Geplatzte Vorsätze im Payment und Banking des Jahres 2019

Geplatzte Vorsätze im Payment und Banking des Jahres 2019

Jedes Jahr aufs Neue nehmen sich so viele Menschen zum Jahreswechsel vor noch gesünder zu leben, deutlich weniger Gewicht zu haben, keine Zigaretten mehr zu rauchen und so weiter. Oft halten diese Vorsätze nur wenige Tage. Was für uns Menschen die geplatzten Neujahresvorsätze sind, heisst im Unternehmenskontext “Ankündigung” und passiert das ganze Jahr. Viele großspurige Versprechungen wurden uns auf Kongressen, Pressemitteilungen, Social Media- und anderen Kanälen verkündet. Sie platzen aber durchaus genauso schnell wie der menschliche Vorsatz jetzt dann doch endlich mal abzunehmen.

Hier ein Rückblick zu dem, was uns vollmundig für 2019 im Payment und Banking versprochen und dann nicht geliefert wurde. Hier gleichen sich FinTechs und Banken übrigens sehr stark. “Overpromise” und “Underdeliver” ist bei beiden bezüglich ungelegter Eier gegeben. Wir müssen erkennen, dass Banker und Fintechs auch nicht besser sind als wir selbst mit unseren Neujahrsvorsätzen und unsere Kinder, die uns versprechen “bald” das Zimmer aufzuräumen.

Geplatzte Vorsätze im Payment und Banking des Jahres 2019

Hier eine kleine Zusammenstellung der geplatzten Versprechungen. Was wir vergessen haben sollten, könnt Ihr gerne unten in den Kommentaren ergänzen:

Girocard Mobile – Deutsche Kreditwirschaft: Im April 2019 wurde die Einführung der Girocard Mobile für In-App Zahlungen noch im Jahr 2019 angekündigt – das Interesse des Handels sei riesig. Aber wohl nicht riesig genug denn: Die Girocard ist weiter nur “offline” und “immobil” https://paymentandbanking.com/girocard-in-app-payment/

Apple Pay bei den Volksbanken & Raiffeisenbanken: Der Bundesverband Volks- & Raiffeisenbanken schrieb im Juni 2019: “Die Tinte ist trocken – Einführung Apple Pay noch im Laufe des Jahres”. Flankiert mit einem animierten GIF von champagnerspritzenden, hüpfenden Partymenschen. Beim Start der vorerst letzten Apple Pay Welle von deutschen Banken und Sparkassen am 10.12.19 fehlten die VR Banken. Jetzt soll es 2020 wohl kommen. https://twitter.com/bvrpresse/status/1143776278983696384?s=21

Smava IPO – Ein IPO/Börsengang war Anfang des Jahres öffentlich angekündigt. Wer ging 2019 nicht an die Börse? Smava! https://www.deutsche-startups.de/2019/10/14/exklusiv-smava-ipo/

Geplatzte Vorsätze im Payment und Banking des Jahres 2019

Paydirekt – Volksbanken & Raiffeisenbanken: Bis Ende 2019 / 1.1.2020 wollten die VR-Banken das ambitionierte Ziel umgesetzt haben bei Käufer-Registrierungen gleichauf mit PayPal zu sein. Fairerweise kann man bestätigen, dass ein Minimalziel erreicht wurde:

Ende 2019 saß der Paydirekt-Geschäftsführer auf der #TRX19-Konferenz gleichauf (heißt neben) dem PayPal-Geschäftsführer auf einem Panel, aber das wars schon mit “gleichauf”. Bei den Kundenregistrierungen hat Paydirekt das VR-Banken-Ziel gravierend verfehlt. https://www.wir-leben-genossenschaft.de/de/Ambitionierte-Ziele-furs-Online-Bezahlverfahren-paydirekt-3360.htm und https://www.bargeldlosblog.de/paydirekt-auf-wiedervorlage/

PSD2: Die PSD2 war 2019 ein Quell voller Missverständnisse und unerfüllter Hoffnungen bzw. Versprechungen.

XPay/#DK: DZ Bank Vorstand Ullrich verkündete im August, daß nur wenige Wochen später (“Bis September oder Oktober 19”) die Nachfolgegesellschaft von Paydirekt, “Arbeitstitel XPay”, gegründet wäre. Was wurde nicht gegründet und einmal mehr zuviel versprochen? https://www.heise.de/newsticker/meldung/Deutsche-Banken-planen-einheitlichen-Bezahldienst-das-Ende-von-Paydirekt-4514607.html

Neufund: Die Blockchain-basierte Crowdfunding-Plattform Neufund sollte eine transparente und “gut regulierte” Lösung sein, laut Löwen- und Neufundinvestor Frank Thelen im Jahr 2017: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hoehle-der-loewen-juror-frank-thelen-investiert-in-blockchain-firma-1.3777417

Geplatzte Vorsätze im Payment und Banking des Jahres 2019

Stattdessen hat der gute Regulator BaFin 2019 dann Kleinanleger vor dem Greyp-Investment auf Neufund wegen eines fehlenden Verkaufsprospekts gewarnt. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Verbrauchermitteilung/weitere/2019/meldung_191028_Greyp_Bikes.html

Sparkasse, die Erste: Die 1822direkt, Direktbanktochter der Frankfurter Sparkasse, wollte GooglePay eigentlich im Frühjahr 2019 starten, was bis dato noch nicht passierte – Die 1822direkt bezeichnet den Status von GooglePay weiter als “Coming soon” https://www.kostenlose-kreditkarte.de/kreditkartennews/1822direkt-unterstuetzt-google-pay-8155.php

