Irgendwie überraschend und doch auch nicht. Das Ende von Yomo. Eines der sehr frühen und wohl auch ambitioniertesten und mutigen Projekte der Sparkassen als Antwort auf sogenannte Neobanken wird in der geplanten Art beendet.
Eigentlich waren die Sparkassen im Frühjahr des Jahres 2017 noch früh dran. Wohl noch rechtzeitig gestartet als Antwort auf einen Kundentrend, in dem Moment als Herausforderer wie N26 nicht beeindruckende 5 Millionen Kunden, sondern wenige Hunderttausend hatten. Gestartet zudem aus einer Position der Stärke heraus: Man hatte die erfolgreichste Banking App nach Downloads und Nutzung in den mobile AppStores. Zugang und Wissen um das Verhalten von Kunden waren also vorhanden, oder sollten es jedenfalls sein.
Nun aber dennoch das Ende des ursprünglichen Plans (ja ich habe gelesen, dass es dezentral weitergeführt werden kann…) nach knapp 3 Jahren.
War das abzusehen?
Ja zu sagen ist leicht.
Zum Glück vergisst das Netz nicht und wir haben hier schon früh leidenschaftlich über das Thema diskutiert. Es gab Fans und Skeptiker in unseren Reihen bei Payment & Banking.
- Eine Übersicht der Artikel und Podcasts
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- Ein Streitgespräch als Podcast
War es aber von Anfang an zum Scheitern verurteilt?
Nein, war es nicht! Allerdings erfordert ein zentrales Konzept wie Yomo (ja ich weiß, jede Sparkasse konnte individuell entscheiden) in einer dezentralen Organisation massive Veränderungen – Veränderungen auf vielen Ebenen.
Veränderungen über ein Projekt einzuleiten ist sicher kein dummer Gedanke und wenn man zudem keine großen Ziele hat, kann man auch gleich aufhören. Allerdings wurde dem Thema damit zugleich eine Last auferlegt, unter der wohl fast alles zu Staub zerdrückt werden kann. Es ging bei Yomo eben nicht nur um eine kleine App – es ging um die Grundfesten der Organisation: Zentral vs. dezentral oder um es im “Sparkassensprech” zu sagen, das heilige Regionalitätsprinzip. Ein Prinzip was die Sparkassen über Jahrzehnte erfolgreich gemacht hat, in der digitalen Null-Eins Welt aber vielfach wie ein Relikt aus dem letzten Jahrtausend wirkt und hemmt.
Das Setup – eine gute Idee als Antwort auf die “alten” Anforderungen
Yomo ist bis heute kein Unternehmen. (Lassen wir den Satz einmal allein stehen und wirken, den er beschreibt in weiten Teilen ein Kernproblem.)
Stattdessen ist Yomo ein Projekt von willigen Instituten in der Obhut eines Innovation-Labs. Es gibt bei Yomo keine Geschäftsführer – oder im Startup-Sprech – ein echtes C-Level. Stattdessen gibt es Projektbeteiligte und Steuerungs-Ausschüsse. Ein gelerntes Setup von dezentralen Organisationen. Wer das liest und solche Organismen nicht kennt, fragt sich vielleicht, was heißt das denn? Ist das schlimm? Tut das weh?
Nein alles nicht – aber es ist das Gegenteil von schnell, schlagkräftig und agil. Es sind Prozesse die lange (sehr) gut funktionieren, aber keine geeignete Antworten auf das sind, was wir “agile Innovationen” nennen und trotzdem heute oft in solche Prozesse zu zwängen versucht wird.
Lustigerweise gab es vor wenigen Tagen genau zu diesem Thema einen guten Artikel bei TechCrunch – danach reicht kein MVP (minimum viable Product), sondern Erfolg erfordert eine MVC, also eine minimal viable Company:
https://techcrunch.com/2020/01/31/you-need-a-minimum-viable-company-not-a-minimum-viable-product/
Was kann man aus yomo lernen?
Es ist nicht an mir hier den Besserwisser zu spielen. Und dennoch fallen ein paar Dinge auf, die kommende Projekte vielleicht besser vermeiden sollten, bzw. auf die man besser eine Antwort haben sollte.
- Zentralität ist in der digitalen Null-Eins Welt ein Asset
- Zentrale Organisationsstrukturen verleihen einem Thema Speed
- Ein Thema/eine Idee allein reicht nicht aus, es braucht die PASSENDE Organisation und starkes Leadership mit der Macht Entscheidungen treffen zu können
- Startup kann man nicht verordnen oder spielen, sondern muss man leben.
- Jochen hat immer wieder gesagt, wenn du nie den Insolvenzantrag in der Schublade als Plan B liegen hast, bist Du nicht radikal genug im Denken und Handeln – er nennt es den “Insolvenzdruck”.
- Ein Produkt kann keine Strategie verändern, sondern Produkte folgen einer Strategie
- Alte gelernte Größe und Vertrauen interessieren in der digitalen Welt – wo alle bei Null starten – nur sehr wenige
Es scheint als erdrücken die Strukturen und vorhandenen Denkmuster eines etablierten Unternehmens bzw. einer Organisation jegliche Idee. Nicht immer im Keim, aber spätestens wenn es wirklich ernst wird.
