Krisenkommunikation, Teil 1: Wie man den Kopf aus dem Sand bekommt…

Krisenkommunikation, Teil 1: Wie man den Kopf aus dem Sand bekommt...

Es spielt keine Rolle, ob es sich um eine hausgemachte Krise handelt oder einen exogenen Schock wie die Corona-Pandemie. Eines ist in allen Fällen immer gleich: Wie ein schwarzes Loch ziehen Krisen alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Sogwirkung ist gigantisch. Intern in den Organisationen und Unternehmen ist alles auf Krisenbewältigung und Krisenkommunikation fokussiert. Extern erscheinen alle Medien nahezu monothematisch. Die aktuelle Corona-Krise ist dafür ein Paradebeispiel.

Zugegeben, in einer solchen Situation im PR oder Marketing einfach auf „Normalmodus“ umschalten zu wollen, ist alles andere als zielführend. Viele Kanäle, Werkzeuge und Themen funktionieren nicht mehr oder anders als vor der Krise. Wer jetzt versucht, sein Programm durchzuziehen, wird zwangsläufig scheitern. Die Kommunikation bleibt genauso wie die gesamte Unternehmens-führung im Krisenmodus. Das bedeutet, dass der Krisenstab auch weiterhin arbeitet, die festgelegten Abstimmungswege genau eingehalten werden sollten, und dass es entscheidend ist, schnell, transparent und gradlinig mit wenig Werbebotschaft zu kommunizieren.

Doch Vorsicht: Kaum etwas kommt allgemein schlechter an, als Halbwahrheiten oder einfach flapsig dahingesagte lockere Sprüche. Einen der berühmtesten Ausrutscher dieser Art leistete sich der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper, als er Millionenbeträge im Krisenfall flapsig als „Peanuts“ abkanzelte. Dem Image der Bank erwies er damit einen Bärendienst, der immer noch nachwirkt.

Krisenkommunikation, Teil 1: Wie man den Kopf aus dem Sand bekommt...

Krisen-PR bietet viele Chancen, eigene Akzente zu setzen

Dennoch: Bei aller Umsicht darf es kein Dauerzustand sein, einfach abzuwarten und den Kopf in den Sand zu stecken. Im Gegenteil: Die Herausforderung für gute Kommunikation ist es, auch in dieser Situation Ideen zu entwickeln und Chancen zu finden, um mitten in der Krise positive Kontrastpunkte zu setzen und seine eigenen Ziele damit wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Bildlich gesprochen geht es darum, aus der Rolle des passiven Mitfahrers wieder aktiv zu werden, das Steuer in die Hand zu nehmen und selbst wieder Richtung und Geschwindigkeit zu bestimmen. Krisenkommunikation bedeutet eben nicht nur, auf den Zwischenfall oder den Schock zu reagieren, sondern auch in der Krise, neue Strategien und Maßnahmen für die Kommunikation zu entwickeln und umzusehen.

Die Ziele sind dabei immer gleich: Es geht immer darum, Transparenz zu schaffen, Vertrauen ins Unternehmen, seine Produkte oder Vertreter aufzubauen und schließlich das Image und die Marke positiv aufzuladen.

Den idealen Zeitpunkt, um hochzuschalten, gibt es dabei eigentlich aber gar nicht. Denn ein Kernelement jeder Krise ist, dass sie sich dynamisch entwickelt. Für die Kommunikation bedeutet das: Eine große durchgehaltene Linie macht wenig Sinn, vielmehr lohnt es sich in Krisenzeiten flexibel zu bleiben und sich möglichst schnell auf die neuen Gegebenheiten einzustellen.

Aktive Kommunikation, statt passives Verharren ist gefragt

Mit jedem Tag, den die Krise andauert, verändern sich die Gewichtungen in der Berichterstattung und zugleich auch die öffentliche Wahrnehmung. Viele Medien suchen mittlerweile händeringend nach dem berühmten „Weiterdreh“ beim Thema Corona. Schließlich ist nach mittlerweile fast acht Wochen Dauerfeuer so ziemlich alles schon geschrieben und gesagt. Mit anderen Worten: Der Boden ist bereitet, es könnte sich lohnen, jetzt wieder über aktive Kommunikation jenseits von Corona und Krise nachzudenken und loszulegen.

Krisenkommunikation, Teil 1: Wie man den Kopf aus dem Sand bekommt...

Mit der krisenhaften Zuspitzung der vergangenen Wochen ist auch der kreative Ideenreichtum enorm gewachsen. Die Krise bietet in diesem Fall auch eine große Chance, Dinge auszuprobieren, ohne gleich belächelt zu werden, wenn es nicht hundertprozentig rund läuft. Das gilt auch bei der digitalen Kommunikation. Niemand regt sich auf, wenn das Bild nicht hundertprozentig HD ist, niemand lacht, wenn das Webinar einen textlichen Hänger hat.

