Die Apple Card – der neuste Clou aus Cupertino?

Apple mal wieder - nach ersten Versuchen im Payment jetzt auch Banking

Apple – Nach ersten Versuchen im Payment jetzt auch Banking?

Es geht um Transaktionen, Finanzgeschäfte und eine Marke. Apple hat mit der Apple Card einen weiteren großen Schritt in das Geschäft mit Finanztransaktionen gemacht. Seit der Präsentation kursieren widersprüchliche Angaben über Strafgebühren, iPhone-lose Verwendungsmöglichkeiten und Kartennummer-Generierung. Kreditkarten sind einzigartige Werkzeuge im Arsenal jedes Unternehmens, um Daten zu erfassen, Benutzer zu sperren und letztendlich Geld zu verdienen. Die Presse überschlägt sich.

Es handelt sich um eine Mobile first-Kreditkarte, die in die Wallet App integriert ist und exklusive Cashback-Vorteile für Apple-bezogene Einkäufe bietet. Die Karte bietet Apple die Möglichkeit, seine jetzt schon benutzerfreundlichen Benutzeroberflächen und Funktionen in eine Branche einzubringen, die dafür bekannt ist, sich bei der Einführung neuer Technologien sehr langsam zu bewegen.

Die Kreditkartenindustrie ist ein extrem überfüllter Markt mit etablierten Playern, die riesige Anmeldeboni und lukrative Cashback-Angebote anbieten, aber Apple setzt seinen Fokus auf ein benutzerfreundlicheres Erlebnis. Ob der Datenschutz dem Unternehmen helfen wird die Verbraucher zu überzeugen, bleibt fraglich.

Nun also richtig – was heißt das? Wir geben mal einen Überblick über die Fakten und versuchen eine Einordnung.

Welche Partner sind dabei?

  • Mastercard
  • Eine Bank. Aber nicht die Typische, sondern mit Goldman eher ein Exot in dem Bereich

Das Potential?

  • wohl unschätzbar groß
  • Apple macht Payment und nun auch Banking zum Teil des Betriebssystems
  • Alles was mit und über Apple bezahlt werden soll ist somit automatisch Teil des Kuchens
  • Aber auch überall wo schon heute Apple Pay geht

Wer wird angegriffen?

  • massiv PayPal
  • Google Pay
  • Alipay/WeChat
  • Alle Kartenissuer
  • Visa
  • Die Apple Pay Partner über eine Kannibalisierung

Was genau verändert sich?

  • das Erlebnis des Bezahlens
  • Banking und Payment wird Eins

Das echte Asset

  • Cash-Back
    • Keine Punkte oder sonstige unnütze Vorteile, sondern Geld zurück für jeden konsumieren Dollar
    • 2% überall, 3% für Umsätze im Apple UNIVERSUM

Banking nun auch?!

  • Ein Mantra welches wir schon immer predigen. Das Banking und Payment eins geworden ist, wird spätestens mit Announcement jeder verstanden haben

Messenger als klarer Teil der Strategie

  • eher eine Randnotiz gleichwohl wichtig
  • iMessage ist Teil der Strategie und wichtiger Bestandteil im User Erlebnis

Privacy der Daten als Asset

  • anders als Google Pay setzt Apple weiter massiv auf die Vertrautheit der Daten
  • Und auch der Partner Goldman unterstreicht diese Aussage

Und wann kann man es haben?

  • in den USA ab Sommer
  • Über den Rest der Welt schweigt man bisher
Apple mal wieder - nach ersten Versuchen im Payment jetzt auch Banking

Wie sind eure Meinungen zur Apple Card?

