Die Hoffnung ist grün, der Plan ist kühn: Banken stellen künftig Kapital nur noch für nachhaltige Investitionen bereit und werden so zum Treiber einer klimaneutralen Transformation.

Können wir den Klimawandel rechtzeitig stoppen und gleichzeitig am Markt erfolgreich sein? Die Europäische Zentralbank sieht darin keinen Widerspruch – im Gegenteil. Vor kurzem erst hat sie ihre Pläne vorgestellt, wie sie den Umbau der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit in ihren geldpolitischen Operationen berücksichtigt.

Klimaauflagen entscheiden über Geldfluss

Sie will Klimaaspekte in ihre Bestände an Unternehmensanleihen, ihre Vermögenswerte und in ihre Risikobewertung integrieren. Zudem sollen Anleihen von Unternehmen mit hoher Umweltverschmutzung auf Unternehmen mit einer besseren Klimabilanz umgeschichtet werden. Wer künftig Geld von der EZB erhalten will, muss dafür sorgen, seinen CO2-Fußabdruck zu verringern.

Damit trägt die Zentralbank einer Entwicklung Rechnung, die mit dem Pariser Klimaschutzabkommen 2015 an Fahrt aufgenommen hat. Darin hatte sich die Europäische Union zur Einhaltung ihrer Klimaziele und einer nachhaltigeren Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft verpflichtet. In der Folge wurden in der EU zahlreiche regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen, die globale Standards setzen und Unternehmen wie auch Banken zu einer klimafreundlichen Wirtschaftsweise drängen.

Nachfrage nach grünen Finanzprodukten steigt weiter

Der Druck zur Transformation kommt längst nicht mehr nur aus der Politik. Immer mehr institutionelle Anleger:innen wollen ihr Geld in grüne Finanzprodukte investieren, Kund:innen interessieren sich für die Klimabilanz der konsumierten Produkte und Dienstleistungen. Und auch Mitarbeiter:innen suchen ihren Arbeitsplatz immer öfter danach aus, ob Unternehmen ihren Vorstellungen von Diversität und Nachhaltigkeit entsprechen.

Die Europäische Investitionsbank hat berechnet, dass zur Umsetzung der Klima- und Energiepolitik der EU-Zusatzinvestitionen von rund 270 Milliarden Euro pro Jahr notwendig sind. Da die Staaten diese nicht allein aufbringen können, hat die EU-Kommission 2018 mit dem „Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen“ erste Maßnahmen eingeleitet, um privates Kapital für die Transformation der Wirtschaft zu mobilisieren.

Taxonomie regelt klimaneutrale Investitionen

Das Kerninstrument ist die EU-Taxonomie. Auf mehr als 600 Seiten hat die Kommission in diesem Klassifizierungssystem definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten nachhaltig sind und dazu beitragen, die Wirtschaft bis 2050 vollständig klimaneutral zu gestalten. Laut EU-Taxonomie muss jede Investition mindestens einem von sechs Umweltzielen Rechnung tragen. Diese Ziele lauten Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltiger Gebrauch sowie Schutz von Wasser und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung oder Verminderung von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Ich bin überzeugt, dass die Taxonomie das Zeug zu einem echten Gamechanger hat. Sie kann das Finanzwesen nachhaltig verändern und helfen, eine nachhaltige Wirtschaft zu schaffen. Früher haben die Regulierer darauf geschaut, welche Unternehmen nachhaltig sind. Heute bewertet die Kommission mit der Taxonomie deren Aktivitäten.

Transformation zu Nachhaltigkeit ist ein Prozess

Stahl und Beton sind etwa die größten CO2-Emittenten. Die Taxonomie bietet der Industrie jetzt Anreize, den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Warum? Wenn man Stahl und Beton auf einen Index setzte, würde eine ganze Industrie sterben müssen. Jetzt kann die Branche mit Maßnahmen zur CO2-Reduzierung durchaus taxonomie-konform sein. Dadurch hat die EU klargemacht, dass Nachhaltigkeit kein Zustand ist, sondern ein Prozess, welcher der Industrie die Chance zur Anpassung gibt.

Auch die Banken müssen jetzt umdenken. Sie bekommen ernste Probleme, wenn sie Unternehmen weiter Kredite gewähren, die auf die Nachhaltigkeitskriterien pfeifen. Dabei geht es vor allem um Risikomanagement. Banken müssen künftig bei der Vergabe von Krediten ausweisen, dass sie Gelder taxonomiekonform verleihen. Es geht darum, ob sie den grünen Wandel mitfinanzieren oder ob sie etwa weiterhin in Kohleminen investieren. Zudem müssen die Finanzinstitute ausweisen, welcher Anteil ihres Portfolios wirklich grün ist.

Auch wir als Digitalisierungspartner in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe sind gefordert. Der richtige und effiziente Einsatz von IT und Software birgt großes Potenzial, Stichwort Green IT. Vom Optimieren der Energieeffizienz über das Beziehen von Ökostrom, die Aufbereitung und Wiederverwendung ausrangierter Geräte bis hin zu einer transparenten Lieferkette.

Oft gehört und im Unternehmenskontext nicht neu sind CSR-Strategien (Corporate Social Responsibility). Sie beschreiben, welchen Beitrag Unternehmen im sozialen und gesellschaftlichen Kontext leisten. Weniger bekannt, aber sicherlich immer relevanter: Die Corporate Digital Responsibility. Hier stehen die digitale Verantwortung von Unternehmen sowie der nachhaltige Umgang mit Daten im Zentrum. Es geht um Transparenz und Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Cyber Security. Es geht aber auch um die Frage, wofür künstliche Intelligenz eingesetzt werden soll und wofür nicht.

Atruvia steht vor der Herausforderung, die Banken bei der Umsetzung bestmöglich zu unterstützen, zu begleiten und auf weitere (regulatorische) Anforderungen vorzubereiten. Eine spannende und vor allem unerlässliche Aufgabe, wenn es darum geht, einen nachhaltigen Finanzmarkt zu schaffen.

Über den Autor:

Benjamin Hoffmann ist Principal Expert Sustainability & Stakeholder
Management bei der Atruvia AG.

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