figo und was ich daraus mitgenommen habe – eine persönliche Sicht

Aufbauend auf der News zum Zusammengehen von Finleap Connect und ndgit, habe ich einmal mit Distanz auf die prägenden Anfangsjahre von Open Banking insbesondere bei figo zurückgeschaut.

Ich habe das Thema schon oft hier beschrieben – die große vergebene Chance der deutschen Industrie im Open Banking Game. Zuletzt wohl im Jahr 2021: https://paymentandbanking.com/ist-der-deutsche-open-banking-markt-gescheitert/

Da es bei den aktuellen News aber auch um das Unternehmen geht, das ich gemeinsam mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern nach einem Pivot zum ersten regulierten europäischen Banking Service Provider nach PSD2 gemacht habe, nehme ich die letzte News einmal für ein kurzes Fazit.

Dabei kann und will ich nur auf die Zeiten schauen, an denen ich selber maßgeblich beteiligt war – also die Zeit zwischen 2012 und 2019. Tue ich das, fallen einem natürlich in diesem Kontext erst einmal die Fehler ein, die wir und ich bei figo über die Jahre machten, auch wenn wir sicher in anderen Bereichen auch Game-Changer und Pioniere der Branche waren.

Kein Neustart nach Pivot

Der erste Fehler war sicher, dass wir nach dem Pivot vom ursprünglichen b2c Modell auf ein b2b Modell keine neue Firma gegründet haben und am Namen festgehalten haben. Der Vorteil der bereits erlangten Bekanntheit und vermeintlicher erster Assets, stand im Laufe der Zeit immer mehr das Problem im Weg, dass wir das erste Scheitern immer erklären mussten und die Firma für bestimmte Finanzierungsrunden irgendwann zu “alt” war. Zudem haben wir zu lange an Funktionen aus der B2C Welt wie dem ‚figo Account‘ festgehalten und damit keinen 100% konsequenten b2b approach gehabt. Das hat uns dabei behindert, noch größer zu denken und konsequent zu sein.

Kein Fokus

Der Fokus nach dem Pivot von figo lag in der Anfangszeit klar in der Bereitstellung der API-Infrastruktur mit dem Connect auf möglichst viele Finanz-Daten. In der Vor-PSD2 Welt hatte das viel mit FinTS und Screenscraping zu tun – also einer Menge Fleißarbeit. Mit dem Aufkommen der PSD2 Diskussionen und dem Bedarf auf Bankenseite eine eigene API anbieten zu müssen, dachten wir, dass wir diesen Part auf der Seite der Bank als Anbieter für Banken auch erfüllen können. Dass wir damit unseren Fokus verlieren, eine ganz andere Art von Sales und Services brauchten, ist uns leider zu spät bewusst geworden. Der schlimmste Effekt allerdings war, dass wir mit diesem zusätzlichen Themen die Kernaufgabe – Anbindung von Banken – vernachlässigt haben und zu wenig eigene Kompetenz in diesem Bereich aufgebaut haben. Diese Anbindung der Banken, musste für unser Kernbusiness aber immer perfekt funktionieren und tat es aber leider nicht immer.

Zu viele Use Cases und damit kein USP – Pionier statt Ertrag

Unser Ziel bei figo war lange Zeit zu zeigen, in wie vielen Industrien und Use-Cases der Bank-Konto-Connect Sinn machen kann. Die Idee, dies in Bankathons gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von gini sichtbar zu machen, war dafür eine perfekte Marketing-Idee. Die Use Cases waren vielfältig und beeindruckend. Als Folge der Vielfalt haben wir für uns – im Gegensatz zu anderen Playern im Markt – nie eine Spezialisierung auf bestimmte Use Cases gefunden und damit keinen echten USP schaffen können. Es war eher so, dass wir oft die Ideen ermöglichten, das Business aber gern andere gemacht haben.

Zu lange an Mittelmaß festgehalten

Auf der Teamseite waren wir im Nachhinein sicher viel zu nett zueinander. Harte Entscheidungen waren selbst in der Krise nicht unsere Stärke und damit haben wir für die vermeintliche gute Stimmung viel zu lange an falschen Personalien und auch Kunden festgehalten. Etwas, was man sich als schnell wachsendes Unternehmen aber nicht leisten kann.

Druck der Investoren

Mit dem Einstieg größerer Investoren wuchs auch der Druck auf uns und zudem der Wunsch der Investoren bestimmte eigene Ideen in figo umzusetzen. Auch dies hat wieder zu einer Defokussierung vom Kern geführt und wir als Management waren nicht stark genug, klar NEIN zu dummen oder defokussierenden Ideen zu sagen.