Maik

Haben wir schon oft drüber gesprochen über das wichtige Stichwort “Alltagsrelevanz”. Ich glaube nicht, dass es Apple primär darum geht im Payment mitzumischen. Tausche das Wort “Payment” gegen “Kundenbindung” und Du weißt worum es geht. Es geht darum den Kunden im Ökosystem zu binden. Im Prinzip den gleichen Weg den Amazon mit Prime auch geht: Services die einen Mehrwert stiften, aber mit dem Kernprodukt zunächst gar nicht so schrecklich viel zu tun hat. Ökosystem halt. Und deshalb gibt es nicht nur eine schicke Kreditkarte sondern eben auch einen News+, Arcade-Spiel-Plattform und Streaming-Dienste. Apple verkauft Lifestyle: alles schick, alles aus einer Hand. Der optimierte Apple-Mensch: zahlt mit Apple Pay, der Apple Card, nutzt Apple Dienste und achtet mit seiner Apple Watch auf seine Gesundheit. Wenn Apple nächstes Jahr einen Apple-DNA-Test bringen würde, würde das auch nicht verwundern. Passt eben ins Ökosystem. Müssen Banken davor Angst haben? Ja.

Jedes Unternehmen muss Angst haben, wenn es kein Ökosystem bieten kann. Die Aussage ist ganz einfach: mach Dein eigenes Ding, oder werde Zulieferer einer größeren Geschichte. Was es aber auch zeigt: Apple macht nicht nur einfach irgendwas. Sondern, das was sie machen irgendwie richtig. Die Apple Card ist so ein Beispiel: eine Karte die alles bietet was das (Kunden)Herz verlangt und ganz nebenbei macht sich Apple unabhängig von den langsamen Banken, die immer gehadert haben mitzumachen. Jetzt macht Apple halt alleine.

Kilian

Irgendwie langweilig – weil so vorhersehbar – es wußte irgendwie jeder. Die Zeiten des “One more thing” sind definitiv vorbei. Schaut cool aus, ohne Frage – ein paar kleine Features sind dabei (keine “Nummer” – Rotating CVV). Ein großer B2C Brand und ein großer B2B Brand legen ihre Markenpower zusammen und versuchen daraus Kapital zu schlagen. Das gelingt. Goldman ist austauschbar, wie jede andere Issuing Bank auch. Das passiert sicherlich auch. Warum auch nicht. Ich bin gespannt, ob man sich in jedem Land den Primus sucht.
Visa, Amex et al stehen sicherlich auch schon in den Startlöchern. Mal sehen wie lange Mastercard eine Exklusivität gekauft hat. Und vermutlich ist die “Karte” erst der Anfang der Reise – nicht das Ende.
Der Cashback ist fast schon langweilig. Gibt es am Markt schon lange und irgendwie denke ich mir “Gibt es da nicht mehr Innovation”? – Standardrabatt auf Apple Produkte finde ich passt nicht.
Hole ich mir sie “trotzdem”? Vermutlich ja – man ist so berechenbar geworden.

Rafael

Apple macht jetzt also einen auf Issuer – ach nee lieber doch nicht sondern Goldman Sachs ist der Issuer weil Bank will man als Apple trotz eigenem Branding und genug Exposure in Financial Services lieber weiterhin nicht sein (ruiniert auch die Unternehmensbewertung).
Was ist nun an der Apple Card dran? Es steht Apple drauf sonst nix.
Cashback Karten sind in den USA so verbreitet wie Sand am Meer. Es gibt lustigerweise sogar heute schon Cashback Karten im US-Markt die ein höheres Cashback bei Nutzung von Apple Pay anbieten als Apple selbst (4,5% statt 3%). Die sofortige Gutschrift des Cashback auf der Apple Wallet zeugt von etwas Innovationskraft – hat Goldman Sachs etwa klamm heimlich ein eigenes “Mini-Wallet” dazwischen geschaltet?
Auch die “No-fees” Aussage von Apple ist Augenwischerei. Die Aussage hätte heißen müssen “no-fees on top”. Die echten fees hängen dann aber wie üblich vom persönlichen Kredit-Score ab – immerhin nicht beeinflußt vom “Bei Rot über die Straße gehen”. Gleiche Produkte gibt es ebenfalls von jeder größeren Bank in den USA.

