Aktuell gibt die Zentralbank ihr bestes, den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise entgegenzuwirken. Aber ist das vielleicht nur der Auftakt für eine noch viel größere Kraftanstrengung, die uns global allen noch bevorsteht?
Der Klimawandel bedroht unseren Planeten und schon jetzt sind die Auswirkungen sichtbar: Niemand wird vom Klimawandel verschont bleiben. Extreme Wetterereignisse wie Dürren oder hohe Temperaturen, Pandemien, der Verlust der Biodiversität und Artenvielfalt und vieles weitere werden nicht schonungslos an unserer Konjunktur vorüberziehen. Extremes Wetter beeinflusst landwirtschaftliche Preise und Erträge.
EZB stellt Klimaschutz in den Mittelpunkt
Die zentrale Aufgabe der EZB ist es, die Stabilität der Preise im Euro-Raum sicherzustellen. Doch mittlerweile sieht sie es auch als ihre Aufgabe an, den Klimaschutz gezielt zu fördern und mit Preisstabilität zu vereinen. Bereits vor ihrem Wechsel an die Spitze der Notenbank hatte die Chefin, Christine Lagarde, verkündet, Klimawandel und Umweltschutz sollten für die Institution im Mittelpunkt stehen. Doch das Vorgehen der EZB wird seither kontrovers diskutiert.
Während Akteure der Umwelt- und Ökologiebewegung der EZB vorwerfen, dieses Ziel nicht konsequent zu verfolgen (so lange die EZB mit ihren Anleihekaufprogrammen Industrien unterstützt, die sich negativ aufs Klima auswirken) plädieren andere dafür, die EZB solle sich auf ihre zentrale Aufgabe und nicht zusätzlich auf die Umweltpolitik, konzentrieren. Hierfür seien andere Institutionen verantwortlich.
Kontroverse Diskussion in Gang gesetzt
Eine nicht nachvollziehbare Position, denn sowohl der Klimawandel als auch die Maßnahmen zur Bekämpfung dessen, betreffen die Zentralbanken in mehrfacher Hinsicht:
Das oberste Ziel, die Gewährleistung der Preisstabilität, wird mit zunehmender Erderwärmung noch komplexer bzw. schwieriger werden. Sowohl Klimapolitik als auch Klimaschutz werden sich auf zentrale makroökonomische Variablen einer Zentralbank auswirken. Für Zentralbanken ist es von entscheidender Bedeutung solche Effekte und deren Auswirkungen auf die Geldpolitik zu verstehen. Außerdem rufen der Klimawandel und diesbezügliche Maßnahmen diverse Finanzrisiken hervor, die das gesamte Finanzsystem schädigen können.
EZB stehen Instrumente für grüne Gelpolitik zur Verfügung
Eines davon ist, dass die EZB künftig in ihren Anleihekaufprogrammen von Staaten und Unternehmen Klimarisiken berücksichtigt – und damit den Forderungen der Klimaschützer entspricht. Auf diese Weise kann die EZB Geld in nachhaltige Sektoren lenken, während Kapitalströme in etwa fossile Industrien ausgeschlossen werden. Noch immer beeinflussen mehr als 60 Prozent der von der EZB gekauften Unternehmensanleihen den Klimawandel negativ.
Derzeit werden weniger Unternehmensanleihen, sondern überwiegend Staatsanleihen von der EZB gekauft. Problem: Bei Staatsanleihen sei es, so Lagarde, Sache der Regierungen, zu entscheiden, wie sehr sie das Pariser Klimaabkommen einhalten wollen. Hier hat die EZB keinen Einfluss auf die Verwendung der Gelder.
Wie wirksam sind grüne Anleihen auf das Klima?
Vorweg genommen – weder die Wirksamkeit der Instrumente noch der Einfluss von Klimarisiken auf die Preisstabilität sind wissenschaftlich nachgewiesen.
Bisher hat die EZB Anleihen gekauft, die den Querschnitt des Marktes abbilden, damit sie mit ihren Käufen keine Verzerrungen am Markt auslöst und marktneutral bleibt. Bei einem Fokus auf grüne Anleihen ist die Marktneutralität nicht mehr gegeben. Der vermehrte Kauf von grünen Anleihen führt zu einem Preisanstieg und zu einem möglichen Preisverfall von „nicht-grünen“ Anleihen. Wenn also der Kauf von grünen Anleihen nun dazu führt, dass sich Investoren auf die günstigen Angebote fokussieren, haben wir nichts gewonnen.
Nicht kritisieren, machen!
Aber Halt! Auf was warten wir eigentlich? Anstatt die Bestrebungen der EZB zu unterstützen, Kapital in nachhaltige Kapitalströme zu bewegen, machen sich Unmut und Kritik breit. Die Dramatik des Klimawandels ist so groß, dass nicht nur die EZB Maßnahmen ergreifen muss – sondern wir alle. Mehr Kapital im privaten sowie im geschäftlichen Bereich kann eines unserer letzten Möglichkeiten sein die ökologische Transformation der Wirtschaft erfolgreich zu meistern.
Wenn die EZB in ihren Finanzmodellen klimabezogene Finanzrisiken miteinbezieht, warum sollte sie dann bei dem Kauf von Anleihen klimabezogene Aspekte vernachlässigen? Die EZB muss nachhaltige Kriterien bei ihrem Anleihekaufprogramm berücksichtigen. Wenn die EZB derzeit mit ihren Unternehmensanleihen überwiegend eine nicht-nachhaltige Wirtschaft fördert und bei dem Kauf von Staatsanleihen nicht sicherstellen kann, dass die Gelder nachhaltig verwendet werden, ist es gerechtfertigt, dass bei der EZB auch die Fahnen grün wehen.
„Die EZB muss nachhaltige Kriterien bei ihrem Anleihekaufprogramm berücksichtigen.“
Die EZB würde ein Zeichen setzen, dass es für jeden an der Zeit ist zu handeln. Wir brauchen eine Hands-on-Mentalität, in welcher jede Institution handelt und einen positiven Beitrag leistet. Schließlich könnten sich ohne stärkere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels die Kosten der Auswirkungen allein in Deutschland laut DIW bis zum Jahr 2050 auf insgesamt knapp 800 Milliarden Euro belaufen. Ein Notanleihekaufprogramm wie bei Corona ist hierfür nicht angebracht.