Der neue Bezahldienst Wero ging eher heimlich als mit großem Getöse an den Start. Spott aus der Payment-Szene gab es für das Projekt schon länger. Dabei hat Wero durchaus noch eine Chance, finden Jochen Siegert und André Bajorat. 

Streng genommen war es nur ein Zufall, aber als die Payment & Banking-Podcasts 2015 losgingen, da wurde auch Paydirekt groß angekündigt.

Nun ist Paydirekt zwar Geschichte, doch mit Wero gibt es ein neues Payment-Projekt in Deutschland und Europa, das Payment & Banking wohl genau so intensiv wie damals Paydirekt begleiten wird. André Bajorat und Jochen Siegert analysieren, welche Herausforderungen sie sehen und wo sie selber aktiv werden würden.  

André Bajorat

„Viele haben es gar nicht mehr für möglich gehalten und Wero, oder vorher EPI genannt, bereits mehrfach für gescheitert erklärt. Nun haben sich einige Mutige aber doch getraut, einen weiteren Versuch unter dem Motto ‚payments from Europe powered by banks‘ zu starten. 

Ich bin froh, dass es Wero gibt – auch wenn die deutschen Vorgänger mit Paydirekt und Giropay gerade kein gutes Vorbild abgeben. Aber genau das ist aus meiner Sicht einer der Gründe – eben weil diese Verfahren nicht den öffentlich immer wieder herbeigesehnten Durchbruch schafften, ist es Zeit für etwas Neues. Schluss mit dem verschlimmbessernden Herumgeier und letztlich dem Tod auf Raten. Wero soll ein Start mit Mut und Schwung sein. Sechs Punkte kommen mir in den Kopf, wenn ich über wero nachdenke: 

  1. Wero muss es schaffen für etwas zu stehen und damit eine eigene Identität zu schaffen. Ein Hinterhecheln hinter den aktuellen Platzhirschen wird schwer sein und 20 Jahre nach dem Start von Paypal auch schwer. Es gibt Beispiele, wo es neue Verfahren auch spät geschafft haben, Relevanz aufzubauen. Twint oder auch Apple-Pay seien da  genannt. 
  2. Dabei kann zu Beginn ein Fokus auf wenige, aber smarte Anwendungsfälle ein Weg sein. Diese müssen dann perfekt und leicht funktionieren und darüber ist ein Weg in die nächsten Fälle möglich. Alles auf einmal wird nicht – oder schlimmer – nur zu mittelmäßigen Lösungen führen.  
  3. Die Gesellschafterstruktur scheint mir Fluch und Segen zugleich zu sein. Ein Fluch, weil viele große Partner mit Selbstvertrauen mitreden und ihre eigenen Ideen umsetzen wollen. Ein Segen, weil eben diese Gesellschafter die Chance haben, eine Schwungmasse in Gang zu setzen. Sowohl auf der Nutzer-, als auch auf der Akzeptanzseite. Das wird aber nur möglich sein, wenn das Wero-Management den Takt vorgibt und die Gesellschafter dem Management vertrauen und unterstützen. 
  4. Einer der schwierigsten Punkte – aber ein Erfolgsgarant – ist aus meiner Sicht, dass Wero in der Lage sein muss, Lösungen zu bauen, ohne immer auf die teilnehmenden Banken warten zu müssen. Ein Nutzer darf nicht darüber nachdenken müssen, ob seine Bank oder Sparkasse ein aktiver Teil von Wero ist. Dieses Thema war schon einer der Knackpunkte bei Giropay oder Paydirekt.
  5. Auch dem Thema Interoperabilität sollte sich Wero im besten Fall nicht verschließen. Die großen Gesellschafter mögen einen dazu verleiten, mit Selbstvertrauen davon abzusehen – aus Händler- und Kundensicht ist aber Reichweite der Schlüssel.
  6. Und der wichtigste Punkt ist einer, der oben schon mehrfach anklingt – Wero darf kein Projekt von Bankern sein, sondern muss von erfahrenen, hungrigen und am Erfolg incentivierten Experten geführt und gesteuert werden. 

Meine Daumen sind gedrückt und ich glaube an den Erfolg.

Jochen Siegert

Lasst uns bitte erst einmal ganz realistisch sein. Wero ist der x-te Versuch von Frankreich und Deutschland Relevanz im digitalen Bezahlen zu erhalten, wo vorherige eigene nationale Initiative scheiterten. Ich denke da an die deutsch-französische Initiative Monnet, an Payfair, an Paylib in Frankreich, an die Millionengräber Paydirekt, Giropay und Kwitt in Deutschland. Im sonstigen europäischen Ausland (Spanien mit Bizum, Polen mit Blik, Schweden mit Swish, Schweiz mit Twint) ist den dortigen Banken aber das gelungen, was vor allem in Deutschland und Frankreich scheiterte: ein erfolgreiches, souveränes, von Kunden und Handel in Massen adaptiertes digitales Bezahlverfahren einzuführen. Die Beispiele zeigen jedoch: Es ist durchaus möglich!

