Bei den überlebenden Modellen gab es gehäuft Firesales, Downrounds und Washouts. So gesehen war das Jahr äußerst unschön für einige Gründer und viele Mitarbeiter. ESPOs, IPO-Pläne und andere Seifenblasen sind dieses Jahr leider geplatzt, manchmal auch dauerhaft. Ob für die anderen die Werte bald zurück kommen? Daran darf stark gezweifelt werden. In der neuen Realität post 2023 müssen wieder kleinere Brötchen gebacken werden.

Ja is denn heut scho Weihnachten Finanzkrise 2.0

Viele haben die Bankruns bei Silicon Valley Bank und Credit Suisse vom Jahresanfang schon längst wieder verdrängt. Auch wenn primär Managementfehler für den Niedergang gesorgt haben, lernten StartUp- und Fintech-C-Levels an einem Wochenende das bisher verdrängte “Gespenst” des Counterparty-Risikos kennen. So sehr die Silicon Valley Bank vom “Lemming”-Effekt der StartUp-Branche jahrelang profitierte bei dem VCs, Gründer, CFOs ihr Mittel bei der “StartUp-Bank” parkten, so sehr litt die Bank dann vom gleichen umgekehrten Lemming-Effekt bei plötzlich abgerufenen Einlagen. Das StartUp-VC-Ökosystem agiert in vielen Fällen sehr trendgetrieben, manche bezeichnen es auch als “Fähnchen im Wind”-Verhalten statt Langfristigkeit. Insbesondere die CEOs und CFOs, die ihre kompletten Fundings bei dieser einen Bank hielten und nicht diversifizierten, mussten ein Wochenende lang schwitzen und schlecht schlafen, bevor es zum “Bail-Out” kam. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Auch lernten wir in dem Kontext, dass “Stable” Coins eben doch nicht so stabil sind wie der Name signalisiert. Der März 2023 demonstrierte uns, wieder einmal die alte Binsenweisheit: Don’t put all your eggs into one basket.

Auch die Meltdowns der Bewertungen an den Aktienmärkten hatten massgeblichen Einfluss auf Fintechs. Wenn Worldline als ehemaliger klassischer Exit-Kanal von Payment-Fintechs an einem Tag 60% verliert und “nur” noch knapp €3 Mrd Marktkapitalisierung schwach ist, an wen wollen dann Gründer ihre Payment-Fintechs zu attraktiven Unicorn-Bewertungen verkaufen?

Ai Ai Ai ..? Nächster Hype nach diesem Block-Dingens

Was vor wenigen Jahren die “heilige” Blockchain war, ist nun AI. DAS neue Tech-Thema in der Teeküche, zu dem jeder eine Meinung hat und irgendwie glaubt mitreden zu können. Hört man bei Konferenzen dem einen oder anderen Banker zu, wenn er über die Business-Chancen der KI spricht, hat man einen déjà-vue-Effekt: Irgendwie sind die Ziele und Auswirkungen die gleichen wie vor wenigen Jahren bei der Blockchain. Komisch nur, dass generative AI dieses Mal über die Endkunden-Schnittstelle kommt, während Blockchain-Anwendungen “irgendwie” im Hintergrund agiert bzw agieren sollte. Trotzdem steht 2023 für mich: AI ist das neue Blockchain. A propos Blockchain: Die Kollegen von Finanz-Szene haben das ehemalige Blockchain-Wishful Thinking zur Blockchain in chirurgischer Präzision frei gelegt und den nackten Kaiser ohne Kleider enttarnt, wie man hier und hier nachlesen kann. 

