Ein Streitgespräch unter Experten

Yomo- die neue App der Sparkassen-Finanzgruppe geht mit seiner Beta-Version in die Testrunde. Jochen und Maik haben das Produkt in den letzten Wochen getestet und einen ausführlichen Bericht dazu geschrieben. Anderen aus dem Ratpack ist diese Rezension allerdings viel zu euphorisch. Da sich Experten also nicht immer einig sind, wollen wir die Diskussion um das Produkt heute öffentlich führen. Yomo- wie euphorisch darf man sein? Ein Streitgespräch unter Experten Jochen und Maik haben in den letzten Tagen das sagenumwobene Sparkassen Produkt Yomo getestet. Meine erste Reaktion nach der Lektüre war: Jungs, wer hat euch denn bezahlt? Daher wollen Jochen, Maik und ich das Thema heute noch einmal in einem Gespräch vertiefen. André: Also ihr beiden, was habt Ihr für diese ultimative Lobhudelei bekommen? Jochen: Ich schau mal auf meinem Yomo-Konto nach… Moment…. Hier ist nur eine Überweisung von mir selbst zu sehen. Also: Nichts bekommen. Das war bzw. ist wirklich meine starke persönliche Meinung. Maik: Ich war jung und brauchte das Geld! André: Jung warst Du im letzten Jahrtausend, Maik und Jochen schau mal lieber auf deinem PayPal Konto, da klappt auch P2P. André: Im Ernst: Ist das bisherige Ergebnis für den zeitlichen Vorlauf, das vermeintliche Budget und die Position als Nummer 1 in Europa nicht sehr ernüchternd? Maik: Wir kennen weder das Budget und auch der zeitliche Verlauf ist Spekulation. Die App darf meiner Meinung nach auch nicht singulär betrachtet werden. Yomo ist ja mehr als eine App. André: Ach komm Maik: Wir wissen alle wie lange es schon rumort und von der Nummer 1 sollte man ein sinnvolles Budget erwarten. Jochen: Naja langes rumoren hat in einer großen Organisation erst einmal zu bedeuten, dass man sich mit sich selbst und einer Entscheidung beschäftigt. Yomo- wie euphorisch darf man sein? Ein Streitgespräch unter Experten

Die Inhalte von Yomo – was ist wirklich drin, was fehlt?

André: Ok. Lass uns zu den Inhalten kommen. Mir fehlen echte Basics:
  • Kreditkarte
  • Push Notification auf Umsätze und vor allem Kartenzahlungen
  • Multibanken-Fähigkeit
  • Einsatz im eCommerce (bisher nur Debit-Karte)
  • P2P Zahlungen
Maik: Wir reden aktuell von einem unfertigen Produkt. Da fehlt so einiges. Zudem das Features sind, die keine Raketenwissenschaft in der Entwicklung sind. Push Notifications werden bis zu der finalen Version umgesetzt. Und zur Multibanken-Fähigkeit stelle ich mal die Frage ob das wirklich so ein riesiges Thema für die Zielgruppe ist? Jochen: Moooment André :) Yomo- wie euphorisch darf man sein? Ein Streitgespräch unter Experten Natürlich fehlt eine Kreditkarte, steht im Text als Kritik, aber das ist bislang eine Beta und eine Kreditkarte hinzuzufügen ist wohl sehr einfach, weil Yomo ja auf die Infrastruktur der Sparkassen Finanzgruppe (SFG) zurückgreift, wie man an den PIN-Briefen und Co sehen kann. Bei Push-Nachrichten hast Du Recht und bei Multibanking sollten wir die Zielgruppe nicht aus dem Auge verlieren. Welcher Student hat heute mehrere Bankkonten und den Bedarf von Multibanking? Das ist m.E. ein absoluter Edge-Case. André: Und was ist mit dem PayPal Konto als relevantes Zweitkonto der Generation Y – also Multiaccounts nicht nur auf Banken? Aber egal – von mir aus ein Edge-Case.

Yomo- ein Konto für die Generation-Y?