PSD2 war nicht der Game-Changer für uns, aber hat vielen anderen genutzt

Möglicherweise unser größter Fehler war, dass wir uns zu stark auf die Regulation verlassen haben und ein First Mover sein wollten. Statt weiter eigene Wege der Connectivity in die Bank-Systeme zu bauen, wie es andere taten, haben wir auf die konstruktive Kraft und Macht der Regulation gesetzt und versucht, diese sinnvoll zu gestalten. Dafür haben wir als Firma sehr sehr viel Kraft in Lobbyarbeit gesteckt, die in der Folge dem Markt mehr zugute kam, als wir es nutzen konnten. Dass zudem unsere sehr regulationsnahe Auslegung für das Produkt am Markt nicht ausreichend Anklang fand und der Regulator zudem längere Übergangsfristen ermöglichte, hat uns nicht geholfen. An der Stelle waren wir leider nicht mutig genug, einen aggressiven Weg zu gehen, sondern wollten es der Aufsicht recht machen – der Markt dankte es uns nicht.

Trittbrettfahrer waren erfolgreicher und skrupelloser

Lange Zeit waren wir vor allem für die Tech-Welt die Guten im Markt. Bankathons, offene Kommunikation, Lobbyarbeit im Sinne der Sache und viel Education. Man kann sagen, wir haben den Markt für Open Banking in Teilen erst ermöglicht, zumindest aber ihn befeuert und hoffähig gemacht. Diese Rolle dankt dir aber natürlich keiner, wenn im Laufe der Zeit mehr und mehr Trittbrettfahrer aufspringen und über Preiskampf, Spezialisierungen, bessere Technik und oder Management das Geschäft besser beherrschen.

Keine frühzeitige Konsolidierung

Um Deutschland im Open Banking auf die Gewinnerstraße zu bringen, wäre ein Vorgehen wie wir es gerade aktuell sehen eher in 2015-2017 nötig gewesen. Auf diese Art wären Kräfte gebündelt worden und gestärkt wäre der Weg durch Europa möglich gewesen.

Wette auf Fintechs ging nicht auf

Schauen wir auf den großen Wettbewerber in den USA – Plaid – dann war unser Gameplan sehr ähnlich und daher hatten wir schon 2014 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Enablen von neuen Modellen und dabei als Anbieter der Schaufel und Spitzhacke mit jedem neuen Kunden des Partners mitwachsen. Bei Plaid ging diese Wette dank Hyper-Scale-Ups wie Robinhood und Square auf. Diese Modelle haben wir in Deutschland und Europa aber nie gefunden, sondern unser MRR bei vielen Kunden war dreistellig, statt fünf- oder sechsstellig.

Glaube ich aber, dass der Markt für Open Banking oder besser Open Finance nicht mehr relevant ist: Nein keinesfalls. Open Finance ist wie auf den Bankathons gezeigt heute Teil der Prozesse vieler Banken, Fintechs und anderer Player und von vielen Produkten geworden. Payment und Banking Cases waren und sind hier nur die Vorreiter und es kommen neue spannende Player, die andere Bereiche der Finanzwelt angehen, wie flanks.io neu dazu. Aber auch die Instant Payment Verordnung oder das Beispiel der Kontointegration von Apple in UK zeigen den Weg.

Würde ich das ganze Thema dennoch noch einmal machen: Jupp, aber anders :-)

Autor

  • André M. Bajorat ist seit fast 30 Jahren in der deutschen Digitalwirtschaft zu Hause. Über die Stationen SK Online, Star Finanz, giropay und Number Four kam er 2012 als Business Angel zu figo. Das Unternehmen führte er von 2014 bis September 2019 als CEO von einer b2c App zu einem von der BaFin regulierten Banking as a Service Provider. Seit 2020 ist er Teil des deutsche Bank Konzerns und seit Mitte 2022 Managing Director bei einem deutschen Assetmanager. Er ist zudem Gründer und Herausgeber des erfolgreichen Branchen-Portals paymentandbanking.com, Podcaster, Investor (figo, Finleap, Loanlink, Sparkdata, Weddyplace, nufin, portify, moss, compa, brygge, embeddedcapital, PlanetA, Naro), Mitglied im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums, aktives Mitglied im Bitkom, Herausgeber des Buches “Köpfe der digitalen Finanzwelt” und international gefragter Speaker. Inhaltliche Schwerpunkte sind Banking, Payment, FinTech, API-Banking, digital Assets und Crypto. Außerdem ist er Mit-Initiator und Ausrichter der Wahl zum „FinTech des Jahres” sowie der Eventreihen Bankathon, Payment Exchange, Banking Exchange und Transactions.io.

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