Geschlechter-Diversität in europäischen Banken mit Luft nach oben

Geschlechter-Diversität in europäischen Banken mit Luft nach oben

Ein Gastbeitrag von Claudia Rasper

Es gilt als allgemein anerkannt und durch zahlreiche Studien belegt, dass die Diversität der Belegschaft wesentlich zum Unternehmenserfolg beiträgt: Diversität fördert Innovation[1] und ausgewogene Entscheidungsprozesse und steigert so die Resilienz und Leistungsfähigkeit von Unternehmen[2]. Durch Ausschöpfung des gesamten diversen Talentpools ist Diversität zudem ein Katalysator für erfolgreiches Talentmanagement: 50 % des potenziellen Arbeitskräftepools sind Frauen, die eine wesentliche Form von Diversität darstellen; Aber auch bei der Entscheidung globaler Talente für ihren Arbeitgeber spielt die Diversität innerhalb der Unternehmen eine immer wichtigere Rolle.[3]

Insbesondere Banken, die mit einer Vielzahl von Herausforderungen kämpfen (z. B. erforderliche Geschäftsmodellanpassungen, anhaltendes Niedrigzinsumfeld, interner Kostendruck und zunehmender Digitalisierungsbedarf), können es sich nicht leisten, auf eine starke, diverse Belegschaft zu verzichten.

Auch externe Faktoren untermauern die Notwendigkeit, sich mit dem Thema Diversität – und hier insbesondere der Geschlechter-Diversität – auseinanderzusetzen. Neben bereits bestehenden gesellschaftlichen Erwartungen und regulatorischen Anforderungen (z. B. Geschlechterquoten) müssen Banken auch seitens der Europäischen Zentralbank mit schärferen Kontrollen bei Diversität kennzahlen rechnen.

Geschlechter-Diversität in europäischen Banken mit Luft nach oben

Mit ihrem überarbeiteten Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit (Fit & Proper Leitfaden) – Dezember 2021 setzt die Europäische Zentralbank neue Standards für die Diversität in Leitungs- und Aufsichtsorganen, um eine effektive Unternehmens-Governance zu gewährleisten.

Da dieser Aufruf zum Handeln klar und deutlich scheint, stellt sich die Frage: Wo stehen europäische Banken mit Blick auf Geschlechter-Diversität?

Um diese Frage zu beantworten, wurde die aktuelle Situation im Bankensektor im Rahmen der BCG Gender Diversity Study of the European Banking Sector 2021 genauer unter die Lupe genommen.

Führungsgremien europäischer Banken werden weiterhin von Männern dominiert

Die BCG-Studie beinhaltet einen Gender-Diversity-Index, der die 50 größten börsennotierten Banken in Europa nach dem Grad ihrer geschlechterspezifischen Diversität auf oberster Führungsebene bewertet. Das Ranking basiert auf öffentlich verfügbaren Daten (per 31.12.2020)  von Vorstands- und Aufsichtsgremien (bzw. den jeweils vergleichbaren Gremien) und berücksichtigt sowohl die geschlechterspezifische Repräsentation als auch die Vergütung in den Führungsgremien.

Die Studienergebnisse zeigen, dass Frauen in den Vorständen der 50 größten börsennotierten Banken in Europa unterrepräsentiert sind und dass auch ihre Vergütung noch weit von einer Gleichstellung der Geschlechter entfernt ist – von den Vorständen dieser 50 Banken sind nur 19 % Frauen und es gibt nur fünf weiblichen CEOs.

Geschlechter-Diversität in europäischen Banken mit Luft nach oben

Auch wenn Frauen – wahrscheinlich bedingt durch die in vielen Ländern geltenden Quotenregelungen – in Aufsichtsgremien mit 36 % deutlich besser vertreten sind, gibt es auch hier eine Vergütungslücke: in 80 % der Banken verdienen Frauen weniger als ihre männlichen Pendants. Dies zeigt unter anderem, dass Frauen in diesen Gremien in der Regel immer noch seltener mit wichtigen Funktionen betraut werden als Männer (z. B. weniger Frauen als Vorsitzende oder in wichtigen Gremien).

Insgesamt ist innerhalb des europäischen Bankensektors eine breite Streuung zu beobachten. Die Ergebnisse reichen für die niedrigste bzw. höchste Position von 26 bis zu 83 Punkten (von insgesamt 100 möglichen Punkten). Dies reflektiert neben regionalen Unterschieden auch die individuelle Bedeutung, welche die Banken dem jeweiligen Thema beimessen. Gerade Banken, die das Thema Diversität nicht nur als regulatorische Notwendigkeit, sondern als Wettbewerbsvorteil sehen, schnitten im Wettbewerbsvergleich besonders gut ab.

Die vordersten drei Plätze gingen an (1) DNB, (2) Bankinter und (3) ABN AMRO. Alle drei Banken zeichnen sich aus durch die insgesamt beste Kombination aus ausgewogener Geschlechter-Repräsentanz und gleicher Vergütung in beiden Gremien. Die bestplatzierte Bank, die DNB, ist die einzige Bank, bei der beide Top-Führungspositionen (CEO und Aufsichtsratsvorsitz) mit Frauen besetzt sind.

