Seit geraumer Zeit kursieren die “Top-FinTech-Influencer” Listen durch diverse Soziale Netzwerke. Da geht es um das Ranking der wichtigsten Fintech-Experten in Deutschland, in der DACH-Region, in Europa, die wichtigsten weiblichen Influencer, die besten FinTech Firmen im Social-Media und vieles mehr. So schön eine solche Liste für einzelne Egos und deren Bestätigung ist, so sehr sind die Aussagen der Listen jedoch de facto komplett wertlos.
Diese Rankings basieren auf dem Klout-Score. Klout versucht einen vergleichbaren Score über den Social-Media Fußabdruck von Personen und Firmen zu finden um zu erkennen wer ein sogenannter “Influencer” ist. In die Berechnung gehen die Anzahl der Follower ein, die Anzahl der Retweets, Likes und einiges mehr. Damit hat sich Klout als der derzeit relevanteste Vergleichsmaßstab etabliert. Es gibt nur ein riesiges Problem: Die Aussagekraft des Scores ist leider derzeit so überflüssig wie Fußpilz weil die Berechnungsmethodik sehr fragwürdig ist.
Als ich das erste Mal in einer dieser Vergleichslisten erschien, freute ich mich durchaus und fühlte mich ein wenig im Ego gebauchpinselt. Ich fragte mich nur, warum ich jetzt so plötzlich in die Liste kam. Schließlich ist der Aufbau eines Fußabdrucks in den Sozialen Medien nicht etwas, was über Nacht geschieht. Noch mehr wunderte ich mich beim Benchmarking warum manche Personen, die ich als deutlich weniger “einflußreich” für die Industrie einschätzte, so deutlich weiter vorne liegen und zuletzt wunderte ich mich über die starke Volatilität in den Listen. Mal war man weit vorne im Ranking, dann gehörte man wieder einmal gar nicht mehr zu den relevantesten Personen im deutschen FinTech… und das alles passierte während sich gefühlt die Social Media Nutzung und die Häufigkeit der Podcast/Artikelpublikationen kaum änderte. Warum dann diese Volatilität? Ein Schelm der Böses dabei denkt.
Der Klout Score – das Wahrlossammelsurium
Das Problem liegt in der Berechnung des Klout Scores. Dieser ist sehr leicht zu manipulieren und er honoriert manche teilweise auch fragwürdige Aktivitäten wie spezielle Postings mit dem alleinigen Ziel nur den Score zu optimieren.
Eines der Probleme ist zum Beispiel, daß das größte deutsche geschäftliche Soziale Netzwerk Xing komplett ausgeschlossen wird. Für die Berechnung der Top-Influencer in Deutschland sollte man die Unterstützung des größten deutschen Business-Netzwerkes durchaus erwarten. Nur passiert das aber nicht. Aber es geht noch weiter: Influencer sind oft auch Blogger. So wird das Blogging-Standard-Tool WordPress zwar in die Berechnung einbezogen, aber nur wenn der Blog auch auf wordpress.com gehostet wird. Hat sich ein Blogger entschieden den Blog auf einem x-beliebigen (günstigeren) Webspace-Hoster zu betreiben, wird der Blog und die Publikationen darin komplett ignoriert. Noch nerviger ist aber das wilde “Taggen” von anderen Influencern um die eigene Reichweite künstlich zu steigern. Dies sind nur drei Punkte, die zeigen, dass der Klout Score und diese Influencer-Listen wenig aussagekräftig sind.
Um die eher beschränkte Aussagekraft der Top*.*-Listen zu beweisen, haben sich Teile des Paymentandbanking-Teams, genauer André und Jochen Anfang März ein Ziel gesetzt. Wir wollten innerhalb eines Monats unseren Klout-Score signifikant steigern und in den Listen weit aufsteigen, die anderen drei veränderten zum Vergleich nichts und nutzen die sozialen Netzwerke wie gewohnt weiter. Nun wurde das April-Update der Top-Influencer veröffentlicht:Dazu der Vergleich März 2017Vier von uns fünf Bloggern haben in der April-Liste den Sprung in die Top 10 der vermeintlich einflußreichsten FinTech-Menschen in Deutschland geschafft. André rückte auf Platz 2 vor und steigerte seinen Wert von Klout Score 61 auf 69. Während ich noch im März nicht einmal mehr dem erlauchten Kreis der Top 30 angehörte, schaffte in wenigen Tagen die Steigerung meines Klout-Scores von 53 auf 61 und bin plötzlich der angeblich siebtwichtigste Influencer. Kilian und Maik, die nichts optimierten, hielten ihren Score mehr oder weniger bzw. Kilian hat sich sogar um einen Punkt von 62 auf 61 verschlechtert.
Was heißt das also: Wenn die aktualisierten Listen in den sozialen Netzwerken kommentiert werden mit “Happy to be again part of most important Fintech Influencers” heisst das nur, daß die betreffenden Personen den Algorithmus genauso optimiert haben, wie André und ich diesen Monat. Einen Rückschluß auf den eigentlichen Einfluß in den sozialen Netzwerken gibt es jedoch nicht. Daher gilt für uns: Q.E.D. – Quod erat demonstrandum: Der Klout Score und diese angeblichen Listen der Top-Influencer sind wenig aussagekräftig und helfen nur denjenigen mit Clicks, die sie veröffentlichen um möglichst viele Retweets und Likes zu generieren… damit deren eigener Klout Score weiter steigt! Dann kann man auch gleich süße Katzenfotos posten und damit Clicks generieren. Wir werden diese Listen nicht mehr kommentieren, retweeten, liken, denn zumindest wir denken: Wer das so einfach manipulieren kann, der versteht vielleicht Algorithmen mancher Scores, aber ist jedenfalls kein wirklicher ernstzunehmender FinTech Influencer.
Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken. [mehr]