André: Anderes Thema: Das Konto ist für die Generation Y und ist meines Wissens nach nicht wirklich online tauglich. Jochen: So lange man von einem PayPal Konto keine Lastschriften einziehen oder an Dritte überweisen kann, ist das kein relevantes “richtiges” Konto. Aber sowas ist übrigens eine mögliche Bedrohung und schwupps wäre PayPal Deutschlands “größte” Bank. Um mit Yomo bei PayPal bezahlen zu können reicht es sicherlich Yomo als Lastschrift bei PayPal zu hinterlegen. André: PayPal und Lastschrift, für die beiden Worte könntest Du in die Sparkassen Hölle kommen. Jochen: Als vormaliger Banker und dann Strategiedirektor von PayPal EMEA bin ich doch schon seit Jahren in die Bankenhölle verbannt. Weisst Du… ich muss Dir was sagen… hier lebt es sich sehr, sehr angenehm… ehrlich! Aber im Ernst: Viel relevanter ist doch etwas anderes, und das ist es was zum positiven Fazit führt.
  1. Die Strategie: Die Sparkassen haben frühzeitig das Thema besetzt als abzusehen war, dass N26’s mobile-only Konto auf fruchtbaren Boden fällt. Statt, wie viele andere, dieses Thema (und andere Themen im Innovationsbereich) klein zu reden “Kein Business Case”, “die werden nie groß“, “Geld verbrennen kann jeder”, haben die Sparkassen den Bedarf und die Bedrohung erkannt und zeitnah gehandelt.
  2. Die handwerkliche Umsetzung: Was das Yomo-Team bislang gemacht hat, ist handwerklich gut umgesetzt, von Personen, die offensichtlich operative Erfahrung im Bereich “mobile” haben und wurde (noch?) nicht politisch zerrieben. Ich denke da an die Orchestrierung in den sozialen Netzwerken um einen “buzz” zu entwickeln, die Outside-In Kundenfokussierung (“was wollt ihr und was ist eher nice to have”) sowie an das Frontend an sich. Genau diese Punkte vermissen wir doch z.B. an Paydirekt, wo genau diese handwerkliche Expertise fehlt. Was sich z.B. daran zeigt, dass Fehler die man bei Giropay erst machte, später dann verbessert wurden, nur um sie bei Paydirekt 1:1 gerade nochmals zu machen.
Yomo- wie euphorisch darf man sein? Ein Streitgespräch unter Experten

Welche Bedürfnisse hat eigentlich der Kunde?

André: Agree, verstehe den Inhalt, über den Weg muss man nicht streiten hier. Aber geht eigentlich Paydirekt, wenn schon keine Kreditkarte für den eCommerce dabei ist? Maik: Kreditkarte wird ja kommen. Beim Thema Paydirekt kann ich mir vorstellen, dass Yomo es unterstützen wird. So wie Peer-2-Peer Payment über Kwitt integriert wird, könnte Yomo Paydirekt integrieren um auch im E-Commerce präsent zu sein. Das könnte sogar dazu führen, dass Paydirekt der Zielgruppe schmackhaft gemacht wird. Außerdem ist Yomo ja auch als Plattform konzipiert, da wird also noch einiges kommen. Und der Kunde wählt was er braucht. Jochen: Wie bereits gesagt zur handwerklichen Umsetzung: Fokus auf die wirklichen Kunden-Bedürfnisse. Angesichts von nur 1 Mio. Registrierungen bei Paydirekt (was nicht mit aktiven Nutzern gleichzusetzen ist) und einem Produkt was nicht einmal mobile-first ist (geschweige den mobile-only), wird kaum ein Kunde wirklich gerufen haben: “Ich will Paydirekt”. Eher passte da Bluecode z.B. wegen mobile-only-Ansatz und der Akzeptanz in den Uni-Kantinen. Die Begeisterung, wenn man es so nennen mag, kommt nicht wegen des Status Quo einer geschlossenen Betaversion von Yomo, sondern über die Strategie und bisherige handwerkliche Umsetzung. Aber Du hast recht, die Messe ist noch nicht gelesen und Yomo noch nicht für jeden verfügbar. Mit dem ersten Erfolg kommt man ggfs. zu schnell in die Politik und dann… André: Maik, Plattform? Was genau meinst Du damit? Maik: Auf der “Bank & Zukunft“ hat Bernd Wittkamp von Star Finanz erklärt, das Yomo im Kern kostenlos ist und mit Zusatzfunktionen erweitert werden kann. Das ist es, was ich mit einer modularen Plattform meine.