Mit Blick auf den deutschen Bankenmarkt waren die Commerzbank und die Deutsche Bank in der Untersuchung enthalten. Die Commerzbank schaffte es hierbei sogar unter die Top-10 der 50 Banken.

Diversitätsprogramme für Frauen in Banken mit Verbesserungspotenzial

Diversität in der obersten Führungsebene ist zwar ein wichtiger Faktor, um erfolgreich Veränderungen zu bewirken und seiner Vorbildfunktion gerecht zu werden, sie ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Nur wenn auch der Rest der Organisation konsequent auf Diversität ausgerichtet ist, kann das volle Potenzial einer diversen Belegschaft ausgeschöpft werden.

Basierend auf einer Mitarbeiterbefragung im europäischen Finanzdienstleistungssektor wurde die Wahrnehmung von Diversitätsthemen und -initiativen aus Mitarbeitersicht bewertet.

Nur die Hälfte der Befragten gab an, dass die Bank, bei der sie arbeiten, in Geschlechtervielfalt investiert hatte – und nur etwa ein Drittel der befragten Frauen hatte das Gefühl, von diesen Programmen zu profitieren. Dies zeigt, dass die Programme erweitert und besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten werden müssen, wenn die Investitionen die angestrebten Ergebnisse erzielen sollen.

Geschlechter-Diversität in europäischen Banken mit Luft nach oben

Der Erfolg dieser Programme wäre insbesondere für die Bankenbranche wichtig, da Diskriminierung und Karrierehindernisse von Frauen im Finanzdienstleistungssektor stärker wahrgenommen werden als in anderen Branchen (v. a. in den Bereichen Mitarbeiterbindung und -förderung sowie bei dem Commitment der Führungsmannschaft). Diese anhaltende Wahrnehmung als „Boys Club“ schwächt die Position von Banken in ihrem Kampf um Talente und die Innovationskraft diverser Teams.

Abschließend aber noch ein positiver Punkt: Zumindest bewerten Beschäftigte im Finanzdienstleistungssektor die Bemühungen und Fortschritte ihrer Arbeitgeber im Bereich Diversität positiver als in anderen Branchen – dieses Momentum sollte genutzt und fortgeführt werden, um die vorhandenen Defizite anzugehen.

Ein möglicher Weg nach vorne

Auch wenn viele Banken noch weit davon entfernt sind, auf ihren Führungsetagen und in der gesamten Organisation dem Thema Diversität den Stellenwert beizumessen, den es verdient, zeigen einige Banken und Unternehmen aus anderen Branchen bereits heute, wie man dieses Thema erfolgreich angehen kann und sollte.

Entscheidend ist, dass das Thema nicht nur als einmalige Initiative gesehen wird, um die Frauenquote im Unternehmen etwas („auf das notwendige Maß“) anzuheben.  Diversität sollte ganzheitlich angegangen werden und kontinuierlich auf der Agenda bleiben. Dies bedeutet, dass neben der Bewertung und Verbesserung des gesamten Mitarbeiterlebenszyklus auch ein klares Commitment der (obersten) Unternehmensleitung und die Etablierung einer diversen und integrativen Kultur erforderlich sind. Zudem gilt: „What gets measured, gets done“ – alle Maßnahmen müssen messbar nachverfolgt werden, und der Erfolg der Verantwortlichen sollte entlang ihrer jeweiligen KPIs gemessen werden.

Wie immer, wenn es um kulturellen Wandel und die Ausräumung unbewusster Vorurteile geht, wird es bis zur Entfaltung des vollen Potenzials einige Zeit dauern. Dies sollte jedoch für Banken ein weiterer Ansporn sein, den Prozess jetzt einzuleiten. Darüber hinaus gibt es sehr wohl eine Reihe an Veränderungen, die schnell zu direkten Ergebnissen führen, wie z. B. die Einführung eines ‚Blind Screenings‘ im Recruiting-Prozess oder die Etablierung von geschlechterseitig ausgewogenen Beförderungs-Listen.

Die vollständige Studie – inkl. der Top-10 im Gender-Diversity-Index – kann hier heruntergeladen werden


[1] How Diverse Leadership Teams Boost Innovation, BCG Studie 2018

[2] Diversity, Equity, and Inclusion Still Matter in a Pandemic, BCG Studie 2020

[3] Decoding Global Talent, BCG-Studie 2021


Zu den Autor:innen

Claudia Rasper ist Partner, Wien und Lead für ‚BCG Women in FI‘ Deutschland und Österreich sowie Expertin für HR- und Organisationsmanagement im FI-Sektor.
Dr. Jan Koserski ist Managing Director und Partner, Frankfurt und Experte für HR- und Organisationsmanagement im FI-Sektor
Verena Speth ist Consultant, München und Expertin für HR- und Organisationsmanagement im FI-Sektor

Autor

  • Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX).

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