Corona-Krise: mögliche Gewinner und Verlierer

Die möglichen Gewinner und Verlierer der Corona-Krise

Langsam aber sicher wird uns wohl allen klar, dass es eine Zeitrechnung vor und nach Corona-Krise geben wird. Dies wird natürlich auch unsere alltagsrelevante Szene treffen und wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Corona Gewinner und Verlierer sehen, die aus dieser für uns aller Krise hervorgehen werden.

Die Annahmen und Kriterien für Corona- Gewinner und Verlierer

Wenn wir über die Gewinner und Verlierer der Corona-Krise nachdenken, dann liegen diesem Denken und den Überlegungen in der Regel Annahmen und Kriterien zugrunde, welche wir als Raster bei der Einordnung nutzen.

Neben den elementaren kurzfristigen Kriterien wie z.B. ob ein bestimmtes Unternehmen die Krise überhaupt überstehen kann (Cashbedarf, Mitarbeiter etc.) oder eine Branche nahezu automatisch fundamental betroffen ist (Reisen, Gastronomie etc.), wird es im Anschluss wohl eher auf die der Krise folgenden Trends und unser aller Verhalten ankommen, um Gewinner und Verlierer zu unterscheiden.

Klar ist für mich, dass eine solche fundamentale Krise bestimmte langfristige Trends und Veränderungen die unser Leben schon länger (wie z.B. Digitalisierung etc.) beeinflussen, zusätzlich fördern wird.
Hinzukommen werden durch den drastischen Einschnitt aber auch weitere und neue Trends, die sich eher als Antwort aus der Krise in unserem Leben etablieren werden.

Eine Sammlung an Trends habe ich einmal hier aufgelistet – klar ist, einige sind wohl auch einer tiefen Überzeugung folgend:

Welche Corona Gewinner und Verlierer seht Ihr, bzw. welche Kriterien sind für Euch entscheidend?

Jochen Siegert

Generell werden wir alle Verlierer der Krise sein. Es sind Menschen gestorben und sterben weiter. Schon heute werden viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit geschickt oder entlassen und Unternehmen müssen Insolvenz anmelden. Auf Payment-, Banking- und Fintech-bezogen wird es sicherlich einige Profiteure geben. Ich denke da aktuell an alle, die im Lending-Bereich aktiv sind. Die Sicherstellung kurzfristiger Liquidität in Unternehmen und bei Selbständigen ist derzeit das A und O. Alle Banken, FinTechs und Dienstleister in diesem Segment, werden vermutlich stark von der Entwicklung profitieren. Gleiches gilt fürs Payment. Kontaktloses-, kartenbasiertes- und Onlinebezahlen hat in den letzten Tagen bis dato völlig ungeahnten Schub erhalten.

Die möglichen Gewinner und Verlierer der Corona-Krise

Die uns auferlegten Kontakt-/Ausgangssperren und Home-Office entwickeln sich generell zu einem großen Digitalisierungsbeschleuniger in jeglichem Bereich. Onlinebanking, Onlinevideokonferenzen, Onlineshopping, Onlinelieferdienste, Onlinestreamig, Onlinenachrichten, Online*.* .… Was bedeutet das aber in der Konsequenz? Die grundlegenden digitalen (Infrastruktur-)Anbieter sind, einmal mehr, US-Westküsten-Companies. Diese werden noch weiter gestärkt aus dem Corona-Schock herausgehen. Auf der anderen Seite wird Corona, wie die Dotcom-Krise und die Lehman-Krise vorher auch, zu einer Marktbereinigung führen. Dies gilt sowohl für Start-ups, aber auch für Digital-Projekte in den Banken.

Wenn die Wirtschaft wieder hochfährt wird weniger Zeit und Budget für “Hobbyprojekte” vorhanden sein. Die ohnehin strauchelnden (Digital-)Projekte in den Banken und Sparkassen werden vermutlich alle gestrichen und wir werden eine dramatische Beschleunigung von Bank-Fintech-Kooperationen sehen, da diese schnellen Go-To-Market und schnelles unternehmerisches Handeln ermöglichen. Auch glaube ich an mehr FinTech-Übernahmen durch Banken, um sich schneller an die neue Zeit anpassen zu können.

Nicole Nitsche

Es herrscht Ausnahmezustand weltweit. Selten war die Zukunft für die nächsten Monate so ungewiss wie derzeit. Unternehmenswerte lösen sich gerade wie in Luft auf. Die Verlierer des aktuellen Börsencrashs sind daher leicht ausgemacht: nahezu alle. Denn neben der nach oben schnellenden globalen Mortalitätsrate stehen unendlich viele Existenzen auf dem Spiel.

