Wer weiterhin CFD im Portfolio hat, verachtet seine Kund:innen

Es gibt Finanzprodukte, die sinnvoll für eine große Mehrheit der Menschen sind – und dann gibt es CFD. Wenn ausgerechnet Fintechs sie anbieten, weiß ich: Ihr seid nicht besser als die Banken. Schade.

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Warum bewahrt uns niemand vor Hebelprodukten?

Wenn Sie diese Zeilen lesen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, Sie wurden schon abgezockt oder Sie haben noch beste Chancen dafür in diesem Jahr. Denn stellen Sie sich die Urlaubssituation Nummer 1 vor: Sie kommen an einem fernen Flughafen an, haben einen Mietwagen gebucht und der Mann am Schalter sagt Ihnen, Sie hätten eine nur „ausreichende“ Versicherung. Wenn Sie wirklich auf Nummer sichergehen wollten, dass alles gut läuft, bräuchten Sie eine zusätzliche, eine bessere und, na ja: eine, die ein paar Euro extra kostet. Müde, gestresst und ausgelaugt, wie sie sind, nicken sie, unterschreiben – und futsch! Das Geld ist weg. Und ich weiß, wovon ich spreche. Das ist mir schon mehr als einmal passiert. Aber warum erzähle ich das überhaupt?

Weil dieses Szenario ungefähr das Problem von Hebelprodukten zeigt: Irgendwer quatscht jemand anderem irgendwelchen Bockmist auf, den man ohnehin nicht braucht und am Ende kann man eigentlich nur Geld verlieren. Entsprechend traurig, ja, wirklich, traurig, macht es mich, wenn gerade einst ehrbare Fintechs meinen, diese absoluten Mistprodukte ihren Kunden aufdrücken zu müssen. Banken kennen diesen Trick ja schon lange – und bereits damals waren CFDs ein echt beschissenes Produkt für Anleger.

Kurz für die Laien: Contract for Difference (kurz: CFD) sind hochspekulative Finanzinstrumente, mit denen Menschen auf oder gegen einen Kursverlauf und auch sonst quasi alles wetten können. In der Regel geschieht das mit einem Hebel. Beispiel ein Hebel von fünf: Läuft alles gut, winkt ein fünffacher Gewinn und bei Verlust ein fünffacher Verlust. Wenn die Kollegen von Finanzfluss über CFDs schreiben „Für Privatanleger sind sie wenig empfehlenswert“, dann ist das schmeichelhaft für CFDs. Denn kleine Kursschwankungen bedeuten teilweise den Totalverlust. Dazu verstehen die meisten Menschen schlicht nicht, was sie da eigentlich handeln.

Menschen verlieren ihr Geld, Banken profitieren

Nun gibt es CFDs eigentlich schon seit Jahrzehnten und jeder, der regelmäßig bei YouTube Investmentvideos schaut, kennt die ultranervige Werbung von Plus500 oder eToro zu genau solchen – wie ich sie nennen möchte – Müllprodukten. Doch auch in der klassischen deutschen Bankenszene gibt es kaum ein Institut, das diese Finanzderivate nicht im Angebot hat. Und das ist erschreckend. Denn studiert man die Webseiten der Finanzinstitute, steht da eigentlich (mal mehr oder mal weniger) verklausuliert: Lieber Anleger, du wirst hier richtig abgezogen. Bei der Comdirect heißt es beispielsweise, es sei „zu erkennen, dass CFDs nicht nur zur Kategorie der Hebelprodukte zählen, sondern zu erheblichen Kursverlusten führen können.“ Danke auch für den (leider traurigen) Hinweis wenige Zeilen weiter oben: „69,1 % der Kleinanlegerkonten verlieren Geld beim CFD-Handel mit diesem Anbieter.“ Der einstige Slogan der Bank „Mehr verstehen, mehr Vermögen“ liest sich in diesem Kontext als eine Farce. Aber sei es drum, das ist eine Weile her und die Bank will ja mit der Zeit gehen.

Denn so oder so ähnlich sieht das bei eigentlich jeder Bank aus – auch bei der Sparkasse. Sie erinnern sich? „Wir machen was mit den Fähnchen“, hieß es einst.  Aber ach nee, wir machen das mit der Abzocke. Oder wie es auf der Sparkassen-Webseite heißt: „Ca. 70,6 % der Kleinanlegerkonten verlieren Geld im CFD-Handel mit diesem Anbieter.“

Bis vor wenigen Jahren ruinierten die Banken die Privatanleger noch zusätzlich mit Nachschusspflichten. Dass sie das heute nicht mehr tun, hat wenig mit Barmherzigkeit oder der Erkenntnis zu tun, dass all das eigentlich nur der Abzocke der Kunde dient. Nein, die Bafin hat es 2017 untersagt. Kann ja jeder daraus schließen, was er will.