Wenn aber ausgerechnet nun die beiden großen Länder unter Hilfe der Benelux-Staaten äußerst selbstbewusst ein „europäisches Zahlverfahren“ ausrufen, ohne wirkliche eigene Traktion, ohne bisherige Erfolgsgeschichten mit Ausnahme des übernommenen iDeal-Verfahrens, ohne Interoperabilität zu den anderen, viel erfolgreicheren anderen nationalen Zahlverfahren europäischer Nachbarn, wird man zwangsläufig an das dänische Märchen zu des Kaisers neue Kleider erinnert. Woher kommt eigentlich das ungeheuer große Selbstbewusstsein?

Wero kann vielleicht dennoch ein Erfolg werden und zwar mit folgenden Maßnahmen: 

  1. Nutzen, was vorhanden ist: Eine notwendige, fast zwingende Voraussetzung ist eine Interoperabilität mit den erwähnten Erfolgsmodellen im europäischen Ausland. Das bietet dem Kunden einen wirklichen europäischen Mehrwert bei Netzwerkeffekten und Akzeptanz, auch außerhalb des Euro-Raums in Europa. Nur dann kann man auch ernsthaft und glaubwürdig von einem europäischen Zahlverfahren sprechen. Kunden und Handel verstehen sehr schnell, wenn es sonst nur eine europäische Marketing-Mogelpackung ist. Wenn europäisch drauf steht, muss auch wirklich europäisch drin sein! Hier muss Wero liefern, was sie bisher nur versprechen und das am besten schon gestern.
  2. Keine Spielchen wie die Volksfront von Judäa gegen die judäische Volksfront! Monty Python hat uns die Sinnlosigkeit des krampfhaften Abgrenzungs-Dilemmas ironisch im Film „Das Leben des Brian“ vorgeführt. Im Payment-Kontext heißt das übertragen: Digitaler Euro vs Wero vs EMPSA. Dem gemeinen Kunden ist der Unterschied doch kaum zu erklären, wo die Anwendungsfälle weitgehend identisch sind, die Formfaktoren ebenso und auch der europäische Anspruch. Am Ende sollen es die identischen Kunden und Händler nutzen. Wero muss daher sowohl mit den Zentralbanken/digitaler Euro als auch EMPSA kooperieren und alle sich jeweils gegenseitig eine interoperable Account-toAccount-Payment-Startrampe bieten, statt sich als direkte Konkurrenz zu sehen. Auch hier gilt: weniger Ego, mehr Kooperation und Fokus aufs Produkt! Das beginnt in den Banken, wo die Projekte heute noch von unterschiedlichen Teams vorangetrieben werden und endet auf der Scheme-Seite. Die auf den europäischen Payment-Konferenzbühnen öffentlich ausgetragenen Abgrenzungen und Scharmützel wirken wie ein Streit um ein Förmchen im Sandkasten des Kinderspielplatzes. Die Erwachsenen (Paypal, Mastercard, Visa) stehen daneben und amüsieren sich köstlich über das Schauspiel und den Streit der Windelkinder.
  3. Product-Value-Proposition muss über Marketing und Politik stehen. Irgendwie fühlen sich die Kommunikation, Presseberichte und operativen Schwierigkeiten der Endkunden beim Wero-Start an, wie ein Paydirekt Reloaded. Die Aussagen sind die gleichen, die Vergleiche mit Paypal sind identisch und die operativen Hürden ebenso. Wo sind denn die Lehren geblieben? Wurde alles schon wieder vergessen und verdrängt und man macht die gleichen teuren Fehler zum wiederholten Mal?
  4. Execution, Execution, Execution und zwar von Menschen, die handwerklich digitale Payments verstehen, bereits erfolgreich umgesetzt haben und sich selbst die Hände operativ schmutzig machen können. Alle anderen bitte wegtreten! Wir brauchen mehr Macher, weniger Redner und schon gar nicht einen überbordenden Governance-Overhead, der nur pseudoschlau daher redet. Schaut man sich diesbezüglich die Linkedin-Postings zum Wero-Start an, habe ich leider auch wieder so ein unangenehmes Paydirekt-déjà-vu. 

Wero  ist vermutlich der allerletzte Schuss für die Kreditwirtschaft, doch noch Relevanz im digitalen Zahlungsverkehr zurückzugewinnen. Ich hoffe, die Entscheidungsträger in Banken und Sparkassen, sowie bei Wero nutzen ihre Chance weise und unternehmerisch.

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