Brutal hat es die Energiebranche getroffen und ob Aktien, Anleihen, Gold oder Kryptowährungen, es gibt kaum eine Assetklasse, hinter der man sich vor diesem Absturz in Sicherheit bringen konnte. Danach kommen ganz klar die Tourismus-, Travel & Reisebranche zu der natürlich die Luftfahrtlinien gehören. Auch alle Veranstalter, Messebauer und der Branche angehörigen, wie z.B. Caterer leiden gerade extrem.

Doch wie in jeder Krise gibt es Unternehmen, denen sich durch neue äußere Umstände unverhofft große Chancen eröffnen. Im Kontext der Corona-Krise denkt man schnell an Hersteller von Schutzkleidung, an Biotechnologie- und Pharmaunternehmen die wahrscheinlich noch nie soviel Aufmerksamkeit hatten wie in den letzten Wochen.

Der Zwang zu Home-Office hat den Kollaboration-Tools einen bis dato ungesehenen Boom beschert. Microsoft hat gemeldet, dass die Anzahl der täglich aktiven Nutzer auf Microsoft Teams von 20 Millionen im November auf nun 44 Millionen gestiegen ist. Bei Unternehmen wie Zoom Video Communications, schlägt sich die neue Nutzerflut in Rekordumsätzen nieder. Überhaupt das ganze Thema Digitalisierung und die Frage wie es um Verständnis, Zugang, Möglichkeiten und Ausbau geht, wird auch nach der Krise an enormer Bedeutung gewinnen.

Die möglichen Gewinner und Verlierer der Corona-Krise

Der Einzelhandel und damit meine ich explizit die Supermärkte, verzeichnen jetzt schon ähnlich hohe oder höhere Summen wie beim Weihnachtsgeschäft. Selbst die Delivery Zahlen der Anbieter wie Edeka, REWE etc. schnellen in die Höhe. Zusammen mit Amazon, das aktuell auch zusammen mit Netflix vom Streaming-Boom profitiert, sind also die Food- Einzelhändler einer der Gewinner dieser Krise.

Gastronomen, Hotels und viele kleine Läden kämpfen aktuell um ihre Existenz. An der Börse werden Aktien von Unternehmen, die Paymentlösungen für genau diese Kundschaft anbieten, wie z.B. Square gehandelt, als würde es kein Morgen für diese Kunden geben.

Es bliebt bei all dem zu hoffen, dass dieser historische Einschnitt in die Weltwirtschaft einigermaßen gut zu verkraften ist. Denn Kraft ist es was viele jetzt brauchen.

Miriam Wohlfarth

Durch Corona ist unsere Alltagsrealität eine andere. Corona wird dazu führen, dass die Digitalisierung mit Wucht unser Leben verändert.
Wir arbeiten von zu Hause und bescheren Kollaboration-Tools einen unglaublichen Boom. Ich selbst nutze hauptsächlich Microsoft Teams, Zoom, FaceTime ,WhatsApp und Slack. Durch meine Tochter habe ich mich jetzt auch bei Houseparty registriert.

Wenn ich mir alleine mein persönliches Verhalten anschaue und man die Microsoft Nachricht von letzter Woche betrachtet, dass die Anzahl der täglich aktiven Nutzer auf Microsoft Teams von 20 Millionen im November auf nun 44 Millionen gestiegen ist, dann ist das schon beachtlich. Die Gewinner der Krise lassen sich hier leicht ausmachen. Da die Kinder nicht zur Schule gehen können, bekommt Online Bildung einen ganz anderen Stellenwert und Corona wird plötzlich Extremkatalysator. Bei den kostenlosen Coding Videos von Startup-Teens sehen wir unglaublichen Zuwachs.

Der Verzicht auf soziale Kontakte und der Rückzug ins Zuhause verändert auch das Freizeit- und Konsumverhalten. Der stationäre Handel bricht ein, Restaurants müssen schließen, Bargeld verliert seinen Reiz sogar in Deutschland und lokale Angebote werden stärker nachgefragt.
Profiteure von dieser Entwicklung werden die Anbieter von Lebensmitteln- und Hygieneprodukten, die Digitaltalunternehmen (im Bereich Software, E-Commerce und deren Dienstleister, Online Payment, Entertainment, Online Fitness Games, E-Food und E-Health…) und die Netzwerkausrüster sein.