9x Berlin 1x Frankfurt und 1x Düsseldorf – Die Fintech Awards 2023

Erinnert Ihr Euch noch? Vor knapp 10 Jahren gab es Rivalitäten zwischen Frankfurt und Berlin, wer denn nun der Vorzeige-FinTech-Standort in Deutschland sei. Frankfurt wucherte mit B2B und Asset Management Kompetenz und rief gerade das TechQuartier ins Leben. Berlin hatte das Rocket-Internet-StartUp Ökosystem und mit Finleap als FinTech Company Builder gerade das angebliche “Leading fintech ecosystem in Europe” gestartet. Die tatsächliche Realität heute zeigen die 2023er Preisträger des Fintech des Jahres. 9 der 11 Preisträger kommen aus Berlin, nur einer aus Frankfurt und einer aus Düsseldorf. Die Rivalität zwischen der Finanzmetropole Frankfurt und der Startup Metropole ging 2023 eindeutig an Berlin als tatsächliche Fintech Metropole in Deutschland. Kurioserweise aber mit einer Ausnahme (Exit des Jahres) auch nicht ans “leading” Finleap fintech ecosystem, sondern an dritte, davon unabhängige Unternehmer:Innen bzw. Unternehmen in der Stadt Berlin. 

Thesen für 2024 – was erwartet uns im kommenden Jahr?

Crypto-Revival: Wir werden nach einem eher schwierigen Winter einen neuen Crypto-Frühling sehen. Getrieben von Bitcoin-Halving und der Umarmung von Crypto durch TradFi werden BTC, ETH und co einen neuen massiven Schub erreichen. Crypto emanzipiert sich als ernstzunehmende Asset-Klasse weshalb die traditionellen Finanzdienstleister mehr und mehr das Thema selbst treiben. Aber Quatsch der schon immer Quatsch war, wird trotzdem nicht zurück kommen. Ich denke da an den ICO und NFT Hype. Affen, die für Comicaffen als NFTs viel geld bezahlten werden jenes nicht wieder sehen. Aber das Geld für die Affen ist nicht weg, nur halt jetzt woanders.

Cash ist King and so is profit. Der neue Topos, dass Profit über Wachstum stärker honoriert wird, wird auch 2024 unverändert gelten. Entsprechend wird sich die Fundingsituation zwar langsam verbessern, aber nur zäh und nur für die besten Modelle. Die Konsequenz daraus: Wir werden noch weniger (kostenintensive) Internationalisierung hiesiger Fintechs sehen, sondern Fokus auf die Kernmärkte um diese profitabel zu skalieren. Das bedeutet aber auch: Deutsche Fintechs werden weiter eher Übernahmekandidaten sein, statt internationale Übernehmer, leider. Die Gesamtsituation ist aber auch ein starker Rückenwind für Working Capital und Leasingmodelle im B2B Bereich und Absatzfinanzierung im Retail-Bereich.

Die multiplen Krisen (Ukrainekrise, Energiekrise, Klimakrise) bieten für StartUps neue Chancen für neue Geschäftsmodelle. Ich erwarte, dass wir 2024 die ersten Krisen-Gründungen wahr nehmen werden, die helfen mit den Herausforderungen der Krisen besser umzugehen. 

Neue Phase von Bank-Fintech-Kooperationen. Die Zeit als Banken unbedingt Fintech-Kooperationen machten “mussten” um dieses Fintech-Dingens zu verstehen und bei Innovation “am Ball” zu bleiben, ist vorbei. Fintech-Services und Fintechs werden zusehends wie x-beliebige Vendoren behandelt. Das ist auf der einen Seite gut, weil daraus eine eher langfristige Beziehung für das Fintech entstehen kann, aber auch schlecht auf der anderen Seite, da dies die etablieren, globalen IT-Dienstleister der Banken bevorzugt. Diese neue Phase stellt daher vor allem neue und kleinere Fintechs im B2B Bereich vor Herausforderungen. Auf der anderen Seite sind klassische Tech-Vendoren als “Brot-und-Butter”-Vendoren der Banken auch potentielle Exit-Kanäle für Startups.

Last but not least: Wir werden 2024 eine noch weitere “Professionalisierung” der C-Levels in FinTech sehen. Die Zeit der Heißluftdüsen und Storyteller ist vorbei. Operational Excellence in den Firmen wird immer wichtiger und damit kommen andere Anforderungen ans Management. Nicht alle Gründer sind dazu in der Lage, oder wie es im PR-sprech dann so schön heißen wird: Eine neues Kapitel des Wachstums wird eröffnet.

2023 steht für den Kopfschmerz nach der großen Party. 2024 ist der Hangover vergessen und Fintech Germany geht fit in die nächste Phase über! Guten Rutsch!

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