Die Self-Service-Strategie der Händler ermöglicht es dem Kunden, seine stationäre Shopping-Tour völlig selbstbestimmt und autonom zu gestalten – ohne lästige Warteschlange. Alternative Kassensysteme wie SB-Kassen sind vielen Ländern längst Teil des „Einkaufs-Erlebnisses“. Und auch in Deutschland befinden sich Self-Checkout-Lösungen auf dem Vormarsch. Jüngste Entwicklungen bestätigen den Trend – und gehen verstärkt in Richtung (mobiler) Self-Scanning-Verfahren.

In immer mehr deutschen Märkten haben Kunden die Möglichkeit, den Scan- und Bezahlvorgang selber zu übernehmen. Und: Immer mehr Menschen machen Gebrauch davon, der Warteschlange und damit der heillos überfüllten Kassenzone zu entgehen. Die Akzeptanz steigt. Das waren zwei der zentralen Aussagen einer vom Forschungsinstitut EHI im vergangenen Jahr durchgeführten Markterhebung zur Verbreitung von Self-Checkout-Systemen im deutschen Handel. Eine weitere Botschaft: Selbst wenn wir in Deutschland im Vergleich zum Ausland (vor allem dem Nordeuropäischen, siehe unser Gastartikel ‘Cashless Society‘ in den Nordics) „in Sachen Bezahlprozess noch in den Kinderschuhen“[1] stecken, so nimmt diese Entwicklung auch bei uns konstant und dynamisch zu.

Quelle: EHI

Zahl der „selbstständigen“ Käufer steigt

Stand Oktober 2019: Zu jener Zeit gab es bereits in 970 Märkten SB (Selbstbedienungs)- bzw. Self-Checkout-Kassen oder Self-Scanning-Verfahren, die das „individuelle Einkaufen“ ohne Warteschlange ermöglichten.

  • SB-Kassensysteme gab es demnach in 903 Märkten
  • Self-Scanning- bzw. mobile SB-Systeme in 96 Geschäften

Seitdem hat sich die Anzahl nochmals erhöht. Jüngere Zahlen stammen aus einer Befragung vom Frühjahr 2020, die das EHI gemeinsam mit POSpulse (eine Crowd-basierte Shopper-Insights-Intelligence-Firma aus Berlin) durchgeführt hat. Anlass für die Erhebung war Corona. EHI und POSpulse wollten wissen, welche Kassenpräferenzen die Deutschen in Zeiten der Krise haben. Die Zahlen zeigen, dass gegenwärtig knapp 1000 Märkte existieren, in denen 5000 stationäre SB-Kassensysteme installiert sind (Vergleich Sommer 2019: 4750[2]). Beachtlich ist, dass die Zahl der Läden mit Self-Checkout-Systemen seit 2017 in Deutschland um 80 bis 90 Prozent anstieg. Und ein Ende ist nicht in Sicht, immerhin verdoppelt sich die Zahl der Märkte mit Selbstbedienungskassen alle zwei Jahre nahezu linear.

Dass immer mehr Geschäfte auf diese Kassensysteme setzen bestätigt EHI-Handelsforscher Frank Horst, einer der Mitautoren der großen Umfrage zur Verbreitung von Self-Checkout aus dem letzten Jahr. Im Gespräch mit dem Gründerszene-Portal Business Insider sagte er: „Ich rechne damit, dass bis Ende 2021 etwa 2.000 Verkaufspunkte SCO-Kassen anbieten werden.“ Also nochmals doppelt so viele wie heute.

„DIY“ an der Kasse: Die Evolution des Checkouts im stationären Einzelhandel

 „Self-Checkout“-Vorreiter: Real und IKEA

Die allermeisten Geschäfte mit SB-Kassen gehören dem Lebens-mitteleinzelhandel an (zwei Drittel). Warum? Supermärkte eigenen sich aufgrund der Einkaufskorbgrößen und der Kundenfrequenz am ehesten für diese Art des Bezahlens. Und da viele den Lebensmitteleinkauf nicht gerade als Vergnügen sondern eher als unvermeidbare Pflicht ansehen, kommt es gut an, wenn man einen Bogen um die langen Schlangen machen und direkt die Self-Checkout-Kassen ansteuern kann. Gerade an den stressigen, mit Terminen vollgepackten Wochentagen haben die Menschen nach der Arbeit wenig Zeit für und Lust auf Einkäufe. Ein Treiber der Entwicklung in Deutschland ist der SB-Warenhauskonzern Real. 2003 installierte der Vollsortimentler die erste Self-Checkout-Kasse in einem seiner Märkte.[3]

Die Discounter hingegen hinken bei dieser Entwicklung deutlich hinter – oder verweigern sich ihr völlig. So suchen deutsche Verbraucher bei Discountern wie Aldi oder Lidl SB-Kassen bislang vergeblich. Eine Einführung in Deutschland ist in naher Zukunft auch nicht geplant, selbst wenn Lidl Schweiz im vergangenen Herbst in einem Schweizer Markt erstmals diese Technologie testete. Die beiden Discounter, die bei uns kontinuierlich in Sachen „SB-System“ nachrüsten, sind Penny und Netto.

