Wir haben es schon oft gesagt und auch gehört: Deutschland ist der Erfinder von Open-Banking. Früh gestartet in den 80ern (BTX), Progress in den 90ern (HBCI), Skalierung in den 2000ern (sofort, giropay) und 2010ern (mobile App, erste APIs) – aber dann? Dann kam die PSD2 und alles sollte noch besser werden.
Aber ist es so oder ist eher das Gegenteil der Fall? Diese Woche kam die Meldung, dass ein weiterer der relevanten Open Banking Player aus Deutschland übernommen wurde. Glückwunsch nach München und Butzbach an die Kolleginnen und Kollegen von FinTecSystems zum persönlichen Erfolg, den der Exit an den schwedischen Player Tink sicherlich darstellt. Es ist bereits der zweite Exit eines deutschen Open-Banking Players in den letzten Jahren – 2018 wurde finapi bereits von der Schufa übernommen.
Eine kleine Historie im Blog:
Was bedeutet das? Warum entsteht kein Global Player für das Segment aus Deutschland? Schaffen es die Open Banking Player nicht allein groß zu werden?
Und welche Fragen stellen sich in einer Zeit in der Open Banking Player aus den USA, UK und anderen Vorreiterregionen Rekordsummen in Fundingrunden einsammeln können (Truelayer, Yapily, Plaid, Tink, etc.)?
Waren die deutschen Player zu früh erfolgreich?
Eine These, die ich im Kopf habe, ist, ob die deutschen Player in frühen Jahren relativ gesehen zu erfolgreich waren und dann mit der Einführung und den Wirrungen rund um die PSD2 zum Opfer der eigenen und vor allem VC-Erwartungen wurden. Manchmal scheint es einfacher, auf Basis von Ideen und Visionen VCs zu überzeugen als mit einer verzögerten Traktion. Allerdings muss man Tink und Plaid zugute halten, dass die Firmen auch bereits nahezu 10 Jahre alt sind und vielleicht einfach besser performed haben.
War die technische Vergangenheit eine zu große Hürde?
Open Banking wird heute nahezu gleich gesetzt mit dem Begriff API. Allerdings sind die deutschen Player alle noch in einer “Schnittstellen-” (HBCI) oder gar Screen-Scraping -Welt (BTX) gestartet. Neue Anbieter wie Truelayer oder Yapily scheinen es hier leichter zu haben, da man nicht verschiedene Welten vereinen muss. Aber auch hier scheinen Tink mit ihrem Reverse-Factoring-Ansatz, mit mobilen APIs und Plaid, mit Screen Scraping und direkten Integrationen in Banken einen sehr erfolgreichen Weg gefunden zu haben.
Fehlten die erfolgreichen Modelle als Boost?
Als Infrastruktur ist man in einem SaaS Modell immer auch abhängig von der Nutzung der eigenen Dienste – oder anders gesagt vom Erfolg der Kunden. Das ist Fluch und Segen zugleich. Zurückblickend fehlte es Playern in Deutschland vielleicht an den mega Use Cases wie es Robinhood oder Venmo zum Beispiel für Plaid sind und waren und die ein skalierendes Modell “geprooved” haben.
Können die weltweiten Open Banking Player Deutschland nicht allein?
Auffallend ist, dass bisher keiner der Player aus dem Ausland wirklich erfolgreich nach Deutschland gekommen ist. Bis auf Ankündigungen (bei Tink selber seit Jahren) und Testimplementierungen haben wir bisher keine wirklichen Cases gesehen. Möglicherweise ist der aus der Vergangenheit “versaute” deutsche Markt dann doch zu speziell, um ihn einfach von außen einzunehmen. Zugleich aber sicher zu groß, um ihn links liegen zu lassen. Daher macht der Schritt von Tink wohl Sinn und gegebenenfalls folgen dem Beispiel dann noch andere.
Ist der deutsche Markt zu groß um wirklich gross zu denken?
Möglicherweise eine steile These, aber keine, die nur auf Open Banking passt. Schon häufiger haben wir hier im Blog über den gefährlichen deutschen Markt für Startups gesprochen. Der Markt ist als solcher so groß, dass man sich sehr lange mit ihm beschäftigen kann und jedes weitere angrenzende Land sehr klein aussieht. Das lässt deutsche Gründer sehr oft zu “klein” denken, da es nicht den nächsten großen Markt gibt, sondern Scale nur über mehrere Regionen kommen kann. Da haben es Startups aus anderen Ländern leichter, da klar ist, das Scale nur über viele andere Länder gehen wird.
Wir sehen hier eine – schon häufig genutzte – Parallele: die der Payment Service Provider. Von diesen gab es vor 10 Jahren noch sehr viele regionale Anbieter. Auch hier hat sich der Markt konsolidiert und wir sehen immer größere Payment-Player die mehr als nur originäre PSP-Leistungen anbieten.
Wie sieht das Team das Thema?
Jochen Siegert
Mit einem lachenden Auge gönne ich dem Team rund um Stefan und Rudolf von FintechSystems den Exit sehr als Erfolg ihrer harten Arbeit. Aber ich habe auch ein weinendes Auge, dass einmal mehr ein deutscher Fintech-Innovator geschluckt wird. Leider ist das kein Phänomen der Openbanking- Fintechs sondern eine Normalität bei hiesigen B2B Fintechs.
Ganz selten gelingt es, einen lokalen starken Player zu etablieren, der dann einen Markt aktiv konsolidiert. Primär werden deutsche StartUps übernommen, was sehr schade für den Standort ist. Besonders im Bereich der PSD2 haben die Businesskunden der Fintechs lange 150% Wert auf Compliance & Vendor Risk Management gesetzt, in Kombination mit dem „not invented here“-Syndrom. Konsequenz: ultralange Saleszyklen für die StartUps, um dann festzustellen, dass die Business-Versprechen der Kunden teilweise nur halbherzig umgesetzt wurden und sich oft als Seifenblasen herausstellten.