Wenn wir es nicht anbieten, machen es andere: So ein Scheinargument

Halten wir an dieser Stelle also fest: CFD-Trading ist zum großen Teil dafür bekannt, dass Leute viel, viel Geld verlieren und trotzdem wird es bei Banken jedem halbwegs intelligenten Menschen offeriert. Die Banken müssen ihre Kunden hassen, denn sonst würden sie ein wenig besser auf dessen Geld aufpassen. Oder?

Nun könnten findige Banker argumentieren, dass die Kunden genau das ja wollten und es sich sonst woanders holen. Es sei daher besser bei regulierten, deutschen Banken ihr Geld zu verlieren als bei dubiosen Webseiten. Das ist ein Argument, das es so in vielen Diskussionen gibt: Wenn wir das Gras nicht anbieten, holen sie es sich auf dem Schwarzmarkt. Wenn die Kunden bei uns keine Sportwetten abschließen, dann suchen sie sich etwas Illegales im Internet. Und so weiter und so fort.

Eure Motivation? Fraglich

Das aber ist ein Scheinargument. Denn seien Sie mal ehrlich zu sich selbst: Welcher Kunde möchte gern in 70 bis 100 Prozent aller Fälle sein Geld verlieren? Ja, es ist die freie Wahl. Doch es muss die Aufgabe der Finanzinstitute sein, die Menschen vor Schmu wie diesem zu beschützen. Das erwarte ich von einer Bank. Und wenn Sie nun vehement den Kopf schütteln, schicken Sie mir eine Mail, damit ich das Konto bei ihrem Institut löschen kann.

Kommen wir also zu einem Trend, der all das noch abstoßender macht: Direktbanken und Fintechs, die den Quatsch auch anbieten. Das fängt bei der ING an, geht über Trade Republic bis hin zu Flatex. Denn Leute, ihr seid doch mal mit so hehren Absichten gestartet, mit den großen Visionen, all die großen Fehler der Banken nicht zu wiederholen. Warum seid ihr dann jetzt so dumm und quatscht eure Kunden in Produkte, bei denen sie mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit alles verlieren werden? Hegt ihr am Ende gar einen ähnlichen Groll gegen euren Kunden, wie ich ihn bei den Banken ja schon lange vermute.  Anders kann ich mir das sonst nicht erklären.

Fintechs sind keinen Deut besser

Fintechs wollten mich doch begeistern, weil sie anders sind. Mein trauriges Fazit bei hochspekulativen Finanzprodukten: Sind sie nicht. Beispiel gefällig? Ein besonders prominentes Beispiel für diesen Trend ist Bitpanda Leverage, das so etwas wie das Küken unter den Hebelprodukten ist. Immerhin gibt es das Angebot erst seit ein paar Wochen und es geht hier auch nicht um Aktien, sondern ausgerechnet um die ohnehin ultra-volatilen Kryptomärkte. Puuuuh. Da stellen sich mir schon alle Nackenhaare auf. Wenn schon Aktien-Hebelprodukte riskant sind: Wie schlimm sind dann bitte Krypto-Hebel für die Anleger? Auf der Webseite findet sich dazu keine Zahl, nur der Hinweis: „Der überwiegende Anteil der Privatkunden-Konten verliert Geld beim CFD-Handel. Du solltest überlegen, ob du verstehst, wie CFDs funktionieren, und ob du es dir leisten kannst, das hohe Risiko einzugehen, dein Geld zu verlieren.“

Überwiegender Teil? Das heißt, auch in Wien wissen sie, was offensichtlich ist: Hebelprodukte sind saugefährlich und Anleger verlieren damit regelmäßig ihr Erspartes. Was machen wir als Fintech mit tollen Werten also? Genau, wir bieten ein Produkt an, das möglichst riskant ist. Warum, das weiß keiner so genau. Vielleicht ist es Margendruck, vielleicht Langweile oder es sind alles Misanthropen. Oder vielleicht sind Fintechs eben doch nur Banken mit frischem Anstrich.

Auf der Website von Bitpanda heißt es: „Was Menschen wollen, ist ein fairer Zugang zu Produkten, die sie verstehen. Sie wollen die Verantwortung für ihre eigenen Finanzen übernehmen. Sie wollen keine schwachsinnigen Produkte und Ratschläge.“ Und ja, das könnte so oder so ähnlich auf jeder Fintech-Seite stehen, weshalb der folgende Satz auch für alle gelten soll: Steht doch zu eurem Wort. Und hört auf, den Menschen Bullshit anzudrehen. Denn CFDs sind und bleiben ein Spiel, bei dem der Kunde in der Regel draufzahlt. Ob der Hebel jetzt 1 oder 2 oder 66 ist. 

Solch ein Angebot ist im Casino fraglich, aber eigentlich zu erwarten. Beim Banking ist es einfach nur Abzocke. Meine Meinung, wie immer.

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Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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