„DIY“ an der Kasse: Die Evolution des Checkouts im stationären Einzelhandel

Ein weiterer Pionier bei den SB-Kassen ist der schwedische Einrichtungskonzern IKEA. Seit vielen Jahren schon findet man in jederFiliale direkt neben den „konventionellen“ Kassen die Selbstbedienungs-Terminals.

SB-Checkout wird mobiler

Einen Schritt weiter geht das „Self-Scanning“ per Smartphone oder Handscanner. Das Prinzip ist denkbar einfach:

Beim „mobilen Checkout“ bekommen die Kunden am Eingang des Geschäfts ein Lesegerät. Mit diesem mobilen Erfassungsgerät scannen sie dann die Produkte direkt am Regal selbst und buchen sie in den „digitalen Einkaufswagen“ ein. Am Ende des Einkaufs werden die Daten in das Kassensystem übernommen und man bezahlt entweder an einer Extrakasse oder einem Automaten. Voraussetzung ist, dass der Kunde sich zuvor mit seinen persönlichen Daten registriert hat.

Eine weitere Möglichkeit: das autonome Einkaufen, Scannen und Bezahlen per Handy bzw. Smartphone-App. Ziel ist es, dem Kunden größtmögliche Eigen- und Selbstständigkeit während des Einkaufens zu gewähren. Und noch mehr Zeitersparnis. Wurde die entsprechende „Smart-Shoppen“-App heruntergeladen, fotografiert man den Barcode mit der Smartphone-Kamera und schon sieht man das Produkt im virtuellen Warenkorb der Händler-App. Auch der Gesamtpreis wird jederzeit angezeigt. Die anschließende Bezahlung erfolgt per QR-Code an speziell dafür vorge-sehenen Kassen. Vorteil hierbei ist, dass der Kunde den Preis während des Einkaufs jederzeit im Blick und somit die Kosten besser unter Kontrolle hat.

Seit 2017 ist die Zahl der mobilen Self-Scanning-Lösungen bei uns um satte 134 Prozent gestiegen. Obwohl diese Zahl anderes vermuten lässt, bieten dennoch „erst“ 96 Supermärkte (in 64 Läden gibt’s die Handscanner, in 32 kann per Smartphone-App eingekauft werden) diese moderne Technologie an.

„Seit 2017 ist die Zahl der mobilen Self-Scanning-Lösungen bei uns um satte 134 Prozent gestiegen.“

Penny, Globus & Ikea testen „Self-Scanning“

Wie wahrscheinlich es ist, dass der Fokus dennoch verstärkt auf den mobilen Systemen liegen und die SB-Kasse künftig immer häufiger vom Self-Scanning im Markt abgelöst wird, legt das Ergebnis einer EHI-Erhebung nahe, für die die Marktforscher über 40 Handels-unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragten. Demnach wollen über 80 Prozent jener Unternehmen, die in den kommenden zwei Jahren den Self-Checkout für ihre stationären Shops planen, Self-Scanning-Lösungen per App einführen. Die Testläufe sind bereits in vollem Gange:

  • Kunden von Penny etwa können seit August 2019 in zwei deutschen Märkten (Köln und Marburg) die smarte „Selbstbedienungs“-App „Penny Go“ testen. In diesem Jahr sollen weitere Testmärkte hinzukommen
  • seit Mai 2019 testet Real in einem Markt in Mönchengladbach Self-Scanning per Profi-Handscanner (Handheld-Mobilcomputer)
  • in einer Frankfurter Niederlassung begann IKEA im Sommer 2019 damit, das mobile Erfassen der Ware durch den Kunden direkt am Regal zu testen
  • der SB-Warenhausbetreiber Globus plant in diesem Jahr, seinen Kunden das Self-Scanning per Smartphone zu ermöglichen. In tschechischen Märkten liefen bereits erste Versuche
„DIY“ an der Kasse: Die Evolution des Checkouts im stationären Einzelhandel
  • den vollständig kontaktlosen Einkaufs-Prozess (vom Scannen bis zum Bezahlen) bietet seit kurzem der Sportwarenhersteller Decathlon an: Die App „Scan & Go“ ermöglicht es in einigen Filialen (u.a. in Berlin, Köln, München), komplett per mobilem Endgerät zu scannen und zu zahlen. Gleichzeitig mit der Bezahlung wird der Artikel „entsichert“, die Warensicherung also deaktiviert. Und der Kunde kann den Laden verlassen

Was all diese Entwicklungen und die zunehmende Akzeptanz alternativer Bezahllösungen folglich für den Arbeitsmarkt bedeuten könnten (Abschaffung des Kassierer-Jobs?) sollte jedoch immer mitbedacht werden. Die Händler und Unternehmen versprechen ein stetig kundenfreundlicheres, innovativeres und digitaleres Einkaufserlebnis – dass die weiter voranschreitende Technologisierung sowie Automatisierung in den Märkten und Geschäften jedoch ohne Folgen für den Beruf des Einzelhändlers so wie wir ihn kennen bleibt, ist kaum vorstellbar.


Quellen:

[1] https://www.self-checkout-initiative.de/markterhebung-2019/

[2] Quelle https://handelsjournal.de/handel/payment/selbst-ist-der-kunde.html

[3] https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/wirtschaft/sb-kassen-die-neue-arbeitsteilung-im-geschaeft-1967936.html

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