Während der eine Neobroker  seine Kunden mit schlechter Erreichbarkeit verschreckt, ist der andere in Übersee auf Shopping-Tour. Ein ausgewählter Hoch- und ein Tiefpunkt aus dem Juni.

An dieser Stelle beleuchten wir einmal im Monat die hoch geflogenen und tief gefallenen, die Auf- und die Absteiger, die Gewinner und Verliere, kurz: Wer war Top? Wer war Flop? Diesmal der Blick auf den Juni 2024.

TOP: Robinhood und der Weg zur Super-App

Der Mai lief so mittelprächtig für den US-amerikanischen Neobroker Robinhood. Anfang des Monats bekam die Firma Post von der Börsenaufsicht SEC: Wegen Verstößen gegen Wertpapierregulierungen drohte eine Klage. Gut einen Monat später sieht die Welt aber schon wieder besser aus. Denn Robinhood verkündete die Übernahme der europäischen Kryptobörse Bitstamp, rund 200 Millionen US-Dollar legt man dafür auf den Tisch.

Die Übernahme zeigt, welch ambitionierten Pläne das Team um CEO Vlad Tenev hat. Dank des Zukaufs wird Robinhood nun auch in Europa deutlich präsenter. Bereits vor gut einem Jahr hatte das Unternehmen den Schritt auf den Kontinent eingeleitet – im zweiten Versuch, nachdem 2020 noch erste Expansionspläne eingestampft wurden.

Bitstamp bietet Standorte in rund 50 Ländern weltweit, darunter auch in Luxemburg und Großbritannien. Ein Kaufgrund war Robinhood sicherlich auch das vielfältige Kryptoangebot. 85 Kryptowährungen sind über Bitstamp handelbar , deutlich mehr als der neue Eigentümer bisher hatte.

All das sind Schritte auf dem Weg zum großen Ziel von Tenev: Die Finanz-Super-App. In den USA ist Robinhood mittlerweile auch im Kreditkartengeschäft tätig, weitere Produkte könnten in den nächsten Jahren folgen. Super-App-Ankündigungen sind für Start-ups so etwas wie das autonome Fahren für die Automobilbranche: Alle wollen es haben, alle kündigen es an, aber bisher müssen fasst alle alle Autofahrer immer noch selbst das Lenkrad halten – beziehungsweise mehrere Apps für mehrere Services nutzen. 

Das muss aber nicht zwangsläufig heißen, dass die Super-App nicht doch kommt. Irgendwo da draußen gibt es ihn, den Gründer, der sie den Verbrauchern bescheren wird. Wer weiß, vielleicht ist es ja wirklich Vlad Tenev.

Die Kapitalmärkte honorieren die ambitionierten Pläne und die Bitstamp-Übernahme in jedem Fall: Seit Jahresbeginn legte der Aktienkurs von Robinhood um über 70 Prozent zu, über das vergangene Jahr waren es sogar 133 Prozent. Lang vergessen scheint das PR-Desaster um den Gamestop Short Squeeze. Jetzt geht es nur darum, die Übernahme und die Wachstumspläne unfallfrei zu gestalten.

FLOP: Die Trade-Republic-Kundenservicewüste

Denn was passiert, wenn Fintechs zu schnell wachsen, lässt sich gerade mal wieder bei Trade Republic beobachten. Mit eigener Bezahlkarte und eigenem Girokonto bliesen die Berliner zum Angriff auf die Konkurrenz, vor allem auf N26, dem anderen Berliner Fintech-Riesen (der mit seinem Schritt ins Trading-Geschäft gezeigt hat, dass er vor dieser Auseinandersetzung nicht zurückschreckt).

Neue Kunden lassen sich schnell locken, wer sie halten will, sollte aber zumindest rudimentären Kundenservice bieten. Und da ging es in den vergangenen Wochen hoch her. Laut Bafin und Verbraucherzentralen häuften sich die Beschwerden, die Aufsicht kündigte an, sich das Problem genauer anzuschauen. Die Vorwürfe der enttäuschten Kunden: Antworten auf Anfragen würden ewig auf sich warten lassen und seien dann nicht mal unbedingt hilfreich. Telefonisch sei auch niemand zu greifen (wobei Trade Republic betonte, dass es nie eine Hotline gegeben habe). Dazu kamen noch Dividendenauszahlungen, die auf sich warten ließen. Normalerweise zahlte Trade Republic diese mehr oder weniger in Echtzeit, zuletzt aber öfter wohl nicht mehr. Auch hier: empörte Kunden, die mit dem Gang zur Bafin drohten – was dann aber doch etwas eskalativ wirkt, man rennt ja auch nicht direkt zur Bundesnetzagentur, wenn das Hermes-Paket mal wieder später kommt. Aber anscheinend ist die Geduld vieler Kunden erschöpft.

Trade Republic äußerte sich zu all diesen Fragen in bester Start-up-Kommunikationsmanier bei negativen Berichten: schmallippig. Man wolle die Probleme aber natürlich beheben, bald soll alles wieder rund laufen. Ob die Beschwerden langfristig die Reputation beschädigen, bleibt abzuwarten. Aber seien wir ehrlich: Schlechter Service gehört auch ein bisschen zur Fintech-Folklore, so wie der unfreundliche Köbes zu rheinischen Brauhäusern oder die Berliner Schnauze zur deutschen Bundeshauptstadt.

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