Als Online Payment Anbieter sehen wir bei RatePAY auch, dass größere Anschaffungen im E-Commerce weniger werden, Travel komplett einbricht und die Leute mehr Spiele und gemütliche Kleidung kaufen.
Ich kann mir vorstellen, dass der Einzelhandel auch nach der Corona-Krise schwere Zeiten durchlebt, da plötzlich deutlich mehr Menschen online einkaufen und hier Verhalten geändert wird.
Im Bereich Fintech werden meiner Meinung nach vor allem die Online Payment Anbieter und die Online Kreditplattformen profitieren. Die traditionellen Banken sehe ich hier eher als Verlierer, da sie im Online Payment kaum eine Rolle spielen und technisch, gerade in der Kreditvergabe (die dringend notwendig sein wird) wahrscheinlich an den Rand ihrer Kapazitäten kommen.

Maik Klotz

Ich glaube das wir erst einmal alle verloren haben und wenn Menschen sterben kann der Verlust tragischer nicht sein. Und auch die durch diese Krise in Zukunft errungenen Erfolge, sind am Ende ein bitterer “Sieg”. Ich möchte dieses mal nicht den Finger auf irgendjemand zeigen und darüber schwadronieren was man hätte im Vorfeld besser machen können. In allen Bereichen viele Verlierer und jeder davon tut mir leid. Es gilt der Satz: Hinterher ist man immer schlauer und jetzt ist nicht der Zeitpunkt Fehler aufzuzeigen. Es gibt aber auch positive Dinge, die wir aus der Krise mitnehmen und beibehalten. Arbeitsmodelle wird man überdenken und mehr Geld und Ressourcen den systemkritischen Berufen zugestehen, ohne die der ganze Laden nicht läuft. Gewinnen werden hoffentlich auch Familien, die durch diese Krise enger zusammenrücken. Ein Gewinn wird hoffentlich das beibehalten des Pragmatismus sein, denn die Krise zeigt wie kurz und schnell Entscheidungen getroffen werden können. Die Krise zeigt auch, wie viel Luft nach oben in Deutschland beim Thema Digitalisierung ist, wie gut aber trotz aller Unkenrufen (meiner eingeschlossen) dann doch viele Dinge funktionieren.

Die für mich wesentlichste Veränderung wird aus meiner Sicht im Bereich der Kommunikation stattfinden. Durch die Isolation sind wir gezwungen anders miteinander zu sprechen. Video-Konferenzen finden nun auch im privaten Kontext statt und fühlen sich nicht mehr komisch an. Dem einhergehend wird Technologie mehr in unseren Alltag einfließen. Online einzukaufen war schon vorher da und wird nun eben auch in Bereichen genutzt, bei denen es vorher nicht denkbar war. Und trotz dieser veränderten Kommunikation rücken wir, so glaube ich, alle näher zusammen. Woran ich nicht glaube, ist eine revolutionär andere Welt in der sich alle lieb haben und alle Probleme der Vergangenheit auf einmal gelöst sind.

Die möglichen Gewinner und Verlierer der Corona-Krise

Kilian Thalhammer

Auch wenn das Wording “Gewinner und Verlierer” im Gesamtkontext einer globalen Pandemie etwas “seltsam” anmutet, ist, es denke ich wichtig sich jetzt schon Gedanken über die Zukunft zu machen. Der Gewinner wird ganz klar – v,a. im regionalen Kontext Deutschland – die Digitalisierung sein. Sie wurde “per Zwang” durchgesetzt und hat in der Krise viel “Gutes” bewirkt. Sei es um „Working from Home“ Konzepte überhaupt erst zu ermöglichen – und das öffentliche Leben nicht komplett abzuschalten oder auch in der schnellen und klaren Verbreitung von Informationen und Zahlen. (klar – mit den entsprechenden Downsides wie „Fake News“ und teilweise medialer „Überspitzung“). Daneben ist die pragmatische Execution ein klarer Gewinner – viele Dinge gehen nun schnell – weil sie schnell gehen müssen. Es wird entschieden – man nimmt Risiken – sei es unternehmerisch oder politisch. Dies ist etwas, was die Gesellschaft braucht und was in Deutschland verloren schien. Der ein oder andere Gründer kann ein Lied davon singen.