Ist das ganze ein Trend?
Können etablierte Organisationen gar nicht anders? Gehen nur Lieferantenbeziehungen oder Kooperationen auf Lead Basis? Geht es wirklich neu und außerhalb wie N26, Penta, Kontist?
Wir haben im Team immer wieder über Yomo gesprochen und gestritten. Was sagt das Team jetzt?
Jochen Siegert
Schade, sehr schade – bekanntlich war ich ein großer Fan der ersten Stunde. Timing (anders als bei so vielen anderen Digital-Initiativen) war passend, ein mutiger Schritt und schnell ein Beta Produkt am Markt. Alles richtig gemacht… am Anfang! Ich hatte zwischenzeitlich tatsächlich das Gefühl die SFG-Entscheider haben tatsächlich endlich mal im Standardbuch “The Innovator’s Dilemma” des vor wenigen Tagen verstorbenen Harvard Professors Christensen geblättert und sich daran gehalten. Aber das war wohl doch nicht so, es scheint wohl zu “schwer” zu sein. S-Apparatschicks haben Yomo dann, fast lehrbuchartig nach Christensen, in der internen Politik zerrieben. Einmal mehr gewann Destruktivität über internes Unternehmertum. Fast zeitgleich mit dem Ende von yomo lässt sich der regionale Sparkassenpräsident von Baden-Württemberg zitieren, dass die Sparkassen ein “Problem bei jungen Erwachsenen” haben. Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob die Handelnden uns seit Jahren kontinuierlich Loriot-artige Sketche vorspielen – nur so kann man auch das Chaos und vor- und zurück der SFG-Strategie bei ApplePay erklären, nachdem sie jetzt plötzlich angeblich doch keine Schnittstellenöffnung mehr wollen.
Yomo reiht sich nun in die Reihe teuer gescheiterter Challenger Bank-Antworten anderer Banken ein – Copernikus bei der Commerzbank und die ominöse Digitalbank der Deutschen Bank. Mit dem verbrannten Geld für diese Initiativen wären vermutlich mindestens drei N26-like Start-ups durch finanziert worden. So sehr (noch immer) über den N26 Erfolg aus den Bankenhäusern gelästert und genörgelt wird, zeigt es nochmals was Herausragendes in Berlin von kompletten “Branchenfremden” geleistet wurde und weiter wird. Wie gehts weiter? Lernt die Sparkassen-Finanzgruppe etwas davon für andere Initiativen? Ich befürchte nicht und wir werden leider weiter makaber belustigt ohne das zu wollen.
Maik Klotz
¯\_(ツ)_/¯ Was ich bei Twitter schon sagte: Tschö, Yomo.
Yomo dümpelt ja seit Monaten vor sich hin und es kam nicht überraschend sondern war ein stiller Abschied. https://twitter.com/klotzbrocken/status/1204307311319277568?s=21
Schade? Natürlich. Vor allem für die an Yomo beteiligten UmsetzterInnen. Für die Sparkassen-Organisation selbst ist es ein weiteres Armutszeugnis und die Liste der Versäumnisse wird immer länger. Ein weiteres Beispiel dafür, das die dezentralisierte Strukturen der Sparkasse bei der Digitalisierung nicht helfen. Im Gegenteil. Yomo hätte das George der deutschen Sparkasse werden können. Und es tut schon weh, dass man am Beispiel George (Anmerkung: Online-Banking “reboot” der österreichischen Sparkasse) sich nichts angeschaut hat. Die Zukunft der Sparkassen ist mit dem Scheitern von Yomo nicht rosiger geworden. Und die Challenger-Banken haben ein (kleines) Problem weniger.
Kilian Thalhammer
Ich kann hier nur den Blick von außen anwenden – und da kommt einem nur “schade schade schade” in den Sinn. Warum ist es nicht möglich so ein – als Projekt gestartetes Thema – mal bis zum Ende durchzuführen? Es liegt wohl nicht an der Innovationsfreude und der Erkenntnis, dass man was tun muss. Budget ist auch kein Problem (man hat ja auch keine Skrupel immer wieder Projekte mit guten Ansätzen ohne mit der Wimper zu zucken abzuschreiben). Auch das Know-how ist nicht das Problem. Yomo war definitiv auf dem richtigen Weg – Ansätze gut – Richtung passte – aber dann, wenn man langsam anfängt zu laufen, geht die Puste aus – oder vielmehr schlagen Organisation, Strukturen und Prozesse zu (mein Eindruck von außen). Oder es verlässt uns einfach der Mut – be bold – kann man dann nur sagen.
Was haben wir denn zu verlieren? Es muss doch auch aus Deutschland heraus möglich sein mehr als eine “große” Challenger Bank herauszubringen (plus ein paar verheißungsvolle Kandidaten). Warum nicht mal den Anspruch haben, in so einem Bereich auch global führend zu sein. Als im regionalen “klein – klein” zu versinken. Das Regionalprinzip bringt uns nicht weiter. Egal in welcher Branche. Es ist eher ein “gemütliches Schneckenhaus” in dem man es bis zu Rente aushält. Respekt aber an die Branchenkollegen, die es versucht haben. Zumindest die Erfahrung bringt hoffentlich etwas für zukünftige Aktivitäten.