Yomo- und seine Vermarktung – braucht es eine realistische Erwartungshaltung?

André: Jungs, Yomo ist aber keine wirklich zentrale Lösung, sondern bisher ein Flickenteppich. Wie willst Du das sinnvoll vermarkten? On- wie offline? Jochen: Das ist neben dem S-Broker und den DEKA-Fonds das zentralste Produkt der Sparkassen-Finanzgruppe. Ein einheitlicher Einstieg und dann Routing zu Sparkasse. Das ist doch gerade die Voraussetzung, dass endlich einmal eine TV-Kampagne der Sparkassen für ein Konto-Produkt laufen könnte. Maik: Die Diskussion erinnert mich ein wenig an die Einführung von George, der Ersten Bank in Österreich. Da war man auch skeptisch. Heute hat George, als alternatives Online-Banking der Ersten Bank, das herkömmliche Banking fast verdrängt. Ein gutes Produkt braucht weniger Marketing als ein Schlechtes. Yomo kann dieses gute Produkt sein. Ich sehe auch keinen Flickenteppich, sondern eine recht runde Betaversion. André: Jochen, wir reden über 10 teilnehmenden Sparkassen von über 400. Da von zentral zu sprechen, klingt euphemistisch und der Vergleich mit George hinkt, da die Erste Bank ein Konzern mit zentraler Strategie ist . Jochen: Ich bin ja ein Freund von Wettbewerb. Wenn ich Vorstand einer Sparkasse in einer Großstadt wäre und die Abwanderung meiner jungen Kunden sähe, würde ich nicht auf die späte Reaktion der Sparkasse Hinterwald warten wollen. Und wenn Kunden der Sparkasse Hinterwald auf Yomo reagieren und plötzlich nennenswert Konten bei z.B. der Sparkasse Köln-Bonn eröffnen, wird die Teilnahme der restlichen 390+ Sparkassen sehr schnell kommen. Dann müssen sich die Yomo Macher aber einen besseren Screen für die Sparkassenauswahl einfallen lassen. 400 Radio-Buttons killen jede Antragskonversion. Maik: Ich sehe da keinen Widerspruch. Eine zentrale Strategie hat ja nichts mit der Diskussion um ein Produkt zu tun. George wurde kritisch beäugt und hat sich durchgesetzt. André: Es ist ja alles eine nette Idee, die UX ist zeitgemäß aber auch nicht wirklich besonders, sondern eher “nur” state-of-the-art. Maik: Definiere “besonders “. Um Steve Jobs zu zitieren: “Design ist nicht wie etwas aussieht sondern wie es funktioniert”. Das beste Design funktioniert einfach – etwas was man nicht von vielen Lösungen behaupten kann. Was macht also ein gutes Design aus? Schau dir mal die Apps an, die Du täglich gerne und viel nutzt, dann wirst Du feststellen dass es eben nicht die Feature-Monster sind. Die Diskussion dreht sich doch im Grunde nur darum, dass es eine Lösung der Sparkassen ist und Du “mehr” erwartet hast. Selbst wenn Push-Notifications und die Kreditrkarte da wären, würden wir die gleiche Diskussion führen. Dieses “Mehr” ist eine Denke aus den 90ern, wo wir zwei noch Feature-Vergleiche zwischen Online-Banking Software wie WISO Mein Geld und Star Finanz gemacht habe. Jochen: Was ist denn die Option und Deine Erwartungshaltung? Die Sparkassen Finanzgruppe ist Marktführer und sieht eine mögliche Gefahr aufziehen junge Bestandskunden an einen neuen, sehr lauten Wettbewerber zu verlieren. Wir wissen alle wie sich N26 positioniert um Aufmerksamkeit und somit Kundeninteresse zu gewinnen. Oder denke nur an das O2 Banking, in Kooperation mit der Fidorbank, welches mit großspurigen markigen Worten angekündigt wurde. Das rasante Wachstum von N26 und die Diskussionen um den “coolen” Antragsprozess müssen einen etablierten Anbieter doch aufwecken. Was gibt es an Optionen: Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass es nicht so schlimm wird? Das hat z.B. bei den Direktbrokern in den 90ern und bei PayPal im Onlinepayment schon nicht funktioniert. Daher reicht es doch einen Markt zu besetzen mit einem, wie Du sagst, zeitgemäßen und “state-of-the-art” Frontend und damit die Kunden vom Wechsel abzuhalten. Kein Großkonzern kann einen Innovationskampf mit einem schnellen innovativen StartUp gewinnen! Ich fürchte Deine Erwartungshaltung ist einfach unrealistisch. Aber bevor man Innovatoren groß werden lässt, Marktanteile verliert oder dafür mit teuren Übernahmen “bezahlt” reicht es ein kleines flexibles Produkt zu lancieren, welches mehr oder weniger das gleiche kann und der Kunde wird im Ökosystem gehalten. Vielleicht kann man sogar von der einen oder anderen Bank, die erst einmal abwartet, Kunden gewinnen die mehr Vertrauen in eine Sparkasse als in ein N26 oder O2/Fidorbank haben. Maik: Es gibt doch etliche Beispiele am Markt: Warum hat der Buchhandel nicht auf ein Amazon reagiert? Warum hat die Musikindustrie nicht auf iTunes reagiert? Warum hat ein Amazon nicht auf Zalando reagiert? Warum die Banken nicht auf PayPal? Nun reagiert eine Sparkassen- Finanzgruppe auf einen Trend und startet mit einem zeitgemäßen und handwerklich gut gemachten Produkt. Dazu gehört Mut. André: Ok. Auch verstanden, wobei die Buchindustrie mit Tolino in der Tat einen echten Wettbewerb zum Kindle geschaffen hat – aber anderes Thema. Sagt, findet ihr es also einfach toll, da eure Ansprüche so gering waren? Habt ihr den Sparkassen nicht einmal eine zeitgemäße App zugetraut? Wenn ja, kann das der Maßstab sein? Maik: Die Beta-App kann und darf noch nicht der Maßstab sein. Aber sie zeigt die Grundlagen, die gut umgesetzt sind. André: Ok ich bin jetzt auch begeistert, wem soll ich meine Bankverbindung nennen? Maik: Auch für Yomo gilt, am Ende muss geliefert werden und es ist noch einiges zu tun. Yomo hat zweifellos Potential ein klasse Produkt zu werden, aber das bedeutet nicht, das sie es nicht noch verhunzen können.