Ein klarer Gewinner ist “Leadership”. Es kristallisieren sich Persönlichkeiten aber auch Firmen heraus, die hier vorangehen – auch einige von denen man es nicht erwartet. Dies wird langfristig unsere Gesellschaft beeinflussen. Die Zeiten des politischen “Duck & Cover” und “Durchlavierens” sind vorbei. Diejenigen die nun sich nach vorne wagen und dabei natürlich auch Pushback bekommen, werden langfristig die Gewinner sein.

Bewusst möchte ich nur über Gewinner sprechen – um positiv nach vorne zu sehen. Verlierer sind oft viel offensichtlicher und leider auch tragischer. Schockstarre bringt auf jeden Fall niemand weiter.

Und rückwirkend sollte uns allen bewusst sein – die größten Stories und auch Business werden oft in der Krise geboren 2001 und 2007/8 zeigen es.

Christina Cassala

Die Zeit nach Corona wird eine andere sein, das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben wird sich nachhaltig verändert haben. Die Digitalisierung mit all ihren Vorzügen setzt sich mit aller Kraft im Schnellverfahren durch: Von einem Tag auf den anderen haben sich Arbeitsabläufe verändert, vorher undenkbar sind Tele- und Videokonferenzen zur Selbstverständlichkeit geworden und stellen sich sinnvoll und praktikabel heraus. Home Office-Modelle werden sich etablieren und entwickeln sich für viele weitere Talente zur Chance zur Teilhabe am Arbeitsleben. Positiver Effekt: Durch den Wegfall unnötiger Flüge und Autofahrten zu irgendwelchen Meetings, die auch online stattfinden können, profitiert schlussendlich auch das Weltklima.

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Verhaltensmaßnahmen entwickelt sich zu einem Beschleuniger für Innovationen. Der Hackathon der Bundesregierung vergangenes Wochenende ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnell neue Produkte entwickelt werden können, wenn Menschen kollaborieren und ihr Wissen zur Verfügung gestellt wird. Eine gut aufgestellte Digitalökonomie, mit Produkten, die der Markt braucht, kann hier nur gewinnen.

Die möglichen Gewinner und Verlierer der Corona-Krise

Im Bereich Payment sehe ich viele Gewinner: Online-Shopping und eCommerce boomt, Bargeldloses Zahlen setzt sich beim Handel in rascher Geschwindigkeit durch, Kartenzahlungen sind der Hit. Wirtschaftlich betrachtet gilt es also frei nach der Devise: Never let a good crisis go to waste! Eine hochwertige Berichterstattung der Medien sowie starke Leader, die eben mal keinen “Bullshit” von sich geben, sind gefragt wie selten. Das Wort “Vertrauen” hat wieder massiv an Bedeutung gewonnen. Und die Wertschätzung der systemkritischen Berufe ist schon jetzt massiv gestiegen. Und das war auch Zeit!

Bei allem persönlichen Optimismus wird es leider eine Menge Verlierer der aktuellen Situation geben: Unternehmen, die trotz Rettungsschirm der Bundesregierung, nicht überleben werden, Menschen, die durch Liquiditätsengpässe ihrer Arbeitgeber ihren Job verlieren und Freelancer, denen die Kunden wegbrachen. Hierfür wird es Lösungen geben. Aber der Verlust geliebter Menschen ist durch nichts aufzuwiegen.

Autor

  • André M. Bajorat ist seit fast 30 Jahren in der deutschen Digitalwirtschaft zu Hause. Über die Stationen SK Online, Star Finanz, giropay und Number Four kam er 2012 als Business Angel zu figo. Das Unternehmen führte er von 2014 bis September 2019 als CEO von einer b2c App zu einem von der BaFin regulierten Banking as a Service Provider. Seit 2020 ist er Teil des deutsche Bank Konzerns und seit Mitte 2022 Managing Director bei einem deutschen Assetmanager. Er ist zudem Gründer und Herausgeber des erfolgreichen Branchen-Portals paymentandbanking.com, Podcaster, Investor (figo, Finleap, Loanlink, Sparkdata, Weddyplace, nufin, portify, moss, compa, brygge, embeddedcapital, PlanetA, Naro), Mitglied im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums, aktives Mitglied im Bitkom, Herausgeber des Buches “Köpfe der digitalen Finanzwelt” und international gefragter Speaker. Inhaltliche Schwerpunkte sind Banking, Payment, FinTech, API-Banking, digital Assets und Crypto. Außerdem ist er Mit-Initiator und Ausrichter der Wahl zum „FinTech des Jahres” sowie der Eventreihen Bankathon, Payment Exchange, Banking Exchange und Transactions.io.

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