Sparkasse, die Zweite: Yomo: Der N26-Clone der Sparkassen verkündete Ende 2018 selbst die eigene Pilotphase für beendet und wollte 2019 in den Rollout gehen https://twitter.com/yomo_app/status/1075440896815054848. Mehr als 130 Sparkassen wollten im 1. Halbjahr 2019 Yomo als Antwort auf Challengerbanken einführen. Bis Ende 2019 sind zu den lediglich vier verbliebenen Pilotsparkassen keine weiteren dazu gestoßen https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/yomo-smartphone-konto-der-sparkassen-fuehrt-noch-immer-ein-nischendasein/25240672.html

Geplatzte Vorsätze im Payment und Banking des Jahres 2019

Sparkasse, die Dritte, dieses Mal in Kombination mit den VR Banken: YES: Der Identitätsdienst Yes sollte von der Hälfte aller Sparkassen und sämtlichen VR-Banken noch Mitte Juni 2019 gestartet werden. https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/online-login-sparkassenverbaende-muessen-fuers-mitmachen-beim-identitaetstest-yes-werben/24272502.html?ticket=ST-25660594-7CsTxtGbJLdfeM4Dzp0Z-ap3. Bis Ende des Jahres sah man Yes bei Sparkassen und VR-Banken nicht in der freien Wildbahn für Benutzer.

Sparkasse die Vierte zum Durchbruch von Mobile Payment, dem Erfolg von Apple Pay und der Rolle der Girocard: Am Tag des Apple Pay Deutschlandstarts (11.12.2018) veröffentlichte der Sparkassen- und Giroverband, der nicht beim Start dabei war, eine „Beleidigte-Leberwurst“-Pressemitteilung, die nur wenige Tage später stillschweigend zurückgezogen, aber hier in einem Mac-Forum gesichert wurde. Darin zeigen die Sparkassen eine interessante 2019er Marktprognose zum Durchbruch von Mobile Payment in Deutschland: „Apple Pay steht (…) nur einem sehr engen Nutzerkreis teilnehmender Banken zur Verfügung. Der Grund dafür ist, dass Apple seine NFC-Schnittstelle nicht für andere Anbieter öffnet und auch die (…) girocard bisher nicht als Zahlungsmittel integriert hat. Aus Sicht der Sparkassen ist aber genau das Voraussetzung dafür, dass sich mobile Bezahllösungen in Deutschland durchsetzen können.“ Was machen die Sparkassen genau ein Jahr nach dieser denkwürdigen Prognose? Sie starten am 10.12.19 Apple Pay mit geschlossener NFC-Schnittstelle und die Girocard ist absent! Nur wenige Tage später befinden sich die Sparkassen angesichts der überwältigenden Kundennutzung jener Lösung, die laut eigener Prognose eben keine Voraussetzung für den Durchbruch mobiler Bezahllösungen bietet, in einem angeblichen „Rauschzustand“. Auch hier werden diverse dramatische Fehleinschätzungen offensichtlich: Sowohl zum 2019er naja-naja-Erfolgs des eigenen Android Produktes „Mobiles Bezahlen“ als auch zum überwältigen Erfolg von Apple Pay ohne Öffnung der NFC-Schnittstelle und vor allem zur Rolle der Girocard als angebliche Königsmacherin im Mobile Payment. „Fulminant“ und „very very happy“ sind die Sparkassen mit Apple Pay und Mobile Payment hat sich entgegen den Ankündigungen des Retailbanking-Marktführers 2019 eben doch am Markt etabliert, ohne Girocard und mit geschlossener NFC-Schnittstelle.

Curve: Die “Metakarte” Curve, die mehrere Zahlungskarten auf einem Kartenträger aggregiert, hat 2019 auch eine interessante Interpretation von “soon” entwickelt. Dies gilt sowohl für die Rückkehr von American Express auf die Curve Plattform “soon” https://support.imaginecurve.com/hc/en-gb/articles/360001307057-Can-I-add-my-Amex-card-to-Curve- als auch für die Apple-Pay-Nutzung “soon” https://support.imaginecurve.com/hc/en-gb/articles/115001895265-Can-I-add-my-Curve-to-Apple-Pay-or-Google-Pay- “Soon” heißt offensichtlich auch bei Curve “no more in 2019”.

Finleap mit Engel&Völkers: Der Bitkom-Verband hat beim #dgfin19 Digitalfinance-Event in Berlin Mitgliedern der Gechäftsführung von Finleap und des Immobilienmaklers Engel & Völkers extra einen Keynote-Slot von 30 Minuten eingeräumt um (Ironie an) ausgesprochen dezent, zurückhaltend und schnell auf den Punkt kommend (Ironie aus) gemeinsame Kooperationen bei Immobilienfinanzierungen anzukündigen. https://www.it-finanzmagazin.de/digifin19-bitkom-digital-finance-conference-89957/ Eine Google-Suche ergibt nun Ende 2019 lediglich ein Co-Investment von Engel&Völkers in das Finleap-StartUp Element, einer whitelabel-Plattform für… Versicherungsprodukte, nicht aber Finanzierungen.

Sicherlich sind das nicht die einzigen geplatzten Versprechungen des Payment & Banking-Jahres 2019 und interessante Interpretationen des Wortes “soon”. Gebt uns gerne Euer Feedback als Kommentar unter diesem Artikel zu den Punkten, die wir vergessen haben.

Autor

  • Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken.

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