Und wenn plötzlich der Nachwuchs in die Videokonferenz platzt, freut sich jeder – vor einem halben Jahr wäre das noch als „unprofessionell“ abgestempelt worden. Ohnehin: Die neuen Medien bieten viel Potenzial für Kampagnen „out of the box“.

Noch vor wenigen Monaten kannten viele nicht mal den Namen von mehr als einem Videokonferenz-Tool. Heute hat jeder von uns mindestens drei solcher Apps auf seinem Smartphone. Und querbeet gibt es plötzlich spannende digitale Live-Events – und das nicht nur bei Startups, sondern auch bei großen Konzernen.

Neue Formate ausprobieren

Gute Ansätze gibt es vielerorts. Und sie sind immer dann gut, wenn sie nicht Schema F bedienen, sondern Gegebenheiten antizipieren. Das gilt auf der großen nationalen oder internationalen Bühne ebenso wie im kleinen regionalen Umfeld. So werden beispielsweise in den nächsten Monaten wohl keine großen Events, Konferenzen oder Kundenveranstaltungen mehr möglich sein, mit denen sich eine typische deutsche Regionalbank profilieren könnte. Aber praktisch in jeder größeren Stadt gibt es plötzlich wieder Autokinos. Warum also nicht mal ein bisschen Budget in die Hand nehmen und eine PR- und Marketing-Kampagne drum herum stricken?

Wer sich umsieht, findet Ideen und Ansätze überall, das gilt sogar für die Kommunikation sperriger Themen. Die Deutschen und ihr Bargeld hatten bis vor kurzem noch eine unzertrennliches „Liebesbeziehung“. Aber wenn in jedem noch so kleinen Supermarkt oder Imbiss plötzlich „Wegen Corona – bitte kein Bargeld!“ –Schilder stehen, warum diese nicht in der eigenen PR thematisieren und das Thema in einer Umfrage oder Studie noch mal ein bisschen breiter auswalzen?

Aber wenn in jedem noch so kleinen Supermarkt oder Imbiss plötzlich „Wegen Corona – bitte kein Bargeld!“ –Schilder stehen, warum diese nicht in der eigenen PR thematisieren und das Thema in einer Umfrage oder Studie noch mal ein bisschen breiter auswalzen?

„Wegen Corona – bitte kein Bargeld!“

Ein pfiffiges Beispiel für kreative Kommunikation aus meinem eigenen Dunstkreis liefert beispielsweise das deutsch-chinesische Technologieunternehmen faytech, ein Spezialist für industrielle Touch-Displays. Der Gründer, Arne Weber, sitzt in China und hatte Anfang des Jahres über Wochen mit dem Lockdown zu kämpfen. Als Deutschland nachzog, hatte er einen zeitlichen Vorsprung und damit eine Geschichte zu erzählen, die Mut macht. Und so schreibt Arne Weber in der Wirtschaftswoche das Tagebuch einer Krise. (https://www.wiwo.de/my/technologie/digitale-welt/tagebuch-aus-shenzhen-1-ich-denke-die-spinnen-doch-alle/25691370.html?ticket=ST-832049-yuxkjtJWfpcDENIGQHk6-ap6)

Es lohnt sich also, den Kopf aus dem Sand zu holen und zu schauen, wo Kommunikation in der Krise möglich ist und lohnt.

Do’s:

  • Quer denken: Auch in der Krise lauern Kommunikationschancen, aber manchmal erst um die Ecke
  • Flexibel bleiben: Krisen entwickeln sich dynamisch. Die Kommunikation muss es auch
  • Neue Möglichkeiten nutzen: In der Krise haben sich neue digitalen Kommunikationskanäle etabliert
  • Gradlinig, transparent und werbefrei informierten – Das schafft Orientierung
  • Machen, machen, machen: Die Öffentlichkeit wartet auf gute Geschichten abseits der Krise

Don’ts:

  • Kopf in den Sand stecken – Es kann nicht mehr nicht kommuniziert werden 
  • Keine Zeit für große Pläne – Statische Kampagnen scheitern in der Krise  
  • Abwarten ist Gift – wer auf das Ende der Krise wartet, hat das später Nachsehen
  • Sprücheklopfer bitte draußen bleiben – Tonalität, Sprache, Wording sollten sachlich und informativ bleiben

Der Autor

Marco Cabras ist Journalist und PR-Fachmann. Als Mitgründer und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur newskontor berät und unterstützt er Unternehmen und Organisationen, Startups, Mittelständler und Großkonzerne in Kommunikationsfragen.

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