Diese Auswirkungen hat das BGH-Urteil auf Banken und Fintechs

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Das BGH Gebühren-Urteil sorgte für eine große Unruhe in der Finanzbranche. Aber was heißt das Urteil konkret für Banken, Fintechs und Kunden? Sind nur Neobanken und B2C Fintechs betroffen? Oder müssen sich auch B2B Fintechs Gedanken machen? Und: welchen Präzedenzfall stellt dieses Urteil dar?

Gastbeitag von Dr. Lea Maria Siering, Rechtsanwältin und CRO bei finleap connect

Worum geht es in dem Urteil eigentlich?

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit seinem Urteil vom 27. April 2021 (Az. XI ZR 26/20) l entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren.

Was heißt das nun aber genau?

Jeder, der die AGB seiner Bank gelesen hat, kennt die Regelung: Diese können jederzeit geändert werden, ohne dass der Kunde seine ausdrückliche Zustimmung erteilen muss. Es reicht bereits, wenn der Kunde dieser geänderten Fassung nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprochen hat. Es ist also eine Art Genehmigungsfiktion. Widerspricht der Kunde, steht der Bank typischerweise ein Kündigungsrecht zu.

Geklagt hat nun der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Er war der Auffassung, dass dies dem Grunde nach eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher darstellt. Auch dann, wenn die Bank den Kunden in ihrem Angebot ausdrücklich darauf hinweist und der Kunde die Möglichkeit hat, einer Kündigung zu widersprechen. Insbesondere in Fällen, in denen so Gebühren oder Preise für bestimmte (Finanz-) Produkte erhoben werden, ändere sich das Wesen des Vertrags, so dass es nicht ausreiche, wenn hier nur mit dem Mittel der Zustimmungsfiktion eine Vertragsanpassung erfolge.

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BGH folgt Vorinstanzen nicht

Die Vorinstanzen folgten dieser Argumentation nicht! Nun aber zur Überraschung vieler: der BGH. Er vertritt  die Auffassung, dass diese Praxis unzulässig sei. Dabei sind – obwohl die Urteilsgründe noch nicht veröffentlicht wurden – bereits spannende Erkenntnisse aus der Entscheidung zu ziehen, die weitreichende Folgen auf die AGB-rechtliche Ausgestaltung in der Finanzbranchen haben werden.

Unangemessene Benachteiligung

Kurz gefasst: Der Kunde (der zugleich Verbraucher ist) ist durch eine solche Klausel unangemessen benachteiligt. Denn grundsätzlich sind Verträge durch Angebot und Annahme zu schließen und die Annahme hat in der Regel ausdrücklich zu erfolgen. Schweigen allein reicht also nicht. Werden AGBs nun geändert, stellt dies eine Vertragsänderung dar, für die die allgemeinen Grundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuches gelten: Angebot und Annahme.

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Der unter anderem für das Bankenrecht zuständige XI. Zivilsenat hat also erneut zu Gunsten des Verbrauchers entschieden: Änderungen der AGB dürfen nur insoweit erfolgen, als dass sie dadurch den Nutzer nicht unangemessen benachteiligen. Was das genau heißt, bleibt abzuwarten bis die Urteilsgründe vorliegen. Klar ist jedenfalls, dass der Standard der Genehmigungsfiktion nicht mehr per se verwendet werden kann.

Was bedeutet das für Banken, was wird sich ändern?

Zunächst: Kosten, Gewinneinbußen, Unruhe und auch Unsicherheit, weil alle auf die Urteilsbegründung warten. Erst danach wird abschließend zu klären sein, wie weitreichend die Folgen tatsächlich sind:

Klar ist jedenfalls, dass die uns allen bekannte Zustimmungsfiktion nicht mehr per se möglich sein wird. Jedenfalls nicht, wenn es um die leichte, unkomplizierte Einführung von Gebühren bzw. Entgelte geht, oder  – allgemein formuliert – Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen geht. Was genau darunter zu verstehen ist, wird sicherlich Gegenstand weiterer Urteile, aber auch brancheninternen Diskussionen sein – eine klare Antwort lässt sich nicht geben, nur Mutmaßungen.

Sicher ist allein, dass dieses Thema spannend bleibt. Banken dürften nunmehr gezwungen sein, detaillierter abzuwägen, ob sie ein Produkt kostenlos anbieten wollen und werden. Denn sicher ist, dass eine gebührenfreie Leistung nicht mehr allzu leicht später im Verlauf der Geschäftsbeziehung mit einer Gebühr versehen werden kann: der Weg des Kunden-Lockens durch ein Produkt “for free” dürfte sich demnach dem Ende neigen.

Sicher ist allein, dass dieses Thema spannend bleibt. Banken dürften nunmehr gezwungen sein, detaillierter abzuwägen, ob sie ein Produkt kostenlos anbieten wollen und werden.