Das resultiert in einer deutlich langsameren Skalierung als bei anderen Playern aus dem Ausland.
Die Openbanking-Anbieter aus USA, UK, Nordics dagegen haben viel schneller viel stärkere Business-Traktion vorzuweisen, weil ein anderes Mindset ihrer Kunden vorliegt. VCs & Investoren setzen bekanntlich ihr Geld auf die schneller skalierenden Startups, statt auf diejenigen, die erst dicke Bretter bohren müssen bei ihren Businesskunden.
Dieses Phänomen gilt daher nicht nur für PSD2, sondern für viele Bereiche im B2B-/Fintech-Segment in Deutschland. Der Exit von FintechSystems ist aber auch eine deutliche, laute und beeindruckende Bestätigung für Openbanking gegen die ewig gestrigen Unkenrufer, die lange versuchten, möglichst hohe Wagenburgen gegen den notwendigen Wandel zu bauen. Sehr gut gemacht, FintechSystems-Team, lasst Euch feiern! Der Openbanking-Markt ist nicht gescheitert!
Maik Klotz
Open Banking, a German invention established 1995. Hieß nur anders. HBCI, dann irgendwann FinTS. Ein wunderschönes Beispiel für ein typisches Problem in unserer Branche. Zu spät hat man das Potential erkannt, zu klein und zu national gedacht und am Ende macht man dicke Backen. Die gute Nachricht: es gibt zum Glück ja noch mehr Themen, die wir klein und inkonsequent genug denken können. Für FintechSystems ist das eine prima Story, für unsere Branche hingegen kein gutes Zeugnis.
Klaus Igel
Vorab meinen herzlichen Glückwunsch zum Deal an Stefan, Dirk und das gesamte Team der FinTecSystems. Dass der Open Banking Markt insgesamt weder gescheitert noch zu Ende ist, beweist die Übernahme von FinTecSystems durch Tink eindrucksvoll – andernfalls hätte ein solches Investment wenig Sinn gemacht.
Bei aller Euphorie bleibt natürlich die Befürchtung, dass unsere Open Banking Anbietern nun das gleiche Schicksal wie den Payment Service Providern in den vergangenen Jahren ereilt und diese über kurz oder lang verschwinden oder durch globale Player ersetzt werden.
Inwieweit sich die Erwartungen der VCs/Investoren negativ auf eine rasche Skalierung der deutschen Anbieter ausgewirkt haben, kann ich im Gegensatz zu André und Jochen nicht fundiert beurteilen. Hilfreich ist es sicher nicht, wenn die Interessen auseinandergehen und infolgedessen mehr Zeit für Internes als für die Produkt-/Strategieentwicklung aufgewandt werden muss.
Die lange deutsche Historie bei den Banking-Schnittstellen (HBCI, FinTS, Ebics) sehe ich eher als Booster der Vergangenheit, deren Nutzung den hiesigen Anbietern zunächst einen erheblichen Wettbewerbsvorteil und Wissensvorsprung gebracht hat. Aber statt diesen Vorsprung zum Wohle der Beteiligten (Kunden, Banken, Open Banking Anbieter) zu nutzen und auszubauen, hat man sich über Jahre bekämpft.
Die zu dieser Zeit mögliche gemeinsame Entwicklung skalierbarer Lösungen blieb auf der Strecke und begründet vielleicht auch das im internationalen Vergleich etwas kleinteilige Vorgehen. Wir erinnern uns heute nur noch ungern an Schlagzeilen wie diese: „Deutsche Banken ziehen im Streit um PIN und TAN vor Bundesgerichtshof“ ( Quelle: Handelsblatt).
Auch wenn sich in der jüngsten Zeit das Klima zwischen Banken und Fintechs wieder deutlich verbessert hat, so wurde gerade im letzten Jahrzehnt durch zahlreiche Fehden unheimlich viel Potential verschenkt.
Andererseits: So wichtig die alten Zugangswege für das Banking vieler Kunden/Unternehmen nach wie vor sind, so wenig helfen sie den Anbietern beim Eintritt in internationale Märkte. Bei der Nutzung der neuen Zugangswege wie PSD2- oder bankeigener APIs gab es hingegen keinen Startbonus für die deutschen Anbieter. Zusätzlich hat auch die im internationalen Vergleich eher als streng bekannte deutsche Aufsicht den Anbietern keine Starthilfe geben können.
Bleibt zu hoffen, dass es noch nicht zu spät ist und der Standort Deutschland auch künftig eine gewichtige Rolle im Open Banking Markt (nicht nur als Markt mit vielen Kunden) spielen wird. Die Parallelen der letzten zwei Jahrzehnte aus anderen Wirtschaftszweigen, insbesondere aus der Informationstechnologie, sind allerdings nicht wirklich ermutigend.
Was bleibt?
Ist der Open Banking Markt in Deutschland nun leergekauft?
Nein, ist er nicht. Es gibt durchaus noch relevante Player wie finleap connect, subsembly, die Schufa nach der Finapi Übernahme oder auch die Sparkassen mit ihrer AHOI API.
Ich bin gespannt, wie sich das Thema weiter entwickelt, glaube aber, dass ein reines lokales Game für einen skalierenden Ansatz nicht erfolgreich sein wird. Mal sehen, ob wir noch einen echten Kategorie-Leader im Open Banking aus Deutschland sehen – zwei sind jedenfalls aus dem Rennen.