Apple macht mit der Integration in das Apple Wallet diese App langsam aber sicher zum “financial home” – für Apple Jünger. Fragt sich wann dort auch für nicht-kartenabhängige die Bank-Konten mit auftauchen (Angst-Szenario liebe Bänker). Mit der Apple Card probiert man sich nun auch am Personal Finance Manager. Natürlich wird Apple dank der Massen an Menschen die sich jetzt eine Apple Card holen und der ähem trainierten Algo’s aus Apple Pay eine Klassifizierung in Theorie besser hinbekommen als Mint und Konsorten in den USA. Das Räuspern kommt aber von der sub-optimalen Idee, diese Klassifizierung auf den immer noch grottenschlechten Apple Maps Daten basieren zu lassen.

Apple mal wieder - nach ersten Versuchen im Payment jetzt auch Banking

Was dadurch dann passiert, haben wir hier in DE schon mal sehen dürfen. Zahlung in Restaurant A mit Apple Pay die Push-Notification und Auflistung im Apple Wallet zeigt aber eine Zahlung bei Restaurant B (auf der gegenüberliegenden Straßenseite – Gott behüte da wäre ein anderes Etablissement gewesen) – in der Kreditkarten-Abrechnung (die auf MIDs basiert und nicht miesen Kartendaten) dann alles richtig. Viel Spaß dabei – ach nee wir nutzen das nur falsch wie der Steve immer gesagt hat.

Eine weitere “Neuerung” ist die rotierende CVV der Apple Card, womit es quasi unnütz wird die physische Karte zu klauen (außer als Andenken) weil dort weder die CVV noch das Unterschriftsfeld aufgedruckt ist.
Warum es nun Apple dafür braucht um so eine Banalität zu implementieren darf man wohl MasterCard und Visa fragen. Statt das naheliegende zu implementieren (rotierende CVVs für alle Issuer die das unterstützten wollen / können), experimentierten diese lieber mit Fingerabdruck-Sensoren auf der physischen Karte rum. Das Weglassen des Unterschriften-Felds dürfte im Einzelhandel (außerhalb der USA) sicherlich noch zu viel Spaß führen – ein klassisches Beispiel von “US-only Produkt”.

In Summe viel Rauch um nix. Wird es trotzdem ein akzeptiertes Karten-Produkt werden, sicherlich. Wenn ich als US-Bürger eh schon im Schnitt 6 Kreditkarten habe und ich Apple Nutzer bin, na dann hab ich halt demnächst 7 Karten. Mal sehen wie lange es dauert und die Apple Card wird “top of wallet” in Apple Pay – getarnt als “Implementierungs-Fehler”.
Der Gewinner in diesem ganzen Spiel dürfte eher Goldman Sachs sein. Ist GS sonst nur für die gut betuchten Investoren in den USA erschwinglich, eröffnet man sich mit der Apple Card genau diese Kundengruppe die sich aber nie ein GS Produkt angeschafft hätte.

Da Goldman nun auch mehr massenmarkt-fähige Produkte anbietet (zero fee Mutual Funds z.B.) wird man sich hier einen schönen Kanal und Zugang zu den Apple Nutzern erkauft haben. Da kann Apple noch so sehr auf der Privacy-Trompete rumspielen, als Issuer sehe ich sehr wohl alle Daten und es würde mich doch stark wundern, wenn ähnlich wie MasterCard bei Apple Pay nicht auch Goldman Sachs Zugang zu den geo-location Daten erhält – für’s schlechte Verhandeln sind die ja nicht gerade bekannt.


