Auch Holvi macht jetzt Buchhaltung: Ist TaxTech etwa „the next big thing“?

Hinter Holvi liegen bewegte Zeiten. Nachdem das Unternehmen nach dem Verkauf für die neuen Inhaber nicht mehr so interessant zu sein schien, wie es sich Holvi-Gründer Tomas Toivonen einst vorgestellt hatte, kaufte er sein einstiges Vorzeige-Fintech für Selbständige einfach zurück. Leicht war der Neustart seitdem offenbar nicht. Gegenüber der Presse verriet Toivonen nun seine neue Strategie. Neben vielen neuen Features will das Unternehmen künftig den Kund:innen gegen Gebühr nun auch Buchhaltung und Steuererklärung anbieten.

Doch Halt! Das kommt uns doch bekannt vor: Anbieter wie Kontist blasen längst in das gleiche Horn und sind den Finnen auf dem deutschen Markt weit voraus. Auch Software-Anbieter bieten smarte Lösungen für all jene, die das Thema Steuern gerne weg vom Schreibtisch haben wollen. Langweilig und kommt Holvi zu spät mit diesem Angebot oder ist das erst der Anfang und ist TaxTech schlichtweg der nächste heiße Scheiß?

Das sagt das Payment and Banking-Team:

Maik Klotz

TaxTech ist nicht der nächste heiße Scheiß. Es ist der heiße Scheiß schlechthin seit dem es Steuern gibt Software gibt. Der Steuermarkt ist der einzige Markt mit einem quasi gottgegebenen Businessmodel. Jedes Jahr ändert sich die Gesetzgebung, jedes Jahr müssen 41 Millionen Steuerpflichtige in Deutschland eine Steuererklärung abgeben und jedes Jahr ist das mit großem Schmerz verbunden. Wer sich keinen Steuerberater leisten kann oder will muss selber Hand anlegen – und dann wird es kompliziert.

Der Markt wird zwar seit Jahrzehnten von Software von Lexware oder Buhl Data (WISO) beackert, den heiligen Gral, nämlich eine vollautomatische Lösung, welche die Steuererklärung autark erstellt, gibt es nicht. Kein Wunder also, das immer mehr Startups den Markt für sich entdecken, denn jede Annäherung an einer automatischen Lösung trifft einen Nerv. TaxTech ist kein Hype, TaxTech ist ein hochprofitabler Markt mit einem klaren Businessmodel.

blue LED Hype sign

André Bajorat

TaxTech ist wieder Mal nicht neu, aber eines der schönen Beispiele, in denen Open Banking in einer skalierenden – europäischen Weise – den Unterschied zu machen scheint. In Deutschland schon lange da, aber von den existierenden Platzhirschen wieder nur Deutsch gedacht.

Nun kommen neue Player, nutzen unter anderem Bank- und Paymentdaten als Grundlage und verbinden das smart mit den Funktionen des Smartphones (scan, storage) und schon ist ein wirklich skalierendes Business sehr nah am Geld geschaffen. Den Schritt den Kontist und der neue Dienst von Holvi gehen, ist darauf noch die Sahne auf der Torte! Für alle, die mehr brauchen und für alle, die Steuern nicht im Selbst-Service machen wollen. Das ist schlau und der Markt der etablierten Steuerberater ist groß und muss angegriffen werden.

Jochen Siegert

Steuerberater ist ein weiteres Standessegment in Deutschland das gegen Innovation und Wettbewerb von Außen abgeschottet wird. Als Vergleich fällt mir hier der Meistertitel ein, ohne den sich ein Handwerker bisher nicht selbständig machen konnte. Dabei sagt diese Titel – so ist das bei vielen meiner Handwerker – aber kein wirkliches Qualitätsmerkmal.

Auch im Bereich Steuern schreit es nach Innovation. Ich suchte neulich einen Steuerberater für meine Beteiligungsgesellschaft und googelte die Begriffe „meine Stadt“ und „Steuerberater für Startup“. Das, was sich auftat, war zu 99 Prozent grausam. Gleichzeitig aber gibt es dank TaxTech tolle Lösungen an der Schnittstelle zwischen Banking, Accounting und Tax. Daher: Es dauert schon viel zu lange für Disruption in diesem Bereich. Es wurde Zeit! Und es fehlen noch viele Player!

Christina Cassala

Wer lange selbständig war oder ist, kennt den Schmerz, wenn das Finanzamt ruft und Belege, Abrechnungen und Quittungen einfordert. Schnappatmung? Noch das geringste Symptom! Und wer sich an einen Steuerberater wendet, bekommt (fast) immer die gleiche Antwort: „nein danke!“. Der Kleinstmist, der für Selbständige die Existenz sein kann, bedeutet für die Fachleute nur viel Arbeit für wenig Geld. Wer will es ihnen also verübeln?

Von daher treffen Anbieter, die Selbständigen anbieten, diesen Schmerz von ihnen zu nehmen, bei Kund:innen auf alles, was offen stehen kann: Ohren, Türen … Das hat nicht nur Holvi gemerkt, sondern vor ihnen auch Kontist oder andere Anbieter, die einfache und smarte Lösungen an der Schnittstelle zwischen Banking, Accounting und Tax anbieten. Bitte mehr davon!

Autor

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