Valentin Stalf gibt seinen CEO-Posten bei N26 ab – und rückt in den Aufsichtsrat vor. Das ist sicherlich inkonsequent und könnte zu weiteren Diskussionen führen. Dabei habe N26 immer noch großes Potential, finden Jochen Siegert und André Bajorat.
Zumindest wenn man den jüngsten Medienberichten glaubt, dann verloren die Investoren schlicht die Geduld mit dem Management von N26. Erneut gibt es Ärger mit der Bundesfinanzaufsicht und laut einem Bericht des Manager Magazins stimmte auch die wirtschaftliche Lage der Neobank die Investoren skeptisch. Denn der Druck durch die Konkurrenz steigt und steigt – und die beiden Geschäftsführer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal fanden darauf offenbar nicht die richtigen Antworten.
Was also wird nun aus dem einstigen deutsche Vorzeige-Fintech, wenn sich der Medienrummel etwas gelegt hat? Die Payment & Banking-Gesellschafter André Bajorat und Jochen Siegert schätzen die Lage ein.
André Bajorat: N26 hat weiterhin das Potential etwas Relevantes zu schaffen
Was soll man zu N26 sagen? Jetzt wo alle alles gesagt haben und selbst das Handelsblatt aus dem „Rücktritt“ von Valentin eine Push-Nachricht macht?
Im Ernst: Genau das zeigt doch, welches Potential N26 hatte und im besten Fall noch hat. Anders als die sicher zurecht gefeierten Trade Republic oder Scalable hat N26 alles was eine moderne Onlinebank braucht. Würde ich heute mein Girokonto zu Trade Republic umziehen? Zu einem Neo Broker, bei dem ich nicht einmal in den Umsätzen suchen kann? Sicher nicht – obwohl ich sonst ein großer Fan bin.
N26 hat Fehler gemacht, viele Fehler wie die zu frühe Expansion und die viel zu langsame Lieferung von neuen Funktionen und zugleich haben sie vieles auf dem Weg richtig gemacht. Zuletzt war aber die Fehlerhäufung zu groß und man hat den langen Atem der Aufsicht – aus der Ferne betrachtet – gnadenlos unterschätzt. Leider für N26 sind sie in die Post-Wirecard-Aufsicht gerutscht. Dafür können sie nichts, aber die Lernkurve scheint bisher sehr gering gewesen zu sein und die Themen, die aktuell hochkommen, waren auch schon vor Wirecard für jede Bank sehr relevant.
Ich drücke wirklich die Daumen, dass sie die Kurve bekommen. Deutschland sollte eine Neobank haben, nachdem wir es in vielen Bereichen bisher nicht geschafft haben relevante Player zu bauen. N26 hat weiter das Potential was Relevantes zu schaffen, dabei sollte aber weniger Ego und mehr Strategie im Fokus stehen.
Jochen Siegert: Neid, ausgedrückt in Häme, muss man sich erstmal erarbeiten
Erinnern wir uns zurück vor mehr als zehn Jahren: Banker:innen, Journalist:innen und Fintech-Gründer:innen sprachen fast ehrfürchtig über den so unfassbar einfachen und schnellen Antragsprozess für ein Konto. Die transluzente N26-Karte war damals so durchsichtig wie der Neid der Vertreter:innen der etablierten Finanzwirtschaft. N26 erschien dann auch noch in einer globalen Apple-Keynote und demonstrierte, dass hiesiges Banking auf der internationalen Bühne „cool“ sein kann.
Viele Themen und Entwicklungen, die N26 früh anschob, sind heute Standard im Retail-Banking bei fast allen Banken. N26 hat Benchmarks gesetzt, auf die Valentin und Maximilian, zurecht, sehr stolz sein können. Das damit verbundene, gestiegene Selbstbewusstsein, welches ohnehin schon immer eher stark ausgeprägt war, täuschte lange über wachsende hausgemachte Probleme hinweg. Bafin-Ärger, konstante Unruhe durch ständig wechselndes Management auf der Ebene unter den Gründern, sehr spät gelieferte weitere Produktfeatures und am Ende auch noch bei allen KPIs von Revolut abgehängt zu werden, tat wohl am meisten weh.
Auch jetzt ist die Häme wieder gross über die Umstände des Wechsels von Valentin in den Aufsichtsrat. Es gibt vermutlich nie den richtigen Zeitpunkt, wann man als Gründer den Staffelstab übergeben sollte. Die wenigsten Gründer:innen schaffen es, sich parallel mit dem Wachstum des eigenen Unternehmens zu einem gestandenen Großkonzern-Manager zu verändern. Neid, ausgedrückt in Häme, muss man sich aber erst einmal erarbeiten. Ja, es mag nicht alles glänzen bei N26, wie es selten in Unternehmen überall glänzt – auch nicht bei der tradierten Bankkonkurrenz. Aber das N26-Team hat in der letzten Dekade sehr, sehr viel bewegt in die richtige Richtung und einen gestandenen, etablierten Player im Banking hervorgebracht. Jetzt muss diese Geschichte weiter entwickelt werden, denn wir brauchen dringend starke, lokale Innovationsplayer am Finanzplatz Deutschland.