Sind Fintechs auch davon betroffen?

Sicher gelten die Grundsätze dieses Urteils auch uneingeschränkt für Fintechs. Alle Unternehmen, die im B2C Bereich Regelungen einer Genehmigungsfiktion nutzen für Änderungen, werden nicht umhinkommen, diese Klausel anzupassen.  Jedenfalls dann, wenn sich durch Änderungen das Wesen des Vertragsverhältnisses komplett ändern kann. Hier führte der BGH auch Beispiele auf: die kostenlose Eröffnung eines Sparvertrags oder eines Depots etwa. In solchen Fällen ist die Gebührenfreiheit ein wesentlicher Vertragsbestandteil. Er kann nicht allein mit einer Zustimmungsfiktion aufgehoben werden.

Möglich ist aber, dass Fintechs leichter auf die Folgen dieses Urteils reagieren können oder gar daraus Nutzen schlagen, indem digitale Lösungen für rechtlich zulässige Änderungsverfahren anzubieten – insbesondere für Institute, die über solche technischen Lösungen noch nicht verfügen. Denn die Einholung einer ausdrücklichen Zustimmung dürfte bei einem rein digitalen Produkt reibungsloser und einfacher verlaufen als bei einer konservativ aufgestellten Bank, die noch nicht voll digital arbeitet.

Was heißt das Urteil für Kunden?

Je nach Urteilsbegründung ist es jedenfalls denkbar, dass Bankkunden Gebühren zuzüglich Zinsen zurückverlangen können, die nicht rechtmäßig erhöht wurden.  Auch hier haben die betroffenen Banken neben Kosten auch mit einem hohen administrativen Aufwand zu rechnen.

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Ob nun dieses Urteil zu mehr Verbraucherschutz führen wird, wage ich zu bezweifeln. Verbraucher erhalten zwar womöglich Geld zurück und auch mehr Transparenz in Bezug auf Vertragsanpassungen, weil “still und heimliche” Anpassungen, darauf spekulierend, dass sich die meisten Kunden nicht die Zeit nehmen, die Änderungen anzusehen und diesen zu widersprechen, nicht mehr möglich sein werden.

Aber es ist allerdings keineswegs ausgemachte Sache, dass dies für Kunden eine gänzlich positive Entwicklung ist. Der erwähnte Druck auf Kreditinstitute, höhere Gebühren durchzusetzen, um den Rückgang ihrer Zinsgewinne zu kompensieren, bleibt sicherlich bestehen. Und ihnen steht es nach wie vor frei, solche Änderungen oder Erhebungen durchzusetzen, nur eben anders: Take it or leave it. Es bleibt abzuwarten, ob Banken diesen Weg tatsächlich gehen und Vertragsbeziehungen kündigen, sofern keine Zustimmung erfolgt…. Und dann auch die Frage: mit welcher Frist kann in zulässigerweise ein Vertrag gekündigt werden, wenn ein Verbraucher den Änderungen nicht zustimmt.

Einschätzung zu weitere potenzielle Auswirkungen vom Urteil

Seriös kann man nur auf die Urteilsbegründung warten. Erst nach deren Lektüre dürfte man in der Lage sein, die Folgen besser abschätzen zu können und dieses weitergehend zu analysieren. Diese werden nach der beim Bundesgerichtshof geübten Praxis regelmäßig erst einige Wochen nach der Verkündung des Urteils veröffentlicht. Es bleibt also immer noch spannend.

Sicher ist aber, dass wesentliche Änderungen von AGBs in der Regel nicht mehr über die Zustimmungsfiktion möglich sein dürften. Es bedarf einer ausdrücklichen Annahme des Angebots auf Änderung des Vertrags bzw. der jeweiligen Klausel.

Zur Beruhigung ließe sich noch hinzufügen, dass ein BGH Urteil nicht andere Gerichte bindet. Es bleibt bei dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass Richter bei ihrer Entscheidungsfindung unabhängig sind und nur dem Gesetz unterworfen sind (Art. 97 Abs. 1 GG). Dies ist jedenfalls die Theorie; in der Praxis ist es dann jedoch trotzdem so, dass höchstrichterliche Entscheidungen großen Einfluss haben….

Autor

  • Dr. Lea Maria Siering ist CRO bei der finleap connect GmbH und verantwortet die Bereiche Bereiche Compliance, Information Security, Legal und Public Affairs. Mit mehr als 10 Jahren Erfahrung im Finanzsektor war sie zuletzt Chief of Staff and Director Regulatory Affairs bei der finleap GmbH, Partnerin bei Taylor Wessing im Bereich Regulatory und General Counsel bei der CrossLend GmbH. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen zu regulatorischen Themen, insbesondere mit Bezug zu Digitalisierung und gibt gemeinsam mit anderen die im Beck Verlag erschienene Zeitschrift „Recht Digital“ heraus.

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