Jochen

Ich bin eingefleischter Apple-User und habe persönlich 2005 Apple Marketing Deutschland in München die Idee einer Co-Brand-Kreditkarte vorgestellt. Ich brachte meinen privaten Powerbook G4 zum Termin mit, weil es mir zu peinlich war mit dem MasterCard-Dell-Plastiknotebook in den heiligen Hallen aufzutauchen: Ich ließ vorab schöne weiße Design-Samples, hochkant im iPod-Design bauen – durchkreuzt von der furchtbaren Kartennummer. “Spannend, können wir hier nicht entscheiden, müssen wir mit Cupertino abklären” hieß es damals. Meine jugendlich nassforsche Antwort: “Ich stelle es Steve auch gerne persönlich vor” Daraus wurde dann nichts. Aus Cupertino kam die Antwort “Kein Bedarf”. Knapp 15 Jahre später hat sich die Situation geändert. Schön zu sehen, wie sie es umgesetzt haben. Der Marketing-Claim “Created by Apple, not a bank” ist eine böse Watschn für die gesamte Bankenindustrie. Apple hat nicht nur ein sehr schönes Stück Metall hervorgezaubert, was ohne lesbare PAN, Gültigkeitsdatum und Kartenprüfnummer in die Sicherheits- und Datenschutzthematik einzahlt, sondern sie haben auch einen Benchmark in herausragendem Frontend und Transaktionsanalyse gesetzt. Nebenher haben sie die Bank Goldman Sachs als Dienstleister a la Foxconn degradiert, was dem Ego des einen oder anderen Bankers vermutlich nicht gefallen dürfte. Hätten die Banken vor Apple die Chance gehabt mit MasterCard eine gleiche Karte ohne PAN und Co. herauszubringen? Vermutlich nicht… So gesehen zeigt sich, wer Muskeln bzw. andere Körperteile hat und wer nicht.

Apple mal wieder - nach ersten Versuchen im Payment jetzt auch Banking

Aber die sehr emotionalen und geradezu euphorischen Reaktionen in den sozialen Netzwerken überraschen dann doch sehr. Apple hat nicht die erste Cashback-Karte “erfunden”. Amazon macht dies 1:1 und gefühlt seit Jahrzehnten so. Die PayPal-Karten in den USA waren auch immer mit Cash-Back und klarem Kundenfokus bei einfacher, transparenter Rückzahlung. Hier hätte ich ehrlich gesagt “mehr” von Apple erwartet. Aber die Reaktionen zeigen: Die Welt redet über über die 2% Cashback…

So oder so – Apple zeigt den (auch Apple Pay boykottierenden) Banken einmal mehr: Wir können auch ohne Euch und vor allem können wir es besser, emotionaler, benutzerfreundlicher… Die Zeit wird zeigen wie erfolgreich Apple in der Vermarktung der Karte sein wird. Das früher langweile Thema Zahlungsverkehr ist wieder ein Stück spannender geworden – mal wieder getrieben von externer Seite weil die vermeintlichen Platzhirsche die Innovation irgendwie vergessen haben. Wieviel Wakeup-Calls brauchen die Entscheider in den Türmen eigentlich noch?



Autor

  • André M. Bajorat ist seit fast 30 Jahren in der deutschen Digitalwirtschaft zu Hause. Über die Stationen SK Online, Star Finanz, giropay und Number Four kam er 2012 als Business Angel zu figo. Das Unternehmen führte er von 2014 bis September 2019 als CEO von einer b2c App zu einem von der BaFin regulierten Banking as a Service Provider. Seit 2020 ist er Teil des deutsche Bank Konzerns und seit Mitte 2022 Managing Director bei einem deutschen Assetmanager. Er ist zudem Gründer und Herausgeber des erfolgreichen Branchen-Portals paymentandbanking.com, Podcaster, Investor (figo, Finleap, Loanlink, Sparkdata, Weddyplace, nufin, portify, moss, compa, brygge, embeddedcapital, PlanetA, Naro), Mitglied im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums, aktives Mitglied im Bitkom, Herausgeber des Buches “Köpfe der digitalen Finanzwelt” und international gefragter Speaker. Inhaltliche Schwerpunkte sind Banking, Payment, FinTech, API-Banking, digital Assets und Crypto. Außerdem ist er Mit-Initiator und Ausrichter der Wahl zum „FinTech des Jahres” sowie der Eventreihen Bankathon, Payment Exchange, Banking Exchange und Transactions.io.

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