4 Kommentare

Marc

http://www.bunq.com/de/ hat ja heute den Deutschland und Österreich-Start bekannt gegeben.
Dieser Mitbewerber liefert vom „Papier“ einiges, wie API, 10 IBAN-Konten, privat sowie geschäftlich, Echtzeit (soweit möglich) usw.

9. März 2017
Frank

Cool, ihr habt mein Bild bei euch veröffentlicht …

Aber zum Thema: Ja, das Produkt kann noch wenig und ist noch nicht fertig. Aber warum nicht erst einmal Yomo ernst nehmen wenn sie sagen, sie wollen das Produkt zusammen mit den Usern gestalten. Im Feld der Mitbewerber eine interessante Haltung.

Erst einmal rausfinden, wie eine Debit-Mastercard ausgestaltet sein soll; was Nutzer drängender nachfragen, Kwitt oder Paydirekt. Oder doch die virtuelle Kreditkarte zum Online-Shoppen und für Apple-Pay à la Boon? So klärt sich dann die Notwendigkeit der Multibanking-Fähigkeit vielleicht auch von alleine.

Lassen wir uns überraschen, ob es Yomo schafft, die Nutzer wirklich einzubinden. Oder ob die Ausgestaltung des fertigen Angebots zum offiziellen Markstart dann mehr nach Sparkassen-Vorstandsetage und grauem Anzug statt buntem Yomo-Hoodie aussieht.

9. März 2017
    André M. Bajorat

    und was sagst du heute frank?

    22. Februar 2018

[…] bzw. einem verwandten Begriff – dem Anspruch – im Rahmen des Streitgesprächs zu yomo “gestritten”. Seit dem ist es aber immer wieder in unseren Gesprächen und Dialogen […]

17. Juli 2017
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